Frau Höller, vor ein paar Jahren ist Ihr Leben in die Brüche gegangen. Wie geht es Ihnen heute?
Miriam Höller: Ja, das war 2016. Heute geht es mir tatsächlich wieder gut. Ich bin glücklich und kann das Leben genießen. Aber es gab eine Zeit, da hätte ich nicht gedacht, dass das wieder möglich sein wird. Es gab Tage, an denen ging es mir extrem schlecht, da war ich ganz unten.
Sie haben sich damals bei einem Ihrer Stunts beide Füße zertrümmert. Sechs Wochen später ist Ihr Lebensgefährte, Kunstflug-Weltmeister Hannes Arch, mit 48 Jahren bei einem Helikopterabsturz tödlich verunglückt. War das der schlimmste Moment Ihres Lebens?
Höller: Definitiv. Ich glaube, dass meine komplex gebrochenen Füße für mich schon ein schwerer Schlag waren. Denn damit hatte ich die Grundlage meiner beruflichen Existenz verloren. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte ich wenigstens noch um meine Gesundung kämpfen. Als dann die Nachricht kam, dass mein Lebenspartner völlig überraschend verstorben ist, war das unfassbar. Denn das lässt sich nicht wieder gut machen. Dadurch, dass beide Tiefschläge so schnell aufeinanderfolgten, war das schon wie ein Sturz ins Bodenlose. Zuerst ging meine berufliche Existenz kaputt, dann die private. Wir hatten uns auch nicht gegenseitig abgesichert, so verlor ich auch noch mein Zuhause. Das war einfach zu viel damals. Es war der Start in die schlimmste Zeit meines Lebens, denn es ist ja nicht nur dieser eine Tag, an dem man so eine Nachricht bekommt, sondern auch das, was darauf folgt.
Ihr neues Buch trägt den Titel „Das Leben ist ungerecht. Und das ist gut so“. War das Schreiben auch eine innere Befreiung?
Höller: Ja, natürlich. Ich habe aus therapeutischen Gründen schon angefangen zu schreiben, als ich noch mit zertrümmerten Füßen im Krankenhaus lag. Da merkte ich, das ist ein schönes Werkzeug, um die Gedanken und Emotionen zu verarbeiten. Ich habe damals über 700 Seiten geschrieben, aus denen ich dann in den vergangenen zwei, drei Jahren das Buch sozusagen herausdestilliert habe. Die meisten Bücher sind ja entweder Biografien oder Ratgeber. Ich wollte beides zusammenbringen – eine echte Lebensgeschichte und die Lehre daraus. Das sind schon sehr intime Einblicke.
Sie schreiben, Sie hätten früher gedacht, wenn Sie nur ein guter Mensch seien, könne Ihnen wenig passieren. Der Tod sei den alten Menschen vorbehalten. Das war wohl naiv, oder?
Höller: Auf jeden Fall. Ich habe natürlich geglaubt, dass ich unaufhaltbar bin – und vielleicht sogar unsterblich. So beeinflusst war ich von Actionfilmen. Ich bin deswegen auch Stuntfrau geworden. Die Miriam vor diesen Tiefschlägen war definitiv sehr leichtfüßig, sehr naiv, sehr gutgläubig. Doch das Leben hat mich gelehrt, dass es nicht reicht, ein guter Mensch zu sein und fleißig zu arbeiten – in dem Glauben, dass einen dann das Leben automatisch beschenkt. Das ist leider keine Spielregel. Das Leben ist unkontrollierbar und wirft einem immer wieder Herausforderungen vor die Füße. Unsere Aufgabe ist es, damit umzugehen.
Sie haben am Limit gelebt – bis das Leben Ihnen die Grenzen aufzeigte.
Höller: Ich habe mich ja immer über meine Leistung und mein Aussehen definiert – und habe dafür auch meine Anerkennung bekommen. Dann ist mir meine Eigenständigkeit genommen worden. Das war eine absolute Katastrophe! Zugleich war es meine Aufgabe, Schönheit auch in der Zerstörung zu finden. Und das waren dann ganz klar die Empathie und die Hilfsbereitschaft der Menschen, die plötzlich da waren.
Loslassen können, sei wichtig, schreiben Sie.
Höller: Ich glaube, dass ich immer versucht habe, das Leben zu kontrollieren. Ich wollte alles festhalten, was ich mir hart erarbeitet habe. Dabei ist doch alles auf dieser Welt dafür bestimmt, dass es irgendwann zu Ende geht – auch unser eigenes Leben. Genauso halten wir an Beziehungen, unserem Haus, unserem Geld und vielem mehr fest. Denn das gibt uns eine vermeintliche Sicherheit. Ich habe gelernt, je mehr ich loslasse von der Illusion, alles kontrollieren zu können, desto leichter gehe ich durchs Leben.
Sie hatten lange Zeit eine Sehnsucht nach großen Herausforderungen. Wie ist das heute?
Höller: Das brauche ich nicht mehr. Zwar habe ich immer noch meinen Fallschirm hier liegen, aber ich muss nicht mehr aus Flugzeugen springen. Trotzdem werde ich immer abenteuerlustig sein und viel reisen. Denn das gibt mir eine wahnsinnige Lebensdynamik und Lebensfreude. Die Stuntfrau Miriam Höller wollte viel beweisen. Dass sie cool und tough ist, in einem männerdominierten Beruf mithalten kann. Heute muss ich all das nicht mehr. Und ich mag die ruhigere und wertschätzendere Miriam sehr.
Zur Person
Miriam Höller, 1987 in Mülheim an der Ruhr geboren, wurde bekannt als eine der wenigen Stuntfrauen Deutschlands, durch das Motormagazin „Grip“ und „Germany‘s Next Topmodel“. Kürzlich machten sie und TV-Koch Roland Trettl ihre Beziehung offiziell. Höllers Buch „Das Leben ist ungerecht. Und das ist gut so“ erscheint an diesem Donnerstag bei Econ (320 Seiten, 20 Euro).
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