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Letzte Generation: Wie die Farbattacke auf das Brandenburger Tor polarisiert

Letzte Generation

Wie die Farbattacke auf das Brandenburger Tor polarisiert

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    Polizei am Brandenburger Tor nach dem Farbanschlag der "Letzten Generation".
    Polizei am Brandenburger Tor nach dem Farbanschlag der "Letzten Generation". Foto: Britta Pedersen, dpa

    Die Farbe der "Letzten Generation" klebt und klebt – in den Sandstein-Poren des Brandenburger Tors in Berlin. In den vergangenen Tagen testeten Fachkräfte verschiedene Reinigungsmittel. Die Auswertung, die Dauer und Kosten der Reinigung will das

    Am 17. September hatten Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation die sechs Säulen des Berliner Wahrzeichens mit oranger Farbe besprüht. Seitdem hagelt es Kritik. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte, die Aktion beschädige "unseren freiheitlichen Diskurs". Die bekannte Historikerin Hedwig Richter twitterte dagegen: "Ein würdiger Gebrauch unseres Nationaldenkmals. Mir fällt momentan kein besserer ein." Sie meinte damit, dass das Tor nun an die Dringlichkeit des Klimaschutzes gemahne. Damit hat es eine weitere Zuschreibung bekommen, wie so oft in seiner Geschichte.

    Das Brandenburger Tor hatte in seiner Geschichte schon viele Zuschreibungen

    Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Bau mit der römischen Siegesgöttin Viktoria auf der Quadriga als Symbol preußischer Macht errichtet. Den Nazis diente er später zur Inszenierung ihrer Aufmärsche. Nach dem Krieg stand das zerstörte Brandenburger Tor direkt an der innerdeutschen Grenze und wurde zum Symbol der Teilung. Zum Symbol der Einheit wurde es schließlich in der Nacht der Grenzöffnung und in den letzten Tagen der DDR.

    Noch in den 50er Jahren begann unter Ostberliner Regie die originalgetreue Restauration des im Krieg zerstörten Monuments – ohne das Eiserne Kreuz und den Adler am Stab der Viktoria. Für die DDR als Symbole des preußisch-deutschen Militarismus nichts, worauf sie sich beziehen wollte. Gleich nach der Wende setzte die Bundesrepublik beides wieder ein. Nicht der letzte Akt einer Preußen-Nostalgie, deren vorläufigen Höhepunkt die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses bildete. Die Erbauer des Brandenburger Tors dachten jedenfalls nicht an Freiheit und Demokratie. Erst durch die Bürgerinnen und Bürger der Wendezeit kann man heute überhaupt von dieser Bedeutung sprechen. Sie eigneten sich das Denkmal damals an – auch indem sie es mit eingeritzten Sprüchen "beschädigten".

    Ist es ein "würdiger Gebrauch" des Brandenburger Tores?

    Ist der Gedanke von Hedwig Richter also so abwegig, von einem würdigen Gebrauch des ehemals absolutistischen Denkmals zu sprechen, wenn es wieder im Zeichen des demokratischen Protests steht? Und es stellt sich eine weitere Frage: Warum erzeugt das bisschen Farbe derart heftige Reaktionen?

    Massiver Ärger schlägt der Letzten Generation ja auch entgegen, weil sie ein anderes "Heiligtum" der Deutschen angreift: den Autoverkehr. Für das Blockieren von Straßen werden die Aktivistinnen und Aktivisten immer häufiger angefahren. Sie bekommen Schläge, Tritte und zuletzt Pfefferspray ins Gesicht. Sie polarisieren. Und wie nun am Brandenburger Tor protestieren sie dabei immer wieder so, dass Außenstehenden der Bezug zum Klimawandel unklar bleibt. Erst vor Kurzem versuchten einzelne Personen, den Berlin Marathon zu stören. Im vergangenen Winter sorgte die Bewegung mit dem Festkleben an Kunstwerken für Panik bei den Museen – und Unverständnis. 

    Den Hass auf sich scheint die Letzte Generation bei ihren Aktionen einzupreisen: Auch schlechte Werbung ist gute Werbung. Allerdings: Ihre zentrale Forderung – mehr Aufmerksamkeit für den Klimawandel – dürfte sie mit Aktionen wie der am Brandenburger Tor kaum erreichen.

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