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Kommentar: Wie steht es um das deutsche Fernsehen?

Kommentar

Wie steht es um das deutsche Fernsehen?

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    Große Geste, große Show - alles vorbei:  Thomas Gottschalk als Gastgeber von "Wetten, dass..?".
    Große Geste, große Show - alles vorbei: Thomas Gottschalk als Gastgeber von "Wetten, dass..?". Foto: Jan Woitas (dpa)

    Achtung, Symbolalarm! Als wollte Stefan Raab seinen TV-Ausstieg auch optisch dokumentieren, präsentierte er zum Start der Sommerstaffel von „Schlag den Star“ ein Trauerredner-Outfit: dunkler Anzug, dunkle Krawatte, weißes Hemd. Das war auch angebracht, denn im Vergleich zu den Spielchen von Ex-Fußballprofi Stefan Effenberg und des hauseigenen Moderators Daniel Aminati ist jeder Kindergeburtstag ein Top-Event. Fernsehen am Samstagabend halt. Krise total.

    Eindrucksvoller lässt sich das Dilemma im Unterhaltungsfernsehen nicht belegen, wenn selbst Privatsender wie ProSieben die „große“ Unterhaltung nicht mehr gebacken bekommen. Wie viele Studien hat man da verschlafen?

    Fernsehen ist schwerfällig geworden

    So ist es schlüssig, wenn Provokateur Raab, der lange das Fernsehen aufgemischt hat, aufhört. In einer vom rasanten Wandel der Mediennutzung geprägten Gesellschaft wird die Halbwertzeit des Starkults kürzer. Und aufgrund von Senderproporz-Problemen (ARD) und Quoten-Kult (alle Anbieter) kann das schwerfällige Fernsehen gar nicht besser sein.

    Stichwort ARD: Fürstlich bezahlte Prominenz kann offenbar zur Belastung werden. Günther Jauch, mittels Millionenquiz mit RTL und als Chef der Talk-Republik Deutschland mit der ARD verbandelt, steigt bekanntlich beim Ersten aus. Was überfällig ist.

    Die Lustlosigkeit am Sonntagabend war ihm schon lange anzumerken. Jauch machte angesichts der Talk-Touristen oft ein Gesicht, als wäre der Immobilienwert in seinem Wohnort Potsdam vernichtend eingebrochen. Aber ARD und ZDF sind da unheilbar. Liest man die Gästeliste der Talkshows, kennt man bereits die Argumente, die kommen werden. Weil immer dieselben politisch Verdächtigen den Talk für einen medialen Selbstbedienungsladen halten. Kein Wunder, dass die Bürger, die der Politik immer mehr misstrauen, ihr Unbehagen auch auf Talk-Inszenierungen übertragen.

    Die Legende von der Liebe der Deutschen zur großen Samstagabend-Show

    Die TV-Erfolge von Stefan Raab

    Stefan Raab hat in seiner TV-Karriere alle wichtigen Preise – teilweise mehrfach –  gewonnen, die man gewinnen kann.

    Den Adolf-Grimme-Preis, den Deutschen Fernsehpreis, den Comedy-Preis und den Bayerischen Fernsehpreis.

    In diesem Jahr feiert Stefan Raab mit „TV total“ das erfolgreichste erste Halbjahr seit 2007. Insgesamt moderierte er bislang 2.180 Mal „TV total“.

    Stefan Raab erfand und prägte folgende Shows (Auswahl): Die TV total WOK-WM, Bundesvision Song Contest, Schlag den Raab, Schlag den Star, Unser Star für Oslo ...

    ... sowie Die TV total Bundestagswahl, Das TV total Turmspringen, Die absolute Mehrheit, Die TV total Stock Car Crash Challenge und Der große TV total Parallelslalom. AZ

    Eine von ARD und ZDF gern verbreitete Legende ist die Liebe der Deutschen zur großen Samstagabend-Show. Sie stimmt halt nicht. Der groß angekündigte Abschied von Andy Borg aus dem „Musikantenstadl“ erreichte weniger Zuschauer als die Wiederholung eines „Wilsberg“-Krimis im Zweiten. Kritiker ließen oft kein gutes Haar am „Stadl“ – zum Ärger des älteren Publikums.

    Dabei ist es die ARD selbst, die die treuesten Zuschauer unterschätzt, die sich im Internet bedienen, um echte Volksmusik statt Schlagerbrei aus der Konserve zu hören, wie seit Jahrzehnten.

    Wetten, dass..? - Twitter-Reaktionen zum Aus der ZDF-Show

    «»Wetten dass...» wird abgesetzt, wird jetzt der Rundfunkbeitrag billiger?» @olafgutting

    «ZDF macht Schluss mit Wetten dass, geht aber noch dreimal auf Sendung. Das ist ja wie mit meinen Ex-Freundinnen» @hf_sports

    «Wetten dass eingestellt? Da hat man ja jetzt mehr Sendeplatz für die wirklich wichtigen Sendungen. Wie Traumschiff. Und Rosamunde Pilcher.» @DonSchnulze

    «Gestern Abend wohl doch noch #Kurzkrimi verpasst. Tatort: Abspann. Täter bekannt. Motiv: keine Lust mehr. Die Tote: 33 Jahre. #Wetten dass?» @KrimiToGo

    «Wisst Ihr schon, i Dezember, w Medienredakteure schreiben, dass Lanz sich b #wettendass gesteigert hat & es Fehler ist, die Show zu beenden?» @tknuewer

    «Wetten,daß.. in der letzten Sendung am 6.Dezember in Nürnberg Thomas Gottschalk als »Überraschungs»-Nikolaus aus'm Lebkuchen hüpft?Nu is gut» @SuedStimme

    «Wetten, dass mir die Sendung nicht fehlen wird!» @ramtoka

    «Jetzt hörn sie mit »Wetten, dass...» auf. Und ich hab's seit 30 Jahren nicht mehr gesehen.» @pfarrerpohl

    «#Wetten, dass...? Dann haben ja die Medien erreicht was sie wollten!» @ThomasAndersGoM (Sänger Thomas Anders)

    Vor allem ist die Zeit der großen Entertainer abgelaufen. Stefan Raab war noch irgendwie eine Schnittstelle zu Thomas Gottschalk, aber wer soll folgen? Jan Böhmermann ist zu cool und eitel für ein großes Publikum.

    Was ist mit Barbara Schöneberger? Mit ihrer Selbstironie hätte sie mehr drauf als die Moderation von Musikpreisen. Aber wo sind die Show-Ideen? Wer Fernsehen mag, nennt Fußball und „Tatort“. Und Reportagen aus der weiten Welt. Womit nicht das Sommer-Dschungel-Camp gemeint ist.

    Ansonsten bleibt ein Rechteck mit bewegten Bildern. Das war schon im Zirkuszelt und im Kintopp so. Heute zählen PC, Tablet und Smartphone. Denn die Selfie-Generation hat dem linearen Fernsehen längst den Rücken gedreht. Plötzlich findet man auf Youtube eine von Laien gebastelte Comedy-Serie, die einem als Sauerstoffschub den öffentlich-rechtlichen wie privaten Mief vertreibt. Was die Sender gespannt haben und sich nun Talente aus dem Netz fischen. Eigentlich ein Armutszeugnis. Aber immerhin passt das Rechteck doch noch in die Geometrie des Fernsehens.

    Die Zeit der großen Entertainer ist abgelaufen.

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