20 Minuten vor dem Essen eine kleine Pille schlucken und keine Chance mehr, zu viel zu essen und zuzunehmen. Eine neue Pille verspricht: Abnehmen leicht gemacht. Denn zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man sich die Ergebnisse einer neu veröffentlichten Studie der Uni Harvard und dem MIT anschaut. Die Forscher sind sich sicher, dass ihre entwickelte Pille eine minimal-invasive Behandlung von Fettleibigkeit ermöglicht. Doch ganz so einfach ist das nicht.
Abnehmen: Hype um Spritzen und Medikamente
Ein regelrechter Hype entstand in jüngster Vergangenheit um Medikamente etwa mit dem Namen Ozempic und Trulicity. Der Clou: Die eigentlich für Typ-2-Diabetes vorgesehenen Spritzen rufen ein starkes Sättigungsgefühl hervor. Der Nachteil: Sie sind eigentlich nicht primär fürs Abnehmen gedacht, verursachen teils sehr unangenehme Nebenwirkungen und müssen für die volle Wirkung offenbar das ganze Leben genutzt werden, sonst kommen die Kilos wieder.
Experten raten auch von sogenannten Fettkillern ab, wie zum Beispiel Xenical, das nur Menschen mit starkem Übergewicht nutzen sollten und das auch ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht. Ebenfalls in den Trends liegen die Versuche, mit Insulin abzunehmen oder mit Schwarzkümmelöl, Fruchtgummis oder ketogener Ernährung.
Studie: Abnehm-Pille setzt auf Vibrationen
Auf einen neuartigen Ansatz setzt eine Abnehm-Pille, die Forscher der Harvard Universität und Ingenieure des MIT entwickeln. Diese ist mit einem Mini-Motor ausgestattet, der im Magen vibriert und so die Dehnungsrezeptoren anspricht, welche spüren, wenn der Magen aufgebläht ist. Im Ergebnis denkt das Gehirn aufgrund der gemeldeten Informationen, der Magen sei voll - ein quasi künstliches Sättigungsgefühl tritt ein. Passend zur Wirkmechanik nennen die Entwickler ihr Gerät "VIBES" (Vibratory Ingestible BioElectronic Stimulator, zu deutsch: Bioelektronischer Vibrationsstimulator zum Einnehmen). "Vibes" zu deutsch bedeutet auch "Schwingungen". Ihre Erkenntnisse haben die Autoren kürzlich in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Science Advances" veröffentlicht.
Ihre Versuche mit Schweinen seien überraschend wirksam gewesen. Die Tiere hatten die Pille 20 Minuten vor dem Essen bekommen, teilen die Forscher auf der Newsseite des MIT mit, die Ausschüttung von Hormonen, die die Sättigung signalisieren, sei gestiegen. Zudem hätten die Schweine um etwa 40 Prozent weniger Nahrung aufgenommen. Der Haken: Eins zu eins lassen sich die Ergebnisse wohl nicht auf den Menschen übertragen.
Die Hauptautorin Shriya Srinivasan erklärt: "Jemand, der abnehmen oder seinen Appetit zügeln will, könnte die Pille vor jeder Mahlzeit einnehmen. Das könnte wirklich interessant sein, denn es wäre eine Möglichkeit, die Nebenwirkungen zu minimieren, die wir bei anderen pharmakologischen Behandlungen beobachten." Kostspielige und aufwendige Operationen könnten so mitunter vermieden werden.
Abnehm-Pille mit Motor: So funktioniert das Gerät
Wenn die Pille, die von einer kleinen Batterie angetrieben werde, den Magen erreiche, löse die Magensäure eine gelatinöse Membran auf, die die Kapsel bedecke, und schließe so den elektronischen Schaltkreis, der wiederum den Vibrationsmotor aktiviere. Sie sei so gebaut, dass sie rund eine halbe Stunde lang vibriere. Denkbar sei es, so die Forscher, dass man sie später eventuell drahtlos an- und ausschalten kann. Bei den Schweinen sei die Pille nach vier bis fünf Tagen wieder ausgeschieden gewesen. Sie hätten "keine Anzeichen von Verstopfung, Perforation oder anderen negativen Auswirkungen gezeigt, während sich die Pille in ihrem Verdauungstrakt befand".
Shriya Srinivasan ist sich abschließend sicher: "Für viele Bevölkerungsgruppen sind einige der wirksamsten Therapien gegen Fettleibigkeit sehr kostspielig. In großem Maßstab könnte unser Gerät zu einem ziemlich kosteneffizienten Preis hergestellt werden. Ich würde gerne sehen, wie dies die Versorgung und Therapie für Menschen in globalen Gesundheitseinrichtungen verändern würde, die keinen Zugang zu einigen der anspruchsvolleren oder teureren Optionen haben, die heute verfügbar sind."