Die Attacke vom Augsburger Königsplatz ist erschütternd, zweifelsohne. Und erschütternd ist auch, wie sie in „sozialen“ Medien kommentiert wird. Hier spielen Hass und Hetze die Begleitmusik – und das in einem immer besorgniserregenderen Ausmaß. Ein Ausmaß, das nun sogar die Polizei während ihrer Pressekonferenz am Montag thematisierte. Polizei genau wie seriös berichtenden Medien wurde vorgeworfen, zu vertuschen und zu beschönigen: die Herkunft der Tatverdächtigen oder die Gewalt, die von Flüchtlingen sowie Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgehe.
Darauf hatte sich der wütende Mob im Netz, hatten sich die angeblich so „besorgten Bürger“ sofort geeinigt: Schuld am Tod des Feuerwehrmanns können ja nur Ausländer sein, die „politische Korrektheit“ und, natürlich, Kanzlerin Angela Merkel. In den sozialen Medien sind alle Hemmungen gefallen. Mit Blick auf die Tatverdächtigen wurde gefordert: „Strick um den Hals und gut is“. Unsere Redaktion erreichten hasserfüllte Reaktionen, eine davon: „Wer wie ihr sein Vaterland verrät (...) gehört aus dem Land gejagt.“ Wenn das „Volk“ in Augsburg aufstehe, werde die Redaktion brennen. Auf der Facebook-Seite der AfD Bayern postete ein Nutzer Fotos von Waffen und Munition.
Und Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag, instrumentalisierte die Tat umgehend: „Der in Augsburg zu Tode geprügelte Feuerwehrmann war ein neuerliches Opfer von Migrantengewalt“, twitterte sie ohne Interesse an Tathergang und Wahrheit.
Rechtsextreme warten auf Fälle wie den Tod des Feuerwehrmanns in Augsburg
Spätestens seit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Rechtsextremen, kann niemand mehr behaupten, Hass und Hetze seien ein Internetphänomen. Längst sind sie allgegegenwärtig und vergiften das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Rechtspopulisten bis hin zu Rechtsextremen warten nur auf Fälle wie den aus Augsburg: die AfD, um damit Politik zu machen; Rechtsextreme, um an den Fundamenten der Demokratie zu rütteln. Im Netz erinnerten sie bereits an „Chemnitz“. Dort kam es zu Ausschreitungen, nachdem ein Deutschkubaner erstochen worden war, sowie dem Zusammenschluss der AfD mit Rechtsextremen während eines „Trauermarsches“. In vorderster Reihe AfD-Politiker Björn Höcke, dessen völkischer „Flügel“ die Partei inzwischen zu dominieren scheint.
In den vergangenen Jahren ist Deutschland ein gefährdetes Land geworden: Mit der Vergiftung der öffentlichen Debatte wird zunehmend die Demokratie bedroht, jeden Tag mehr. Internet-Kommentare und Umfragen zeigen, wie wenig Vertrauen Politik, Justiz oder Medien noch genießen. Aufrufe zur Lynchjustiz, Faschismus, Rassismus, Antisemitismus mischen sich mit Zukunftsängsten, Verschwörungstheorien, Umsturzgedanken. Die eine Antwort darauf ist in den vergangenen Jahren nicht gefunden worden.
Wie Polizei, Medien und Internetnutzer auf die Hetze im Netz reagieren können
Aber es gibt Wege, Hass und Hetze zu begegnen. Indem Internetnutzer darauf nicht aggressiv reagieren und so mit an der Eskalationsspirale drehen. Indem Journalisten nach bestem Wissen und Gewissen Fakten recherchieren, sachlich berichten und deutlich machen, wie sie vorgehen. Indem die Polizei, wie jetzt die Augsburger, die Öffentlichkeit frühzeitig informiert. Indem die Politik die Voraussetzungen dafür schafft, Hass und Hetze im Netz endlich wirksam zu bekämpfen – und die Justiz die personellen Möglichkeiten erhält, dies durchzusetzen. Deutschland hat ein gewaltiges Problem mit rechtem Hass. Das müssen Medien, Politik oder Justiz künftig viel deutlicher als solches benennen.
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