Angelo Vassallo war ein Symbol. Der Bürgermeister von Pollica liebte das Meer und die Fischerei, deshalb nannten sie ihn auch den „Fischer-Bürgermeister“. Er setzte sich für Legalität und Umweltschutz ein, eine Seltenheit in Süditalien. Baulizenzen in der von ihm geführten kleinen Gemeinde in der Tourismusregion Cilento südlich von Salerno wurden in seiner Amtszeit nur noch mit Augenmaß vergeben, damit die Schönheit der Gegend erhalten bleiben könne. Wer Zigarettenstummel auf den Boden warf, musste bis zu 1000 Euro Strafe zahlen.
Angelo Vassallo wurde auf dem Nachhauseweg erschossen
Vassallo galt als ein leuchtendes Beispiel weit über die Grenzen der 2000-Einwohner-Gemeinde hinaus, zweimal wurde er als Bürgermeister wieder gewählt. Es wurden Bücher, Theaterstücke und Drehbücher über ihn geschrieben. Zu seiner Beerdigung kamen Minister und Polit-Prominente. Das Europa-Parlament legte ihm zu Ehren eine Schweigeminute ein. Der Bürgermeister war im September 2010 brutal ermordet worden, die Fahndung nach den Tätern blieb jahrelang ohne Erfolg. Mit neun Schüssen aus einer Kleinkaliber-Pistole hatten sie den 56-Jährigen aus dem Weg geräumt, als er nachts mit seinem Auto auf dem Nachhauseweg war.
Angelo Vassallo und die Camorra: Ein Kampf im Herzen des Cilento
Schon damals war klar, dass die Camorra in die Hinrichtung verwickelt gewesen sein musste. Denn Vassallo hatte Freunden zuvor anvertraut, dass er Dinge entdeckt habe, „die ich nie hätte entdecken wollen“. „Sie wollen die Camorra hier in das Cilento bringen“, soll Vassallo über die Mafia Kampaniens berichtet haben. Nun, 14 Jahre später, steht der Fall vor der Aufklärung. Vor Tagen ließ die Staatsanwaltschaft Salerno vier Männer festnehmen, die Teil einer Verschwörung gegen Vassallo gewesen sein sollen, darunter zwei Angehörige der eigentlich als vertrauenswürdig geltenden Carabinieri. Sie sollen Teil eines Mafia-Drogenringes sein, der die Tourismusregion, die lange als von kriminellen Interessen unberührte Gegend galt, als neuen Umschlagplatz für Kokain und andere Drogen etablieren wollte. Dabei gibt es im Cilento laut Innenministerium keine eigenen Mafia-Organisationen. Clans aus dem Umland Neapels und dem nördlichen Kalabrien sollen wegen der starken Ermittlungs- und Polizeipräsenz in jene Gegend vorgedrungen sein.
Zentrale Figur ist ein Carabinieri-Oberst
Eine der zentralen Figuren in diesem Ring ist der festgenommene Carabinieri-Oberst Fabio Cagnazzo, selbst ein in Süditalien bekannter Ermittler, der jahrelang in der Gegend um Neapel an der Festnahme von Mafiosi beteiligt gewesen war. Sein Vater, ein angesehener Carabinieri-General, hatte 1993 an der Festnahme des sizilianischen Super-Bosses Toto Riina mitgewirkt. Cagnazzo kam irgendwann auf die falsche Spur. Wie erst jetzt öffentlich wurde, war der Oberst 2010 nach Apulien versetzt worden, weil der Verdacht bestand, er hätte gemeinsame Sache mit einem berüchtigten Camorra-Clan aus Secondigliano im Hinterland Neapels gemacht. Kronzeugen hatten gegen ihn ausgesagt.
Wie sich dann herausstellte, legte der 54-jährige Oberst im Fall Vasallo falsche Fährten, um die Ermittler in die Irre zu führen und seine eigenen Interessen an einem großen Drogendeal zu verheimlichen. So schwärzte Cagnazzo unter anderem einen lokalen Drogendealer an. Cagnazzo hatte im zu Pollica gehörenden Hafen von Acciaroli eine Ferienwohnung und brachte im Ort Mafia-Kronzeugen im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes unter. Wie groß sein illegales Netzwerk war und welche Clans Interesse an Cagnazzos Diensten gehabt haben, ist noch Gegenstand der Untersuchungen. Festgenommen wurden auch der Ex-Carabiniere Lazzaro C., der Unternehmer Giuseppe C. sowie ein bereits als Kronzeuge aufgetretener Mafioso, Romolo R. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft planten und organisierten sie den Mord an Vassallo.
Eine Zigarettenkippe mit DNA-Spuren am Tatort
Der Bürgermeister hatte seine finstere Entdeckung einer großen Kokain-Lieferung in den Hafen von Acciaroli zur Anzeige bringen wollen, am Vorabend seines Termins bei der Staatsanwaltschaft wurde er ermordet. Videoaufzeichnungen vom Tatort gibt es nicht. Dafür wurde am Tatort ein Zigarettenstummel mit DNA-Spuren Cagnazzos gefunden. Ausgerechnet in jener Gemeinde, die auf Initiative des Bürgermeister für das Wegwerfen von Kippen drakonische Strafen verhängte.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden