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Nachruf: Schauspieler Günter Lamprecht war der Mann für verkorkste Typen

Nachruf

Schauspieler Günter Lamprecht war der Mann für verkorkste Typen

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    Günter Lamprecht als Kriminalhauptkommissar Franz Markowitz im „Tatort“. Das Bild stammt aus den Neunzigerjahren.
    Günter Lamprecht als Kriminalhauptkommissar Franz Markowitz im „Tatort“. Das Bild stammt aus den Neunzigerjahren. Foto: Keystone

    Der US-Schriftsteller Philip Roth hat einst das Problem auf den Punkt gebracht: „Das Alter ist ein Massaker.“ Ob das Günter Lamprecht so sah, ist zwar nicht überliefert. Aber auch der große deutsche Schauspieler hat sein Lebensmotto zumindest in den letzten Jahren seines Lebens in diese Richtung getrimmt: „Da musste jetzt durch, Jünta“, sagte er anlässlich seines 80. Geburtstags. Und den hat er noch rauschend und Boogie-Woogie tanzend gefeiert.

    Zuletzt wurde es um den Mimen ruhiger. „Mir wurde fünfmal an der Wirbelsäule rumoperiert und beide Kniegelenke wurden ersetzt“, hat er in einem seiner späten Interviews gesagt. Am Freitag fiel nun der letzte Vorhang: Lamprecht starb am 4. Oktober in Bonn-Bad Godesberg mit 92 Jahren.

    Das Motto seines Lebensabends, also das mit dem „Durchmüssen“, galt vermutlich in gewisser Weise aber schon früher. Lamprecht meinte damit vor allem das Kriegsende bis zur Stunde Null, als er als 15-Jähriger in einem Berliner Lazarett für Verwundete als Hilfssanitäter eingesetzt wurde. „Da habe ich wirklich Schlimmes erlebt.“

    Günter Lamprecht ging nicht länger als vier Jahre zur Schule

    Und dass er einmal ein durchaus gefeierter Schauspieler werden würde, hat er damals vermutlich noch nicht einmal geträumt. Sein Vater war Taxifahrer – und zugleich Nazi aus Überzeugung. Länger als vier Jahre ist Günter Lamprecht nicht zur Schule gegangen. Nach dem Krieg gehörte er zu einer Gang jugendlicher Diebe. Lamprecht machte daraus kein Geheimnis: „Wir haben geklaut wie die Raben.“ Es folgte eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker. „Nach der Arbeit bin ich oft in den Jazzkeller ,Badewanne‘ in der Nürnberger Straße gegangen“, erzählte er einmal.

    Und dann passierte das, was die Medien später einen „tollen Zufall“ nannten. Eines Nachts sagte ein besoffener Freund in der „Badewanne“ zu ihm: „Günter, du musst Schauspieler werden.“ Daraufhin sprach der völlig unbelesene junge Mann bei der renommierten Max-Reinhardt-Schule für Schauspiel vor – und wurde genommen. Von da an ging es steil aufwärts.

    Sogar im allersten Tatort spielte Lamprecht schon mit

    Der Berliner trat auf Bühnen in ganz Deutschland auf und wirkte bei preisgekrönten Filmproduktionen – wie etwa „Das Boot“ oder „Comedian Harmonists“ – in vielen großen Rollen mit. Schon im allersten „Tatort – Taxi nach Leipzig“ spielte er mit. Lamprechts professionelle Einstellung war so simpel wie seriös: Lebensnah und glaubwürdig zu spielen, das war für ihn wichtig.

    Um möglichst perfekt zu spielen, schlug er sich beispielsweise mit Berliner Polizisten die Nächte um die Ohren, setzte sich in schäbige Kneipen oder buk wochenlang frühmorgens Brötchen: Wenn sich Lamprecht auf eine neue Rolle vorbereitete, dann stürzte er sich ins jeweilige Milieu. Als Franz Biberkopf in Rainer Werner Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ oder als kantiger „Tatort“-Kommissar Franz Markowitz schrieb er deutsche Fernsehgeschichte.

    Zu einem glamourösen Star wurde er trotzdem nie – vielleicht auch, weil seine Charaktere dafür zu sperrig, zu verkorkst, zu vieldimensional waren. Neben seinen Schauspielaktivitäten griff er auch zur Feder. Seine Erlebnisse während des Nationalsozialismus und in den Nachkriegsjahren erzählte Lamprecht in dem Buch „Und wehmütig bin ich immer noch. Eine Jugend in Berlin“. Mit „Ein höllisches Ding“ erschien vor 15 Jahren der zweite Teil seiner Autobiografie.

    Beim Attentat von Bad Reichenhall wurde er verletzt

    Einschneidend war für ihn der Amoklauf von Bad Reichenhall im Jahr 1999. Dabei erschoss ein 16-Jähriger vier Menschen und verletzte fünf weitere, bevor er sich selbst tötete. Zu den Verletzten gehörten Günter Lamprecht und seine Lebensgefährtin Claudia Amm, mit der er bis zu seinem Tod zusammen war.

    Privat engagierte sich der Schauspieler in seiner Wahlheimat Bonn und setzte sich dort ehrenamtlich für soziale Zwecke und für den Umweltschutz ein. Politisch blieb er ein Leben lang aufseiten der Arbeiterschaft und unterstützte die SPD. Zuletzt stand er sogar noch 2021 gemeinsam mit Ulrich Tukur in dem Film „Meeresleuchten“ vor der Kamera.

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