Fanfaren, Glockengeläut und Salutschüsse: Noch einen Tag vor der Zeremonie hatten die Truppen sowie König Charles III. und Königin Camilla die Rituale um die Krönung immer und immer wieder geübt. Am Samstag schließlich war es dann so weit. Vor den Augen von über 2200 Staatsgästen und der ganzen Welt bekam der Monarch auf dem über 700 Jahre alten Krönungsstuhl sitzend die Edwardskrone aufgesetzt. Mit 444 Edelsteinen besetzt und einem Gewicht von über zwei Kilo, saß sie schwer auf seinem Haupt. Auch die Insignien seiner Macht, Zepter und Schwerter, vermittelten dem König die Tragweite seines Amtes als Staatsoberhaupt und Diener des Volkes.
Es waren Szenen, die an die Krönung seiner Mutter Elizabeth. II vor knapp 70 Jahren erinnerten. Während der Monarch damals im Alter von vier Jahren von einer Tribüne aus der Krönung folgte, kniete sein Sohn Prinz William am Samstag nun vor ihm nieder, um dem Monarchen den Treueeid zu leisten. Dann stand William auf, berührte die Krone und küsste seinen Vater auf die Wange.
Krönung von Charles III.: Nicht nur Probleme innerhalb der Familie wurden sichtbar
Waren im Jahr 1953 bei der Zeremonie von Königin Elizabeth noch rund 8000 Menschen in der Abbey zu Gast, fiel Charles' Feier sichtbar kleiner aus. Die Gäste, darunter der britische Premierminister Rishi Sunak sowie US-Sängerin Katy Perry, saßen nicht auf hohen Rängen, sondern auf Bänken in der Kathedrale. Wie damals verfolgten die Familienmitglieder die Krönung jedoch aus der Nähe. In der ersten Reihe saßen Prinz William und Prinzessin Catherine mit ihren Kindern George, Charlotte und Louis. Auch Prinz Harry war nicht weit von seinem Vater entfernt, jedoch einige Reihen hinter seinem Bruder, und auf der anderen Seite. Er war allein zur Krönung gekommen, ohne Meghan. Die Kameras fingen ihn selten ein, oft wurde sein Gesicht von einem auffällig ausladenden Hut von Prinzessin Anne verdeckt. Die Entfremdung zwischen den Royals und Harry, sie war auch an diesem Tag nicht zu übersehen.
Auch Prinz Andrew war zwar anwesend, wurde jedoch kaum gefilmt. Die heute 39-jährige US-Amerikanerin Virginia Giuffre warf ihm vor, sie als Minderjährige auf dem Anwesen des mittlerweile verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein vergewaltigt zu haben. Seitdem gilt der 63-Jährige als Persona non grata.
Doch nicht nur Probleme innerhalb der Familie wurden an diesem Tag sichtbar. Wie angekündigt nutzte die Organisation "Republic" die Krönung, um ihr Missfallen an der Monarchie zum Ausdruck zu bringen. Die Demonstranten, erkennbar durch ihre gelben Schilder, Fahnen und T-Shirts, postierten sich unter anderem am Trafalgar Square entlang der Prozessionsroute. "Ich habe ihn nicht als Staatsoberhaupt gewählt, niemand hat das. Und deshalb rufen wir heute: 'Not my King'", sagte Jane Smeeth dieser Redaktion. Dass sie dabei von anderen Menschen ausgebuht würde, störe sie nicht. "Das macht mir nichts aus. Das gehört ja dazu", betonte die 57-Jährige.
Die Met Police reagierte auf die Demonstranten am Samstag mit Maßnahmen, die die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" als "unglaublich alarmierend" bezeichnete. So wurden Mitglieder der Gruppe festgenommen und Schilder konfisziert. "Die Personen wurden wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs festgehalten", so die Met. Damit machte die Londoner Polizei offenbar zum ersten Mal von einem neuen Gesetz Gebrauch, welches ihr erlaubt, Demonstranten festzunehmen, falls sie die Prozession stören könnten.
Historiker über Krönung von König Charles III.: "Traditionen, die jahrzehntelang ruhten, wieder zum Leben erweckt"
Während manche demonstrierten, sahen andere den Tag eher als Gelegenheit für ein gutes Geschäft. Der 27-jährige Damian Bull verkauft sonst Fußball-Flaggen. Anlässlich der Krönung bot er auf der Prachtstraße "The Mall" jedoch Exemplare mit dem Antlitz des neuen Monarchen an. An der Zeremonie selbst sei er nicht wirklich interessiert. "Die jüngere Generation ist nicht so begeistert von Charles", sagt er. Angesichts der Tatsache, dass der Monarch womöglich nur einige Jahre auf dem Thron sitzen wird, hält er die Veranstaltung auch für ziemlich teuer. "Es ist ja von 100 Millionen Pfund die Rede. Das ist sehr viel Geld." Der Palast hatte im Vorfeld betont, dass die Zeremonie schlichter gestaltet wurde. So nutze der Monarch etwa Roben und Gegenstände seiner Vorgänger, statt neue anfertigen zu lassen.
Während der Krönungszeremonie durchlief der König Rituale, deren Ursprung bis ins alte Israel zurückreichen. Zuschauer seien Zeugen einer Zeremonie geworden, die so gut wie nie jemand gesehen habe, weil die letzte Krönung so lange her sei, sagte David Olusoga, britischer Historiker, am Samstag. "Traditionen, die jahrzehntelang ruhten, wurden plötzlich wieder zum Leben erweckt. Das war wirklich beeindruckend."
Das älteste Ritual war die Salbung. Dabei brachte der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, heiliges Öl auf die Hände und Stirn des Monarchen auf. Zu sehen war dies jedoch nicht. Denn König Charles verschwand hierzu hinter einem Baldachin. Darauf zu sehen war ein vom Wind verwehter Baum, ein Abbild eines über 250 Jahre alten Gewächses auf dem königlichen Anwesen in Windsor. In die Blätter waren die Namen der 56 Mitgliedstaaten des Commonwealth aufgestickt.
Nach einer Krönung ohne Patzer liegen die großen Herausforderungen noch vor Charles und Camilla
Neben den historischen Elementen unterschied sich die Zeremonie jedoch auch von jener seiner Mutter Königin Elizabeth II. So trat unter anderem der Ascension Choir auf, ein Gospelchor, der speziell für die Krönung zusammengestellt wurde. Zudem war es das erste Mal, dass von Frauen komponierte Musik in der Krönungszeremonie zu hören war. Elemente der Modernisierung, die der Palast schon im Vorfeld der Feierlichkeiten in Aussicht gestellt hatte. Überdies wurde Camilla anders als Charles öffentlich gesalbt, das hatte es vorher noch nicht gegeben.
Nach der Zeremonie verließen Charles III. und Königin Camilla die Westminster Abbey und fuhren in der Golden State Coach unter Glockengeläut Richtung Palast. Auf ihren Gesichtern war in diesen Momenten auch etwas wie Erleichterung abzulesen. Bequem war die Fahrt vermutlich jedoch nicht. Das Gefährt wippte sichtbar über den Asphalt. Die Kutsche gilt als unbequem, weil sie keine Federung hat.
Am Rande der Prozessionsroute stand die 38-jährige Stefana Sandu aus Hastings im Südosten Englands: "Wir wollten bei diesem Ereignis dabei sein und sind schon am frühen Morgen zur Prachtstraße Mall gekommen", erzählte sie. Sie sei auch bei der Beerdigung von Königin Elizabeth II. in London gewesen. Diesmal sei aber weniger los. "Vielleicht liegt das daran, dass er noch neu im Amt ist. Charles muss sich vielleicht erst noch beweisen."
Als sich das Königspaar am Nachmittag dann schließlich auf dem Balkon des Buckingham-Palastes zeigte, jubelten ihm die Menschen jedoch zu. Charles III. und Königin Camilla kamen sogar ein zweites Mal heraus, als Zugabe. Nach einem halben Jahr voller Proben ist die Krönung ohne größere Patzer über die Bühne gegangen. Die ganz großen Herausforderungen liegen jedoch wohl noch vor ihnen.