Dem Wirkstoff Semaglutid verdanken stark übergewichtige Menschen wie auch Typ-2-Diabetiker in vielen Fällen Therapieerfolge. Das Mittel macht Spritzen wie Ozempic und Wegovy so beliebt. Immer wieder branden Fragen im Zusammenhang mit diesen Medikamenten auf: Erhöhen die Spritzen das Krebsrisiko? Haben sie Einfluss auf die Herzgesundheit? Die Antworten fallen nicht nur negativ aus. Neue Studien haben sich nun einem weiteren Phänomen mit Semaglutid-Bezug angenommen: ungeplante Schwangerschaften nach Einnahme des Wirkstoffs. Tatsächlich könnte Semaglutid die Fruchtbarkeit von Frauen verändern – und das hat entsprechende Folgen.
Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy: Boom mit Folgen?
Die Nachfrage nach Ozempic und Wegovy ist seit Anbeginn hoch: Allen voran Ozempic, das ausschließlich zur Diabetes-Behandlung vorgesehen ist, wurde in Form von Abnehmspritzen zum Internetstar. Die Popularität im Netz wuchs, schnelle Erfolge im Pfund-purzeln-lassen schraubten die Nachfrage nach oben. Durch den unvorhergesehenen Boom herrschte in Deutschland über lange Zeit ein Lieferengpass.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hatte im November 2024 hingewiesen, dass der Hersteller Novo Nordisk Pharma GmbH über „die erhöhte Verfügbarkeit von Ozempic“ informierte. Im Schreiben betonen Unternehmensverantwortliche, dass Ozempic ausschließlich an Diabetiker mit Typ 2 zu verordnen sei, von sogenannten Off-Label-Verschreibungen sei abzusehen. Sprich: Ozempic auch fürs Abnehmen zu verwenden. Schließlich, so heißt es weiter, sei eine „indikationsgerechte Therapie mit Semaglutid für Patient:innen mit Adipositas mit Wegovy möglich“.
Ganz ohne Nebenwirkungen kommt Ozempic aber offenbar wie andere Medikamente auch nicht daher. Laut der Europäischen Arzneimittel-Agentur seien allen voran Übelkeit, Erbrechen und Durchfall bei vielen Patienten zu beobachten. Neuerdings könnte eine weitere „Nebenwirkung“ dazu kommen: ungeplante Schwangerschaften.
„Ozempic-Babys“: Schwanger durch Diabetes-Medikament?
Das Phänomen ungeplanter Schwangerschaften nach Ozempic-Einnahme hat über dem großen Teich eine eigene Bezeichnung erhalten: Laut der Gesundheitsplattform webmd.com ist dann die Rede von „Ozempic-Babys“. Dass Frauen durch Semaglutid-Medikamente eine erhöhte Fruchtbarkeit aufweisen, hängt wahrscheinlich mit Veränderungen des Gewichts, der Insulinempfindlichkeit und der Hormone zusammen, heißt es dort.
Auch der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sind die „Ozempic Babys“ bekannt, wie der September-Ausgabe der „Arzneiverordnung in der Praxis“ zu entnehmen ist. Die Autoren verweisen auf entsprechende Studien.
Übrigens: Zu viel Zucker kann während der Schwangerschaft und im Kleinkindalter gefährlich werden. Eine besondere Form von Diabetes wiederum ist die sogenannte Schwangerschaftsdiabetes.
Ozempic und Schwangerschaft: Was sagen Studien?
Ergebnisse aktueller Studien belegen zwei Umstände: Zum einen können Behandlungen mit Semaglutid und anderen Substanzen die Fruchtbarkeit erhöhen, womit es zu mehr ungeplanten Schwangerschaften kommen kann. Andererseits kann so mitunter den Frauen geholfen werden, die aufgrund gestörter Eizellreifung nicht oder nur sehr schwer schwanger werden, unter dem polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) leiden.
Durch Ozempic endlich schwanger?
Bei letzterem, so eine Studie aus 2020, helfe die „gewichtsreduzierende Wirkung“ der Wirkstoffgruppe, um PCOS-Patienten eine weitere Behandlungsmöglichkeit zu bieten. Gewicht zu verlieren, so die Autoren, sei der wichtigste Faktor, der sich auf die Fruchtbarkeit auswirke.
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat in einer Stellungnahme Anfang Dezember 2024 auf mögliche Nebenwirkungen und Risiken der Behandlung mit unter anderem Semaglutid hingewiesen. Ute Schäfer-Graf ist Mitglied der AG Diabetes und Schwangerschaft der DDG und Oberärztin am Berliner Diabeteszentrum für Schwangere des St. Joseph Krankenhauses. Sie erklärt, dass die Medikamente für Betroffene zwar „eine vielversprechende Option“ darstellen würden. Gleichzeit aber warnte sie auch, „die Medikamente in Eigenregie als ‚Fruchtbarkeits-Booster‘ zu verwenden“.
Ozempic: Kommt es zu ungeplanten Schwangerschaften?
Das Potenzial der Medikamente sei zwar hoch, individuelle Beratung und enge ärztliche Begleitung seien aber erforderlich. Die DDG-Expertin weiter: „Viele stark übergewichtige Frauen unterschätzen die Auswirkungen der Therapie mit GLP-1 Analoga auf ihren Zyklus: Bereits eine Gewichtsreduktion von 5 bis 10 Prozent kann den Eisprung normalisieren.“
Insgesamt, so betont die DDG-Arbeitsgemeinschaft, sei mit mehr ungeplanten oder geplanten Schwangerschaften zu rechnen, wenn die Frauen mit dem Wirkstoff behandelt werden. Denn zudem könnten Nebenwirkungen von Semaglutid wie Erbrechen oder eine „verzögerte Magenentleerung“ die Wirksamkeit der Pille beeinträchtigen.
Die Autorin des webmd.com-Artikels fasst zusammen: Es sei nicht das Medikament selbst, sondern die damit einhergehenden Veränderungen, allen voran die Gewichtsabnahme, die in vielen Fällen zu unerwarteten Schwangerschaften führe. So nämlich sei es betroffenen Frauen möglich, dass so viel Gewicht verloren werde, damit wieder ein regelmäßiger Eisprung einsetze.
Eine großangelegte Beobachtungsstudie wiederum präsentierte übrigens, dass diese Schwangerschaften nicht mit einem höheren Risiko für eine angeborene Fehlbildung einhergehen. Auch wenn es methodische Probleme an den Studien gebe, so schreibt die DDG, stehe eines fest: „Frauen müssen wissen, wie diese neueren Antidiabetika auf ihre Fruchtbarkeit wirken und welche Risiken eine Schwangerschaft während der Therapie birgt“, so Schäfer-Graf.
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