Jon Fosse war als Kind kein guter Schüler. «Um ehrlich zu sein, hasste ich die Schule», sagte er in einem Interview, das auf dem Youtube-Kanal des Nobelpreises veröffentlicht wurde. «Meine Lehrer sagten, ich könne nicht schreiben», erzählte der norwegische Autor. Er schrieb trotzdem weiter. Und das hat sich gelohnt: Nachdem er jahrelang als einer der Favoriten für den Literaturnobelpreis gegolten hatte, gewann der Dramatiker, Lyriker und Romanautor («Morgen und Abend», «Ein neuer Name») 2023 den prestigeträchtigen Preis. Am 29. September feiert seinen 65. Geburtstag - den ersten als Nobelpreisträger.
Geboren und aufgewachsen ist Fosse in Westnorwegen, dem Land der Fjorde. In jungen Jahren fing er an, Gitarre zu spielen. Als er 14 war, trat er zum ersten Mal mit seiner Band bei lokalen Tanzveranstaltungen auf. Musik war damals sein Leben. Auf die Frage, warum er angefangen habe zu schreiben, sagte Fosse im Nobelpreis-Interview: «Ich glaube, auch deshalb, weil ich nie ein guter Musiker wurde. Ich übte und übte und übte, aber irgendwie schaffte ich es nie, ein gutes Niveau zu erreichen.» Also ersetzte er das Spielen durch das Schreiben.
Die Stimmung ist dunkel wie der norwegische Winter
Was aus seiner Zeit als Musiker noch heute in Fosses Werk zu spüren ist, ist der Rhythmus: Sein Schreibstil zeichnet sich durch unzählige Wiederholungen, Pausen und Tempowechsel aus. Fosses Sprache ist dabei eher einfach. Als leichte Kost kann man seine Bücher und Dramen aber nicht bezeichnen. Es geht bei dem Norweger oft um existenzielle Themen wie Leben und Tod, auch der Glaube spielt eine große Rolle. Für Fosse ist Literatur ein Mittel, um das Unsagbare auszudrücken, erklärte er in dem Nobelpreis-Interview in Stockholm: «Manche Dinge können nicht direkt gesagt werden. Man muss sich der Literatur bedienen, um es sagen zu können.»
Die Stimmung in Fosses Geschichten ist meist melancholisch und dunkel wie der norwegische Winter - und trotzdem scheint oft eine gewisse Wärme und auch Humor durch. Ganz deutlich geschieht das zum Beispiel in Fosses Kinderbuch «Von Kötern, Kläffern und feinen Hundedamen», das aus der Sicht dreier Hunde geschrieben und auch für Erwachsene durchaus unterhaltsam ist.
Die Schattenseite des Erfolgs
Seinen internationalen Durchbruch erlangte Fosse als Dramatiker. Seine Stücke - beispielsweise «Der Name» und «Die Nacht singt ihre Lieder» - wurden auch auf renommierten Bühnen im deutschsprachigen Raum gespielt, unter anderem im Deutschen Theater in Berlin und bei den Salzburger Festspielen.
Der Erfolg hatte für Fosse aber auch eine Schattenseite. Der etwas schüchtern wirkende Norweger, der sich selbst als «unsozialen Typen» bezeichnet, betäubte sein Lampenfieber vor öffentlichen Auftritten mit Alkohol. «Am Ende war ich ein richtiger Alkoholiker, ich trank den ganzen Tag, bis ich umfiel», zitiert ihn die norwegische Zeitung «Aftenposten». Sein Glaube habe ihm auf dem Weg aus der Abhängigkeit geholfen, erzählte Fosse, der in jener Zeit zum Katholizismus konvertierte.
Literatur als Rettung
Heute lebt der Autor sehr zurückgezogen, teils in Norwegen, teils im niederösterreichischen Hainburg an der Donau, unweit der slowakischen Grenze. In seiner österreichischen Wahlheimat wurde kürzlich sogar ein Platz nach dem Nobelpreisträger benannt. In Zukunft werde er noch öfter Nein sagen zu Anfragen jeglicher Art, sagte Fosse im Gespräch mit einer Journalistin der «Zeit». Aber Schreiben, das werde er weiter tun - allein aus Gründen der Selbsterhaltung. «Schreiben ist für mich eine Art zu leben, eine Gewohnheit, ohne die ich nicht existieren kann,» sagte er in dem «Zeit»-Interview.
In seiner Vorlesung anlässlich der Nobelpreisverleihung erzählte Fosse, dass eine Leserin ihm geschrieben habe, nachdem bekannt wurde, dass er den Nobelpreis erhalten würde. Eines seiner Stücke sei der Grund dafür, dass sie noch am Leben sei, habe sie demnach geschrieben. Das habe ihn sehr berührt und glücklich gemacht. Aber eigentlich habe er schon immer gewusst, dass das Schreiben Leben retten könne, sagte Fosse kurz vor der Preisverleihung in Stockholm. «Vielleicht hat es sogar mein eigenes Leben gerettet.»
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