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Kult-Krimireihe wird 40: Tatort: Alles klar, Herr Kommissar?

Kult-Krimireihe wird 40

Tatort: Alles klar, Herr Kommissar?

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    40 Jahre Tatort.
    40 Jahre Tatort. Foto: DPA

    Als Maria Furtwängler noch ein Kind war, hat sie sich immer, wenn im Fernsehen die knallige "Tatort"-Musik zu den Augen und den davonlaufenden Füßen erklang, hinter dem Sofa versteckt. Zu beunruhigend war das, was da aus der Glotze kam. Das jedenfalls erzählte die Schauspielerin kürzlich den Kollegen der ARD, die zurzeit unermüdlich darauf hinweisen, dass Deutschlands erfolgreichste Krimiserie in diesen Tagen ihren 40. Geburtstag feiert.

    Heute sieht Frau Furtwängler die Krimireihe entspannter. Was Wunder: Schließlich spielt sie die forsche Ermittlerin Charlotte Lindholm, die im Trenchcoat durch Niedersachsen stapft - auf dass die Welt eine gerechte bleibe. Dass TV-Kritiker sie des Öfteren als wenig glaubhaft empfinden, tut ihrer Popularität keinen Abbruch.

    Man kann eigentlich nicht viel falsch machen beim "Tatort". TV-Deutschland schaltet eben gerne ein, wenn zwischen Nordsee und Bodensee gemordet, gemeuchelt und gerätselt wird. Der "Tatort" gehört für viele zum Sonntagabend, bevor Anne Will zum Talk lädt. Ähnlich ritualisiertes Fernsehverhalten kannte man in den letzten Jahren nur von den "Wetten, dass ...?"-Abenden am Samstag. Aber Gottschalks Quoten bröckeln. Und das ZDF-Flaggschiff muss erleben, dass etwa das kuriose "Tatort"-Ermittlerduo aus Münster zehn Millionen Zuschauer erreicht, während bei Tommys Sofarunde oft nur noch rund acht Millionen Zuschauer Platz nehmen wollen.

    Angefangen hat alles mit dem grantigen Kommissar Trimmel alias Walter Richter, der sich am 29. November 1970 in das "Taxi nach Leipzig" setzte. Der rauchte Zigarren und verschmähte auch den einen oder anderen Weinbrand nicht.

    Ständig rennen die Kommissare zu den Pathologen

    Heute lehnen Kommissare Einladungen zu alkoholischen Getränken ab, sind in der Regel einigermaßen sportlich und rennen ständig zu den Pathologen. Was seinen Höhepunkt findet in den Auseinandersetzungen zwischen dem leicht prolligen Münsteraner Kommissar Thiel (Axel Prahl) und dem dandyhaften Professor Boerne, den Jan Josef Liefers so spielt, als hätte er nie etwas anderes gemacht.

    Jetzt, 40 Jahre nach seiner Premiere, ist der Kult-Krimi aus deutschen Haushalten nicht mehr wegzudenken. Was gab es da für Geschichten: Wie zum Beispiel 1977 im "Reifezeugnis", als Christian Quadflieg als Gymnasiallehrer ein Verhältnis mit seiner Schülerin Sina (Nastassja Kinski) hatte und ganz Deutschland am nächsten Morgen über die Lolita und den Pauker diskutierte. Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) aus Kiel musste damals den Mord aufklären.

    Finke und Trimmel standen für eine gewisse Behäbigkeit, die man als junger Mensch, der lieber Grateful Dead als James Last hörte, nicht akzeptieren konnte. Mit dem Zollfahnder Kressin (Sieghardt Rupp), der 1971 bis 1973 seinen Dienst auch bei den Damen verrichtete, und dem schlagfertigen Schimanski (Götz George) wurden die Krimis körperbetonter. "Schimmi" stand für Currywurst, Parka und eine Sprache, die viel mit "Sch ..." zu tun hatte.

    Frauen hatten im "Tatort" Anlaufschwierigkeiten. Wer erinnert sich noch an Karin Anselm oder Nicole Heesters? Frauenpower kam erst mit Ulrike Folkerts, Maria Furtwängler, Eva Mattes, Sabine Postel und - wenn man will - auch mit Simone Thomalla, die aber regelmäßig schauspielerisch von ihrem Krimi-Partner Martin Wuttke ausgestochen wird.

    Der regionale Charme der 17 Ermittler-Teams funktioniert noch immer, auch wenn häufig nur noch Ladenbesitzer, Verdächtige oder Taxifahrer Dialekt sprechen. Von Konstanz bis Kiel, von Leipzig bis München entstand im Lauf der Jahrzehnte eine Krimilandschaft, die Deutschland soziologisch abbildet und auch noch die Schweiz und Österreich einbezieht.

    Der "Tatort" als Spiegelbild der Gesellschaft? Zurzeit sind Themen wie Korruption, Asylproblematik oder Menschenhandel angesagt. Doch es gab immer auch jene Lässigkeit, die zum Beispiel die Münchner Variante auszeichnet. Wenn etwa der kroatischstämmige Kommissar Ivo Batic (Miroslav Nemec) ausgerechnet beim Hütchenspiel gegen eine Barschönheit verliert.

    Am Sonntag (20.15 Uhr) feiert der "Tatort" mit "Wie einst Lilly" sein Jubiläum mit einem neuen Kommissar: Ulrich Tukur ist Felix Murot, ein Ermittler mit Hirntumor, der mehr sieht als andere, abgründig wie eine Figur von Raymond Chandler. Man darf gespannt sein. Rupert Huber

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