Wenn „Münster“ läuft, schalten auch Menschen sonntagabends den „Tatort“ ein, die sonst nichts mit dem deutschen Krimiformat überhaupt am Hut haben. Weil nämlich Thiel (Axel Prahl) und Boerne (Jan Josef Liefers) nicht in erster Linie Ermittler und Gerichtsmediziner, sondern vor allem große Kabarettisten sind. Entschuldigung, waren. Was anderen Teams den Vorwurf der albernen Blödelei einbrächte, galt bei ihnen lange als Markenzeichen. Typisch Münster halt. Wenn nun aber Fans im Internet den Rücktritt dieser Publikumslieblinge fordern, muss etwas so richtig schiefgegangen sein. Der Reinfall hat einen Namen: „Propheteus“.
Selbst nach eigenen Angaben eingefleischte Fans sind sich auf Twitter einig darin, den „schlechtesten Münster-,Tatort’ aller Zeiten“ angeschaut zu haben, mancher Nutzer geht sogar noch weiter: „Das ist mit Abstand der schlechteste ,Tatort’, den ich jemals gesehen habe – und ich bin 55!“
Boerne im Schwurbler-Milieu: "Tatort"-Fans finden den Gag alles andere als gelungen
Die Liste der Kritikpunkte an dem Fall um zwei Tote aus einer Gruppe von Verschwörungsgläubigen, die die Ankunft von Aliens auf Erden erwarten und Reptiloide fürchten, ist lang. Der heftigste Vorwurf: Das brisante Thema „Verschwörungsmythen“ werde „slapstickhaft ins Lächerliche gezogen" – und der Witz zünde nach Jan Josef Liefers’ Auftritt bei der Kampagne #allesdichtmachen absolut nicht. Liefers hatte Ende April mit anderen Schauspielerinnen und Schauspielern in teils „Querdenker“-ähnlichen Videos zynisch und sarkastisch die Corona-Schutzmaßnahmen kritisiert.
In „Propheteus“ gerät seine Figur ebenfalls unter Schwurbler-Verdacht und ins Visier zweier alienartiger Vertreter des Verfassungsschutzes namens "Muster" und "Mann", deren maschinenhaftes, penetrantes Auftreten viele Fans endgültig aus- oder umschalten ließ. Einer kommentierte im Netz, er habe – eine „Premiere“ – nach 35 Minuten abgeschaltet.
"Die Darstellung von ,Muster und Mann' vom irdischen oder eben überirdischen Verfassungsschutz war bewusst etwas abgedreht", erklärt der Westdeutsche Rundfunk (WDR) auf Anfrage unserer Redaktion. Zur vielfachen Kritik an der Folge äußert der Sender sich so: "Es ist offensichtlich, dass wir mit unseren Krimikomödien aus Münster nicht immer den Geschmack aller Zuschauer:innen treffen können." Wie immer beim "Tatort" Münster habe man sich einem real existierenden Phänomen "auf humoristische Art und Weise angenähert". Die Grundlagen des Falls seien gut recherchiert.
20 Jahre "Tatort" aus Münster
Einzelne Stimmen, die ein TV-Ende des Münsteraner Teams fordern, kontert der Sender ganz klar: "Selbstverständlich geht es mit Thiel, Boerne und dem ganzen Team weiter wie gewohnt. Wir stehen kurz vor den Dreharbeiten zur nächsten Tatort-Münster-Folge und freuen uns, in diesem Jahr 20. Geburtstag zu feiern."
Dennoch: Die negativen Reaktionen spiegeln sich auch in den Quoten wider. Zwar schauten im Schnitt immer noch bemerkenswerte 11,03 Millionen Menschen Thiel und Boerne zu, was ab 20.30 Uhr einem Marktanteil von 34,5 Prozent entsprach. Die ebenfalls reichlich skurrile Münster-Folge „Des Teufels langer Atem“ davor hatten am 16. Januar jedoch 14,16 Millionen Menschen (Marktanteil 41 Prozent) im Ersten gesehen. Damit erreichte das Ermittler-Duo fast seinen Quotenrekord aus dem Jahr 2017. Damals schalteten die Folge „Fangschuss“ 14,56 Millionen Menschen ein – ein so großes Publikum hatte der „Tatort“ seit dem Jahr 1992 nicht mehr.