Krimi-Autorinnen und -Autoren holen sich Tipps von Fachleuten: Die Polizei in Baden-Württemberg hilft den Schreibern öfter bei der Recherche, wie Verbrechen gelöst werden. «Immer wieder wenden sich Autoren mit Anfragen an uns», sagt Nadine Kollmar vom Polizeipräsidium Mannheim.
«Sofern ein regionaler Bezug besteht und sich der Aufwand im Rahmen bewegt, geben wir gerne Auskunft», sagt sie. In der Regel passiere das telefonisch. «Wir erklären, wie die Polizei etwa bei einem Sterbefall möglichen Hinweisen nachgeht, geben aber keine taktischen Details preis», nennt Michael Schorr vom Freiburger Polizeipräsidium ein Beispiel.
Autorin als Ehren-Kriminalkommissarin
Schriftstellerin Claudia Schmid wählte zu Beginn ihrer Autorenschaft den direkten Weg: «Ich bin damals mit meinen Fragen einfach in eine Mannheimer Polizeiwache marschiert», erinnert sich die 64-Jährige. Als sie relativ unvermittelt etwas aus ihrer Tasche zog - ihr Notizbuch - seien die Beamten zunächst in Habachtstellung gegangen. Daraus sei eine freundschaftliche Verbindung entstanden, auch zur «Ehren-Kriminalkommissarin» wurde Schmid ernannt.
Wenn sich Fragen ergeben, wie lange etwa eine DNA-Analyse dauert, greife sie zum Hörer und hake nach. «Aber letztlich schreiben wir Unterhaltung und kein Polizeihandbuch», räumt sie ein. «Dass nach einem Mord kein einzelner, womöglich mit Partnerschaftsproblemen belasteter Ermittler loszieht, sondern eine ganze Soko mit bis zu über 40 Personen an einem Fall arbeitet, ist klar.»
Auch an das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart wenden sich Autoren, wenn sie Fragen zur Vorgehensweise der Polizei bei bestimmten Szenarien haben. «Sie stellen in der Regel einen Fragenkatalog zusammen, den unsere Experten so gut wie möglich beantworten», teilt Alexandra Vischer mit. Eine Hospitation oder die Möglichkeit, den LKA-Fachleuten direkt über die Schulter zu schauen, bestehe für Krimi-Autoren jedoch nicht.
Auch Polizisten gucken «Tatort»
Und wie kommen die Literatur, Filme oder Serien bei den Beamtinnen und Beamten an? «Krimis werden von Polizisten sehr unterschiedlich wahrgenommen», sagt Kollmar. «Manche schauen oder lesen sie mit einem scharfen Auge fürs Detail und schmunzeln oder ärgern sich über Ungenauigkeiten, falsche Abläufe oder unrealistische Darstellungen.» Andere könnten solche Dinge ausblenden und sich ganz von der Spannung mitreißen lassen.
Beispiel «Tatort»: «Es gibt Kollegen, die den "Tatort" am Sonntagabend regelrecht zelebrieren und sich freuen, bekannte Themen oder Herausforderungen auf der Leinwand zu sehen – auch wenn die Darstellung oft zugespitzt oder dramaturgisch angepasst ist», so die Polizeisprecherin. Andererseits gebe es Beamte, die privat ganz bewusst Abstand zu aufwühlenden Geschichten suchten und einen klaren Schnitt zwischen Beruf und Freizeit zögen.
Auch die Bestseller-Autorin Ingrid Noll aus Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) pflegt Kontakt zur Polizei, setzt bei ihren Romanen aber einen anderen Schwerpunkt. «Mich interessiert am meisten, warum ein Verbrechen begangen wurde, wie es überhaupt dazu kam. Und zwar nicht bei einem Serienmörder, Sexualtäter, Gangster oder Profi, sondern bei einer unauffälligen Person, der man eine solche Tat nicht zutrauen würde», sagt die 89-Jährige. In diesem Zusammenhang sei die «hoch geschätzte Arbeit der Kriminalpolizei» von großer Bedeutung.
Appell an True-Crime-Podcasts
Ein noch relativ junges Phänomen aus Sicht der Polizei sind True-Crime-Podcasts. Diese könnten Chance wie Herausforderung für die Kriminalarbeit sein. Ähnlich wie bei Formaten wie «Aktenzeichen XY… Ungelöst» könnten sie in Einzelfällen dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf ungelöste Verbrechen zu lenken und möglicherweise neue Hinweise zu generieren, erklärt Kollmar. «Durch die Reichweite und Popularität solcher Podcasts werden auch Fälle beleuchtet, die sonst vielleicht in Vergessenheit geraten wären, was für uns als Polizei durchaus positiv sein kann.»
Eine ungenaue Darstellung von Sachverhalten oder die Interpretation von Beweisen durch Laien könne jedoch auch zu Missverständnissen führen und die Ermittlungsarbeit sogar erschweren. Etwa, wenn Hinweise auf falschen Annahmen beruhen oder unnötig Ressourcen für die Überprüfung von Theorien aufgewendet werden müssen, die sich letztlich als unbegründet erweisen.
«Wir schätzen das Interesse der Öffentlichkeit an Kriminalfällen und sehen das Potenzial solcher Formate, unsere Arbeit zu unterstützen», sagt Kollmar. «Gleichzeitig appellieren wir an die Verantwortlichen von True-Crime-Podcasts, sorgsam mit sensiblen Informationen umzugehen und die Grenzen zwischen Unterhaltung und seriöser Berichterstattung klar zu ziehen, um etwaige Ermittlungsarbeiten nicht unnötig zu erschweren.»
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