Mehr als einen Tag lang hatte man sich bei RTL ausgeschwiegen, hatte herbe und berechtigte Kritik am durchgesickerten Bohlen-Comeback über sich ergehen lassen, hatte in Kauf genommen, dass Schlager-Star Florian Silbereisen und die eigene Geschäftsführung beschädigt werden – um sich nun mit einem gehörigen Knall von seiner langjährigen Erfolgsshow "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) zu verabschieden. Einmal noch Bohlen! Ein Ende mit Schrecken? Zumindest eines mit Wumms.
Doch wenn man ehrlich ist: Die Zeiten für Formate wie DSDS werden schwieriger und speziell die Zeit für DSDS war längst vorbei – ein "Refresh", eine Auffrischung, musste scheitern. Mit dem netten Flori Silbereisen wollte RTL Abstand nehmen von seinen Skandal-Juroren Michael Wendler oder Xavier Naidoo. Und nicht zuletzt von Dieter Bohlen, der die Show zu seiner Bühne gemacht hatte und über dessen Sprüche viele Zuschauerinnen und Zuschauer (und Teilnehmende) nicht mehr lachen konnten.
RTL will seriöser werden – scheitert aber an Erwartung der Zuschauer
Auch bei RTL, das familienfreundlicher werden wollte, fand man die Bohlen-Ego-Show nicht mehr lustig. Schließlich war die Sorge berechtigt, dass Pöbel-Bohlen das Image des Senders weiter beschädigen und damit eine ambitionierte Strategie zunichtemachen würde: RTL will kuscheliger und seriöser werden.
Ironie der Geschichte: Offenkundig lebte DSDS derart von Bohlens Ausfällen, dass ein Teil des Publikums genau das von der Castingshow erwartete: peinliche Kandidatinnen und Kandidaten sowie einen Chefjuror, der sie dem Spott einer schadenfrohen Öffentlichkeit aussetzt. Um die Suche nach einem "Superstar" jedenfalls ging es ja nie (schon eher um jemanden, mit dem sich eine Zeit lang Quote machen und der sich gut vermarkten lässt).
Der Grund für den Erfolg von DSDS war letztlich der Grund für den Niedergang
Diese über Jahre aufgebaute Seherwartung ist ein Grund dafür, dass eine menschenfreundlichere Version von DSDS erfolglos blieb. In anderen Sendern und anderen Shows funktioniert es, DSDS war nicht zu retten. Zumal in Zeiten, in denen es keinen Dieter Bohlen braucht, um ein Star zu werden. Das erledigen TikTok und Co. wesentlich einfacher.
Und so ist es wie bei "Wetten, dass..?", das ebenfalls über seinen Zenit hinaus auf Sendung war. Wer wollte noch Wett-Videos mit kleinen Aktionen und Stars sehen, wenn das Internet voll davon ist? Das endgültige Aus muss für DSDS gleichwohl nicht gekommen sein. Wer weiß, in einer der nächsten Retro-Wellen im deutschen Fernsehen wird es wohl wieder über uns hereinschwappen – wie "Wetten, dass...?". Ob ein 80-jähriger Bohlen dann noch als Rüpel wahrgenommen wird?