Seit Jahren beschäftigt sich die deutsche Öffentlichkeit und vor allem Wissenschaft stark mit einem Thema: Long Covid, die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Nach Schätzungen der Betroffenen-Initiative Long Covid Deutschland leiden mindestens zehn Prozent aller Infizierten an mehr oder weniger starken Langzeitfolgen der Erkrankung. Zwischen ein und zwei Prozent, also mindestens 500.000 Menschen in Deutschland, leiden unter einer schweren Form von Long Covid.
Aber jetzt, wo die akuten Corona-Fallzahlen nicht mehr so hoch sind wie vor ein paar Jahren, wandert der Fokus auch wieder auf andere, altbekannte Krankheiten. Die Grippe geht um und die Symptome der beiden Infektionskrankheiten unterscheiden sich. Aber unterscheiden sie sich in den Langzeitfolgen? Eine neue Studie will zeigen, dass auch eine Grippe-Infektionen zu schwerwiegenden Langzeitfolgen führen kann, ähnlich wie bei einer Corona-Infektion.
Long Covid: Gibt es das auch bei Grippe?
Wissenschaftlicher der US-amerikanischen Washington University School of Medicine in St. Louis haben in einer Langzeitstudie herausfinden können, dass – anders als bisher angenommen – auch eine Grippeinfektion Langzeitfolgen aufweisen kann, ähnlich wie eine Corona-Infektion. Das Phänomen wird – in Anlehnung an Long Covid – auch "Long Flu" genannt. Die Studie ist im Dezember 2023 im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht worden.
Wie die Deutsche Apotheker Zeitung berichtet, konnte die Studie aufzeigen, dass die Langzeitfolgen einer Grippeinfektion schwerwiegender sind als bisher gedacht. Dafür untersuchten die Forscher Yan Xie, Taeyoung Choi und Ziyad Al-Aly die Daten von über 80.000 Corona-Infizierten, die zwischen 2020 und 2022 wegen der Covid-Infektion hospitalisiert werden mussten und über 10.000 Grippe-Infizierten, die zwischen 2015 und 2019 ebenfalls hospitalisiert werden mussten.
Nach der Klinikentlassung wurden die Patienten noch 18 Monate lang beobachtet und Langzeitfolgen erfasst, genauer gesagt Todesfälle, Organschäden und die Notwendigkeit einer erneuten Hospitalisierung. Die Patienten waren fast alle Männer (95 Prozent), um die 70 Jahre alt, meist übergewichtig, gesundheitlich vorbelastet und in etwa 61 Prozent aller Fälle gegen Corona bzw. Grippe geimpft.
Long Flu: Wie schlimm ist das Long Covid der Grippe?
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Long Flu, ähnlich wie Long Covid, starke Auswirkungen auf die Gesundheit der Infizierten haben kann. Sie sagen allerdings auch, dass die Effekte von Long Covid deutlich stärker sind, in allen beobachteten Bereichen. Das Sterberisiko bei einer Corona-Infektion war zum Beispiel deutlich höher, genauer: um etwa 50 Prozent höher als bei einer Grippeinfektion.
Die Mortalitätsrate bei Long Covid lag nach 18 Monaten bei den beobachteten Patienten bei 28,46 auf 100 Personen. Bei einer Grippeinfektion lag die Sterberate in dem gleichen Zeitraum bei 19,84 auf 100 Personen. Im Schnitt starben also 8,62 auf 100 Menschen mehr mit Long Covid als mit Long Flu.
Auch bei den Organschäden scheint Long Covid schwerwiegendere und vor allem breiter gefächerte Schäden zu hinterlassen als Long Flu. Anders als bisher angenommen, konnte bei Long Flu allerdings eine starke Beschädigung der Lunge beobachtet werden, sogar stärker als durch Corona. Die Wissenschaftler schlussfolgerten außerdem, dass bei beiden Krankheiten die Langzeitfolgen stärker die Gesundheit beeinträchtigen als die akuten Symptome.
Abschließend beleuchtet die Studie die neue Beobachtung der Langzeitfolgen einer Grippeinfektion. Besonders die starke Belastung der Lunge, die zuvor nicht bekannt gewesen war, ist eine entscheidende Neuerung. Dennoch betonen die Autoren der Studie, dass Long Covid ein größeres Gesundheitsproblem darstellt als Long Flu.
Übrigens: Auch zwischen der Grippe und dem RS-Virus muss man unterscheiden. Die beiden Krankheiten haben unterschiedliche Symptome.