Herr Wehrle, Sie versichern: Wer Ihr neues Buch liest, bei dem wird sich die Lebensfreude verdoppeln – und die Probleme werden sich halbieren. Das kommt einer Verheißung gleich, oder?
Martin Wehrle (schmunzelt): Sie meinen, es klingt wie eine Übertreibung!
Ist es denn wirklich seriös zu versprechen, dass das Buch das Leben der Menschen für immer verändern wird?
Wehrle: Ja, denn tatsächlich ist es so, dass man das eigene Leben leicht verbessern und die Probleme leicht reduzieren kann, wenn man nur den Blickwinkel darauf verändert. Wir konzentrieren uns zu oft auf das, was uns stört, also das, was wir als Probleme wahrnehmen. Wenn wir es aber schaffen, den Blick auf das Gute in unserem Leben zu richten, dann geht es uns sofort besser. Es gibt in dem Buch ja so eine kleine Übung. Da schreibe ich: Stellt euch mal vor, ein Obdachloser würde euer Leben bekommen, würde morgens in eurem Bett aufwachen, würde euren Kühlschrank aufmachen, dann in euer Auto steigen und an euren Arbeitsplatz fahren – was würde der wohl alles genießen und toll finden? Ein Wechsel der Perspektive kann so viel bewirken.
Eine Garantie übernehmen Sie aber laut Vorwort nicht.
Wehrle (lacht): Nein, aber wer das Buch durchliest und konsequent daran arbeitet, der kann das durchaus schaffen.
Das Problem könnte sein, dass der Mensch in solchen Dingen eher träge agiert, weil ihm Veränderungen schwerfallen. Wie geht man also vor, um nicht gleich wieder aufzugeben?
Wehrle: Das Wichtigste ist, dass wir kleine Schritte machen. Denn wer sofort alles gleichzeitig ändern möchte, also eine Weltreise beginnen, den Job wechseln, einen Marathon laufen und einen Traumpartner finden, der überfordert sich natürlich. Aber kleine, regelmäßige Schritte führen in ein besseres Leben.
Können Sie das an einem Beispiel festmachen?
Wehrle: Klar. Ich berate täglich Menschen. Und aus dieser Erfahrung heraus weiß ich: Wenn jemand es schafft, jeden Tag nur zehn Minuten früher aufzustehen und sich diese Zeit nimmt, zu überlegen, was er an diesem Tag erreichen will, dem wird es schnell besser gehen. Also erst einmal kurz meditieren, Luft holen und sich mit seiner positiven Energie verbinden – dann können diese zehn Minuten wesentlich mehr an Lebensqualität bringen als die vermeintlich großen Dinge.
Dankbarkeit ist die Grundessenz der Zufriedenheit, oder?
Wehrle: Genau. In dem Buch findet sich beispielsweise ein Zitat der US-Autorin Helen Keller: „Ich weinte, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich einen traf, der keine Füße hatte.“ Und es bedeutet auch, je nachdem, worauf ich mich fokussiere, kann ich mich gut oder schlecht in meinem Leben fühlen. Das heißt, wenn ich morgens aus dem Bett springe, ins Badezimmer, zum Frühstücken und dann in die Arbeit hetze, dann bin ich nicht in meiner Mitte. Dann funktioniere ich nur, statt mein Leben zu steuern.
Nun sind ja in unserer Gesellschaft tatsächlich wahnsinnig viele Menschen unzufrieden. Warum ändern die nichts?
Wehrle: Es gibt zwei Antworten darauf. Denn wir können das Bekannte, auch wenn es noch so schlimm ist, besser berechnen als das Unbekannte. Ich beschreibe das mit einer Geschichte über eine Frau, die sich in einer Höhle verirrt hatte und nicht mehr herausfindet. Sie ernährt sich von Moos und Wasser. Als man sie irgendwann erschöpft findet, bringt man sie ins nächste Krankenhaus. Man sagt ihr, sie sei gerettet. Als sie der Chefarzt besuchen will, ist das Bett leer. Alle fragen sich, wo die Frau ist. Und sie ist wieder in ihre Höhle gelaufen, weil sie die kannte. Es ist eine menschliche Eigenschaft, dass wir an Arbeitsplätzen oder in Beziehungen bleiben, obwohl sie uns schaden. Die zweite Antwort lautet: Wir werden von Kindheit an trainiert, dass wir nicht auf unser Herz hören, sondern auf andere. Die Menschen werden in unserer Gesellschaft nicht zur Eigenständigkeit erzogen, sondern eher zur Anpassung, das schlägt sich hier auch nieder.
Was lässt sich daran ändern?
Wehrle: Ich glaube, wir müssten, beginnend mit der Erziehung, mehr Vertrauen in die Menschen setzen. Denn jeder weiß, was gut für ihn ist. Und jedes Mal, wenn wir gegen unsere Natur handeln, werden wir uns fremder und können weniger erfüllt leben. Außerdem müssen wir wieder anfangen, die Verantwortung für unser Leben bei uns zu suchen: nicht bei der Firma, beim Staat oder der Ehefrau beziehungsweise dem Ehemann. Für mein Glück bin ich selbst verantwortlich!
Wir erleben, dass angesichts von Fake News die Zweifel immer größer werden. Gibt es da ein Mittel, die Dinge wieder in die Balance zu bringen?
Wehrle: Das Mittel heißt: mehr gegenseitiges Vertrauen. Denn wir sehen in der Welt, was wir sehen wollen. Wenn wir unsere Mitmenschen anschauen und uns fragen, ob sie Lügner sind, dann werden wir nur noch Lügner sehen. Denn jeder Mensch lügt Studien zufolge täglich 25- bis 150-mal.
Lieber Gott!
Wehrle: Ja, aber auf der anderen Seite verbreitet jeder auch mehrere tausend Wahrheiten pro Tag. Das heißt, ich glaube, wir brauchen viel mehr Vertrauen und weniger Unterstellungen. Nehmen wir die Coronakrise. Im Grunde genommen hatten diejenigen recht, die sich impfen ließen, aber die anderen hatten auch einen Zipfel der Wahrheit erwischt. Beide Parteien haben sich gegenseitig diffamiert. Die einen waren die „Covidioten“ und die anderen die „Staatsmarionetten“ – statt sich zuzuhören, statt die Bedenken hinter dem Handeln zu hören, statt miteinander zu sprechen.
Und Sie warnen in 52 Beispielen vor Prokrastination, also der Aufschieberitis. Dazu gehört auch Bequemlichkeit. Wie tritt man sich denn selbst am besten in den Allerwertesten?
Wehrle: Indem man das, was man tut, gerne macht. Wenn ich sage, ich gehe Joggen, weil ich Übergewicht habe, höre ich wieder auf, sobald ich abgenommen habe. Das gilt für alles. Ich muss mir also zunächst einmal überlegen, was mich an einer Tätigkeit reizt. Beim Laufen könnte das sein, dass der Kopf dadurch freier wird, man besser schläft und gute Gedanken bekommt. Dann wird man automatisch weiterlaufen. Bei allen Arbeiten, die man aufschiebt, weil man sie nicht machen will, sollte man sich fragen: Muss ich sie wirklich machen? Wenn ich dagegen innere Widerstände spüre, dann ist es ehrlicher abzusagen, als gute Miene zu machen. Denn alles, was wir aufschieben, wollen wir nicht.
Zur Person
Martin Wehrle, 1970 in Löffingen in Baden-Württemberg geboren, ist Journalist und Autor. Zudem arbeitet er als freier Karriere- und Lebenscoach. „Dieses Buch verändert dein Leben für immer“ ist bei Mosaik (320 Seiten, 19,99 Euro) erschienen.
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