Knallharte Juristinnen, die Anstand und Moral an der Tür zum Gerichtssaal abgeben, sind blond, schmal und kurzhaarig. Jedenfalls könnte man nach den „Tatort“-Folgen der vergangenen Wochen diesen Eindruck bekommen. Wie im Schwarzwälder Fall „Ad Acta“ von Ende September steht auch in der neuen Episode „Dein gutes Recht“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) aus Ludwigshafen eine Frau im Zentrum, die die Skrupellosigkeit vor sich herträgt wie andere eine Luxushandtasche. Nur ist es diesmal keine Richterin, sondern die Anwältin Patricia Prinz (Sandra Borgmann).
Die hat im neuen Fall der Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) gerade ihren Mann verloren. Zitternd und verstört, wie es sonst gar nicht ihre Art ist, sitzt Prinz unter ihrem Schreibtisch, als Lena Odenthal nach einem Notruf in dem dunklen Büro ankommt. Nebenan liegt erschossen Prinz‘ Mann Jasper, ebenfalls Jurist, aber anders als seine Frau einer mit Gewissen. Die Kommissarin sucht das Haus nach dem Täter ab. Da stürmen zwei Polizisten in Uniform herein, stürzen sich rambomäßig auf Odenthal, halten sie für diejenige, die schoss. Schnitt.
Draußen ist es wieder hell, die Kommissarin muss sich in einer internen Ermittlung erklären. Der Vorwurf: ungerechtfertigter Schusswaffengebrauch. Hauptzeugin: ihre Kollegin Johanna Stern.
Die Verhöre der beiden Kommissarinnen, die mit dem Fall gegengeschnitten werden, zeigen eins auf herzerwärmende Weise: Odenthal und Stern sind die weibliche Version von Batic und Leitmayr, von Ballauf und Schenk geworden – aber besser. Weniger behäbig und vorhersehbar, vor allem dank der lässigen, forschen Johanna Stern. Sie hat die Staubschicht, die sich nach mittlerweile 80 Fällen auf Kommissarin Odenthal abgesetzt hatte, endgültig weggeblasen. „,Rambo-Kollegen‘, ist das ihre Wortwahl oder die von Frau Odenthal?“, wird Stern in ihrem Verhör gefragt. Sie zuckt mit den Schultern: „Weiß ich nicht.“
Noch ein schöner Einfall des Autors und Regisseurs Martin Eigler: Nachdem die Pfälzisch babbelnde Sekretärin Edith Keller (Annalena Schmidt) in der letzten Folge in den Ruhestand geschickt wurde, steht die Nachfolgerin schon bereit: Davina Fox, Deutsch-Amerikanerin mit afroamerikanischer Familiengeschichte, schickt sich an, die neue Assistentin zu werden. Noch eine Staubschicht weniger, aber genauso viel Dialekt.
Die Handlung aus Ludwigshafen kann nicht mithalten
Jetzt müsste nur noch die Handlung mithalten können – kann sie aber nicht. Der tote Jurist mit dem unverdorbenen Charakter, dazu ein zweiter Fall um einen eklig-egozentrischen Callcenter-Betreiber und zwei seiner Mitarbeiterinnen, von denen die eine um das Sorgerecht für ihren Sohn kämpft, außerdem ein gestohlener Laptop: Das ist zu viel. Zwar fügt sich am Ende alles irgendwie schlüssig zusammen. Aber bitte nächstes Mal: weniger Handlungsstränge. Und gerne auch weniger Klischees, Stichwort: strenge Kurzhaarfrisur gleich skrupellose Frau.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden