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London: Warum die britische Polizei in einer Vertrauenskrise steckt

London

Warum die britische Polizei in einer Vertrauenskrise steckt

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    Schwarze Uniform, schwarzer Hut: So kennt man die Polizisten in Großbritannien. Doch das Vertrauen der Briten in ihre Polizei ist erschüttert.
    Schwarze Uniform, schwarzer Hut: So kennt man die Polizisten in Großbritannien. Doch das Vertrauen der Briten in ihre Polizei ist erschüttert. Foto: Stefan Rousseau

    Es ist Teil des Pflichtprogramms vieler Touristen in London: der Schnappschuss mit einem Polizisten. Der „Bobby“, wie die schwarz uniformierten Schutzleute in Anlehnung an den Begründer der „Metropolitan Police“, Sir Robert Peel, genannt werden, gehören zum Stadtbild der Metropole wie der Big Ben oder die königlichen Wärter mit ihren schwarzen Fellmützen. Doch die Scotland Yard und weitere Polizeibehörden befinden sich in der Krise.

    Noch vor drei Jahren waren laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov 77 Prozent der Britinnen und Briten der Meinung, die Polizei mache gute Arbeit. Jetzt ist nicht einmal mehr die Hälfte davon überzeugt. Die öffentliche Wahrnehmung ist auf breiter Front gesunken.

    Der Tiefpunkt war die Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der Londonerin Sarah Everard im März 2021. Das Verbrechen an der 33-Jährigen durch einen Polizisten in London löste eine landesweite Debatte über die Sicherheit von Frauen aus. Das Vertrauen in die Staatsgewalt wurde schwer erschüttert. Im vergangenen Jahr wurde der Täter zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch die Spitze der „Met Police“ hat die Probleme innerhalb der Polizei noch immer nicht in der Griff bekommen.

    Kerzen und die Botschaft «We are all Sarah» bei einer Mahnwache für die getötete Sarah Everard an der University of Leeds.
    Kerzen und die Botschaft «We are all Sarah» bei einer Mahnwache für die getötete Sarah Everard an der University of Leeds. Foto: Danny Lawson/PA Wire, dpa

    Dass die Lage auch in weiteren Polizeistationen in England und Wales bedenklich ist, bestätigt ein im Oktober veröffentlichter Bericht der Aufsichtsbehörde HMICFRS, für den Hunderte Akten, Berichte und Interviews ausgewertet wurden. „Es sind einfach die falschen Leute, die der Polizei beitreten“, fasst HMICFRS-Inspektor Matt Parr die Lage zusammen. Vorstrafen seien bei der Einstellung ignoriert worden, Beamte wurden trotz Beschwerden wegen Fehlverhaltens befördert. Außerdem sei eine Kultur der Frauenfeindlichkeit und des Sexismus weit verbreitet, urteilte der Bericht. Ausdruck dessen sind unter anderem WhatsApp-Gruppen, in welchen Beamte Witze über Vergewaltigungen und häusliche Gewalt verbreiteten. Britische Medien bezeichneten die Enthüllungen als „schockierend“. Das Ausmaß an Beweisen bedeute, dass die Probleme nicht länger unter den Teppich gekehrt werden könnten.

    Innerhalb von acht Jahren gingen 44.000 Stellen verloren

    Zusätzlich zu den Skandalen wird das Land von einem Gefühl der Gesetzlosigkeit erfasst. Statistiken des Innenministeriums zufolge blieben im vergangenen Jahr in England und Wales über 500 Einbrüche täglich unaufgeklärt, in nur einem von 33 Fällen kam es zur Anklage – ein Rekordtief. Immer mehr Menschen berichten davon, dass die Polizei bei Autodiebstählen nicht einmal mehr die Ermittlungen aufnimmt. Bei Mike Barton, dem früheren Polizeichef in Durham, sorgt das für Kopfschütteln. Solche Vergehen seien „symbolisch“, sagte er, und ein klares Indiz dafür, ob ein Polizeiteam auf der Höhe der Zeit ist. Den von Ex-Premierministerin Liz Truss formulierten Vorwurf, dass die Beamten zu viel Zeit damit verschwenden würden, Straftaten im Internet zu verfolgen, streiten viele ab. Schuld an der Lage sei der Mangel an qualifiziertem Personal und massive Kürzungen im Budget durch die Politik. Laut einem Bericht der Aufsichtsbehörde „National Audit Office“ wurden in England und Wales die Mittel zwischen 2010 und 2018 um 30 Prozent gekürzt, 44.000 Stellen gingen verloren.

    Es ist die Aufgabe von Mark Rowley, bei der Londoner Behörde aufzuräumen und damit den Ruf der britischen Polizei zu verbessern. Er folgte auf Cressida Dick, die nach mehreren Skandalen von Londons Bürgermeister Sadiq Khan gefeuert wurde. Rowley hat sich seit seinem Amtsantritt Mitte September 100 Tage Zeit gegeben, um die Lage zu verbessern, stößt dabei jedoch an seine Grenzen. So berichtete er, dass er rund 100 Polizisten beschäftigen muss, denen man zwar keinen Kontakt mit der Allgemeinheit zutraut, die er aufgrund rechtlicher Hürden aber auch nicht entlassen kann. Das sei „lächerlich“, sagte er – zum Lachen war ihm dabei jedoch nicht. 

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