Bei den verheerenden Unwettern in großen Teilen Spaniens sind weit über 200 Menschen ums Leben gekommen. Nach der jüngsten offiziellen Bilanz forderten die Überschwemmungen und Erdrutsche mindestens 217 Menschenleben, die meisten in der auch bei deutschen Urlaubern beliebten Region Valencia. Man geht jedoch davon aus, dass die Zahl der Todesopfer weiter steigen wird - auch weil noch immer viele Menschen nicht kontaktiert werden konnten. Dutzende Menschen gelten nach wie vor als vermisst.
Nach Unwetter mindestens 200 Tote in Spanien
Unwetter im Osten und Süden Spaniens hatten Überschwemmungen in den ans Mittelmeer grenzenden Regionen Andalusien, Murcia und Valencia verursacht. Mancherorts fiel innerhalb von einem Tag so viel Regen wie sonst in einem Jahr - dem Wetterdienst Aemet zufolge in einigen Orten der Region Valencia bis zu 490 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Binnen kürzester Zeit verwandelten sich Straßen in Flüsse und Bäche in reißende Ströme, die Menschen, Autos und Bäume, aber auch Infrastruktur mit sich rissen und vielerorts große Verwüstung anrichteten. Die Regierung verhängte eine dreitägige Staatstrauer.
Es sei eine der schlimmsten Naturkatastrophen in der modernen Geschichte Spaniens, schreibt die spanische Zeitung El País. Am späten Mittwochnachmittag seien etwa 115.000 Menschen ohne Strom und knapp 120.000 ohne Anschluss an Telekommunikation.
Unwetter in Spanien: Provinz Valencia besonders betroffen
Die Suche nach Vermissten im Katastrophengebiet dauert derweil an. Alle Blicke richten sich besonders auf Bonaire, da dort nicht weniger als 2.700 unterirdische Stellplätze existieren. Die Einsatzkräfte der Polizei, des Militärs und der Feuerwehr arbeiten unermüdlich - inmitten eines bestialischen Gestanks, wie Reporter berichten. Die gute Nachricht: Bei der Durchsuchung der ersten 50 Fahrzeuge wurde keine Leiche entdeckt.
Aldaia-Bürgermeister Guillermo Luján relativierte unterdessen im staatlichen TV-Sender RTVE die dramatisierenden Berichte einiger Medien. Manche spekulierten, man könnte allein in Bonaire womöglich Hunderte Tote finden. „Der Parkplatz war fast leer, wir schätzen, dass dort zum Zeitpunkt der Überschwemmung weniger als 100 Fahrzeuge parkten“, betonte Luján. Man müsse vorsichtig sein, es seien übertriebene Darstellungen im Umlauf.
Viele Menschen gelten weiterhin als vermisst
Eine offizielle Vermisstenzahl gibt es nach wie vor nicht. Einige wenige Medien schreiben seit Tagen von 1.500, 2.000 oder sogar 2.500 Vermissten. Dafür gibt es jedoch keine belastbaren Quellen. Vermutlich basieren sie auf den Notrufen, die teils schon zu Beginn des Unwetters bei den Behörden eingingen. „Wir dürfen nicht spekulieren“, sagte zu diesem Thema der Minister für Territoriale Politik, Ángel Víctor Torres. Er warnte vor Fake News. Man müsse seriös vorgehen.
Die Bergung der Leichen, das Zittern um die Vermissten und die Verzweiflung der Tausenden, die ihr ganzes Hab und Gut und zum Teil auch Angehörige und Freunde verloren haben, stehen nach einer knappen Woche weiter im Mittelpunkt. Wie gereizt die Stimmung unter den Betroffenen ist, die sich über eine schleppende Hilfe beklagen, zeigten auch die Tumulte beim Besuch des Königspaars Felipe und Letizia und Regierungschef Pedro Sánchez am Sonntag in der schwer in Mitleidenschaft gezogenen Gemeinde Paiporta, als die Gäste mit Schlamm beworfen, beschimpft und sogar attackiert wurden. Vermutet wird, dass rechtsextreme Gruppen die Bürger aufgestachelt haben. Die Polizei nahm Ermittlungen auf.
Rund 10.000 Polizisten der Policía Nacional sind im Einsatz
Die Aufräum- und Bergungsarbeiten kamen derweil immer besser auf Touren. Am Montag waren neben rund 10.000 Polizisten der Policía Nacional und der Guardia Civil bereits mehr als 7.500 Militärangehörige im Einsatz. Sie wurden von Feuerwehr und Zivilschutz sowie von unzähligen Freiwilligen unterstützt. Es wird vermutet, dass die Aufräumarbeiten viele Tage und sogar Wochen in Anspruch nehmen werden. Der Wiederaufbau dürfte Monate dauern.
Medienberichten zufolge galten die Unwetterwarnungen am Dienstag und Mittwoch zwischenzeitlich für zehn der insgesamt 17 autonomen Gemeinschaften des Landes. Neben heftigen Regenfällen gab es auch Hagel und starke Windböen, wie Aemet mitteilte. In den sozialen Medien und über Nachrichtenapps teilten Betroffene Bilder und Videos von über die Ufer getretenen Flüssen, Sturzbächen oder aber von ihrem eigenen Standort, um eine Rettung zu erleichtern.
Dutzende Menschen in Valencia mussten die Nacht Mittwoch auf Donnerstag in Lastwagen, Autos, auf den Dächern von Geschäften oder Tankstellen oder in den obersten Stockwerken von Häusern verbringen. Teilweise waren sie auch in ihren Fahrzeugen eingesperrt und warteten auf Rettung, berichtet die spanische Zeitung El País. Im Landesinneren der Provinz Valencia waren die Regenfälle besonders heftig. Viele Straßen sind nicht befahrbar, der Flug- und der Bahnverkehr wurde eingestellt.
Spanien: Unwetter beeinträchtigt Bahn- und Flugverkehr in Katalonien
Die benachbarte Region Katalonien wird derweil von heftigen Niederschlägen heimgesucht. Der Flughafen in der Regionalhauptstadt Barcelona habe deshalb vormittags bereits rund 70 Flüge gestrichen und 18 umgeleitet, teilte die Flughafenverwaltungsbehörde Aena mit. Medien wie die Regionalzeitung El Periódico veröffentlichten Videos und Bilder, auf denen ein überflutetes Rollfeld zu sehen ist. Zum Teil lief das Wasser auch durch die Decke in den Innenbereich des Airports. Der spanische Verkehrsminister Óscar Puente berichtete auf X, in einigen Bereichen der Terminals und der Parkplätze des Flughafens gebe es Lecks. Auf Antrag des Zivilschutzes sei der gesamte regionale Bahnverkehr vorläufig eingestellt worden, teilte der Minister auch mit.
Puente berichtete auch von einem Erdrutsch auf der Autobahn 27, der den Verkehr beeinträchtige. Bald werde dort aber eine Spur geöffnet werden können. Nach Berichten spanischer Medien wurden mehrere Straßen in Katalonien im Nordosten Spaniens überflutet. 150 Bildungseinrichtungen sagten nach Medienberichten den Unterricht ab. Besonders betroffen vom Unwetter in Katalonien ist die Küstenregion um die Provinzhauptstadt Barcelona. Die für dieses Gebiet vormittags ausgegebene Warnstufe Rot wurde vom Wetterdienst Aemet inzwischen um zwei Stufen auf Gelb herabgesetzt. Anwohner hatten auf dem Handy Warnmeldungen des Zivilschutzes unter anderem mit der Empfehlung erhalten, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben und unnötige Fahrten zu vermeiden.
Suche nach den Vermissten wird durch Regenfälle erschwert
Für die Provinzen Andalusien, Aragonien, Kastilien und Léon, Katalonien, Extremadura, die autonome Region Valencia sowie die Stadt Ceuta gilt laut Aemet immer noch die Warnstufe Gelb. Es werden starke, wenn auch nicht mehr sintflutartige Regenfälle erwartet. Sie werden die Suche nach Vermissten sowie den Wiederaufbau der Infrastruktur erschweren, schreibt El País. Erneut ergiebige Regenfälle würden am Donnerstag im Süden Kataloniens sowie in Extremadura und im Westen Andalusiens erwartet. „Aber nichts von dem, was wir am Dienstag im Mittelmeerraum gesehen haben“, sagte Aemet-Sprecher Rubén del Campo. Laut El País werden mehr als 1000 Soldaten bei den Rettungsarbeiten in den betroffenen Gebieten unterstützen.
Über Mallorca und den anderen Balearen-Inseln war das Unwetter mit Starkregen bereits am Montag gezogen. Inzwischen hat sich die Situation dort wieder beruhigt. (mit dpa)
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