Es soll im Jahr 1762 gewesen sein, als John Montagu, der vierte Earl of Sandwich, in sein Kartenspiel vertieft wieder einmal keine Zeit zum Essen fand. Auf Wunsch des englischen Aristokraten, heißt es, hätten ihm Bedienstete seine Mahlzeit schließlich zwischen zwei Brotscheiben gelegt. Der Überlieferung nach ist dies die Geburtsstunde des Sandwiches. Es gilt als eine der größten kulinarischen Errungenschaften Großbritanniens – und ist ein Exportschlager.
War das Sandwich zunächst nur als kleine Zwischenmahlzeit bei abendlichen Männergesellschaften bekannt, entwickelte es sich bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einem weitverbreiteten Imbiss im Königreich. Es perfekt zuzubereiten, ist für Britinnen und Briten seither eine hohe Kunst. Welcher Belag und wie viel davon? Welche Brotsorte? Und wie muss die Butter aufgetragen werden? Diese Fragen zum beliebtesten Mittagssnack wecken bei den Inselbewohnern durchaus Emotionen.
"Aber es ist doch nur ein Sandwich!", lautete der Tenor empörter Reaktionen in den sozialen Medien
Dementsprechend groß war die Aufregung, als bekannt wurde, dass im Londoner Edelkaufhaus Harrods im noblen und reichsten Stadtviertel Knightsbridge ein Sandwich zum Mitnehmen für 28 Pfund (umgerechnet 32 Euro) verkauft wird. Damit ist dieser "Butty", wie der Snack auch genannt wird, einer der teuersten seiner Art überhaupt. "Aber es ist doch nur ein Sandwich!", lautete der Tenor empörter Reaktionen in den sozialen Medien.
Auch vor Ort schütteln Kundinnen und Kunden des Kaufhauses entgeistert den Kopf, wenn sie vor der Theke mit den gestapelten Sandwiches in der gut besuchten Food-Hall stehen. Andere machen Fotos. "Schrecklich", sagt ein älterer Herr, auf die gefüllten Sauerteigbrotscheiben schauend. Eine Frau meint mit Blick auf die Auslage, sie würde sich das niemals kaufen, das Fleisch gebe es anderswo günstiger und die Brote könne sie sich zu Hause selbst belegen. Gekauft wird das Luxus-Sandwich trotzdem. Viele Menschen in Knightsbridge müssen nicht aufs Geld achten.
Das Sandwich wird in weiße Folie gewickelt und im Beutel verkauft
Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem Wagyu-Sandwich eben "nur" um ein belegtes Brot handelt, ist der Preis tatsächlich verblüffend hoch. Zum Vergleich: Ein "Meal-Deal" – so die Bezeichnung für die Kombination aus einem Sandwich als Hauptgericht, einem Snack und einem Getränk – wird in vielen Supermärkten für umgerechnet 3,50 Euro bis etwa sechs Euro angeboten. Zur Verteidigung des Harrods-Sandwiches: Die verwendeten Zutaten sind nicht billig. Wagyu-Rindfleisch stammt von wenigen Rinderrassen in Japan und wird aufgrund seiner Textur und seines hohen Preises manchmal als der "Rolls-Royce unter den Rindfleischsorten" bezeichnet. Schwarzer Trüffel als weitere Zutat kostet umgerechnet bis zu 3,50 Euro pro Gramm, und das Sauerteigbrot muss lange gären und reifen, bevor es gebacken werden kann.
Würde Harrods diese Speisen zusammen mit Pilzen, etwas Rucola und Schmorzwiebeln auf einem Teller servieren, käme der Preis wohl nicht in die Schlagzeilen. So aber werden sie eben als Sandwich in weiße Folie gewickelt und im Beutel verkauft. Briten, die das Sandwich probiert haben, beschreiben es als besonderes Geschmackserlebnis. Sie betonen aber auch, dass es nach einer Weile etwas zu viel des Guten sei. Ohnehin ist fraglich, ob Harrods damit den Geschmack der Inselbewohner trifft. Denn eigentlich mögen diese ihr Sandwich gerne schlicht. Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage essen sie ihren Mittagssnack am liebsten mit Schinken und Käse. Auf Platz zwei landeten mit Ei und Mayonnaise belegte Brote.