"Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar- und Produktionszone mit Einheitslohn machen." Das ist nur ein Zitat aus offenbar konzerninternen Nachrichten des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner. Die Wochenzeitung Die Zeit hatte am frühen Donnerstagmorgen einen Bericht veröffentlicht, in dem er sich nach eigenen Angaben auf Dokumente beruft, die aus den vergangenen Jahren stammen sollen.
Es handele sich um E-Mails und Chatnachrichten aus dem engsten Führungskreis des Medienkonzerns, viele stammen offenbar vom Springer-Chef selbst. Die Zeitung listete mehrere Zitate auf. Mehrere Nachrichten wurden wohl von Döpfner direkt an den damaligen Bild-Chef Julian Reichelt gerichtet. Die journalistische Marke Bild zählt zum Springer-Portfolio.
Nachrichten von Springer-Chef Döpfner: Zeit veröffentlicht Zitate
In den Zitaten, die Die Zeit mit den darin enthaltenen Rechtschreibfehlern aufführt, geht es unter anderem um Sympathie für die Politik Donald Trumps. Dem Bericht handle es sich auch um Kritik an Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). In einem Zitat geht es um "M". "Sie ist ein sargnagel der Demokratie." Auch eine Abneigung gegen Windräder werde thematisiert. Zum Klimawandel soll Döpfner geschrieben haben: "Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen."
Die Zeitung schreibt zudem, dass Verlagschef Döpfner parteilich agiert habe. So soll er sich vor der vergangenen Bundestagswahl eine pro-FDP-Berichterstattung in der Bild gewünscht haben. Als im März 2020 der erste Corona-Lockdown geplant wurde, soll Döpfner "aufgeregte Nachrichten" verschickt haben: "Corona ist eine Grippe gefährlich für Alte und Kranke", schreibt er. Politik und Wirtschaftsführer würden "unsere offene Gesellschaft für immer zerstören".
Nachrichten von Mathias Döpfner: Springer kritisiert Zeit-Artikel
Döpfner sei ein meinungsstarker Verlagschef, der aus Prinzip immer Gegenmeinung und Widerspruch herausfordere und dafür immer mal wieder polemisiere, hieß es aus Springer-Kreisen zu dem Zeit-Artikel. Dieser bestehe aus "manipulativen SMS-Fetzen". Man lasse sich an dem messen, was in den Publikationen des Verlags stehe, nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen Chats. Die Absicht des Artikels sei erkennbar: Er solle Unruhe stiften und vom Wesentlichen ablenken.
Affäre um Reichelt holt Springer wieder ein
Zuletzt war der Axel-Springer-Verlag wegen mehrerer prominenter Personalwechsel und Vorwürfen gegen den früheren Bild-Chefredakteur Julian Reichelt international in die Schlagzeilen geraten. Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen. Der Grund waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Verbindung mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gewesen. Reichelt selbst hatte später von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn gesprochen und hatte Vorwürfe zurückgewiesen.
Im Frühjahr 2021 hatte der Medienkonzern ein internes Verfahren gegen den Journalisten zur Überprüfung der Vorwürfe angestoßen und war dabei zunächst zum Schluss gekommen, ihm eine zweite Chance zu geben. Im Oktober griff ein Medienbericht der US-Zeitung New York Times den Fall erneut auf. Springer zog daraufhin unmittelbar einen Schlussstrich und entband Reichelt von seinen Aufgaben.
Unabhängig vom Bericht der Zeit berichtete der Spiegel unter Berufung auf eigene Informationen, dass Springer seit geraumer Zeit rechtliche Schritte gegen Reichelt prüfe. Der Medienanwalt von Julian Reichelt, Ben Irle – der auch in der Zeit-Berichterstattung zitiert wird –, teilte auf dpa-Anfrage wiederum mit, man prüfe seinerseits "strafrechtliche Verfolgbarkeiten von Verhaltensweisen und zivilrechtliche Inanspruchnahmen sämtlicher Beteiligten".
Benjamin von Stuckrad-Barre veröffentlicht Roman rund um Springer
Der Zeit-Bericht erschien wenige Tage vor der in der Medienbranche mit Spannung erwarteten Veröffentlichung des neuen Buches von Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Bei dem belletristischen Werk "Noch wach?", das am 19. April erscheint, handle es sich um einen Schlüsselroman rund um das Medienhaus Springer.
Im Oktober wurde Stuckrad-Barre Teil der Berichterstattung der New York Times über Springer, die zum Weggang von Reichelt führte. Döpfner zog mit einer in dem Artikel zitierten privaten Kurznachricht, die er an Stuckrad-Barre verschickt hatte, Kritik aus der Medienbranche auf sich. Der Springer-Chef hatte Reichelt darin als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Fast alle anderen seien zu "Propaganda Assistenten" geworden. Springer hatte die Kurznachricht als Ironie eingeordnet. (mit dpa)