Prinz Harry und Herzogin Meghan haben zum Rundumschlag ausgeholt und ihre „Wahrheit“ dargelegt. Das Interview mit Oprah Winfrey fiel nicht nur deutlich explosiver aus als die vorab veröffentlichten Clips erwarten ließen, sondern war schlichtweg vernichtend für den Palast. So warfen der Herzog und die Herzogin der royalen Familie sogar Rassismus vor.
Es dürfte trotz großer Konkurrenz in dem zweistündigen Drama die schockierendste Anschuldigung gewesen sein. Zudem klagte vor allem Meghan über einen Mangel an Unterstützung und Empathie, redete über gebrochene Versprechen, „Rufmord“ und mentale Probleme bis hin zu Suizidgedanken. Die unnahbaren Royals, die alles daran setzen, Glanz und Glamour auszustrahlen und die heile Welt vorzuspielen, wurden von den beiden als verlogene und gefühlskalte Institution beschrieben. Der Donnerschlag dürfte auf der Insel noch lange nachhallen. Immerhin eine Person klammerten sie aus der Abrechnung aus: Königin Elizabeth II. Für die Queen hatten beide nur warme Worte übrig, aber das dürfte für das Staatsoberhaupt wie auch die erschütterten Briten lediglich ein kleiner Trost sein.
Was hat das Interview von Harry und Meghan gebracht außer die Familienbande endgültig zu zerstören?
Man kann nur darüber staunen, wie schnell diese Schlammschlacht eskaliert ist. Es liegen keine drei Jahre zwischen der Märchenhochzeit im Mai 2018, als der beliebte Prinz Harry seine Liebe Meghan Markle mit allem Prunk und Pomp vor einer jubelnden Weltöffentlichkeit heiratete – und der am Sonntagabend im US-Fernsehen ausgestrahlten Attacke des Paars gegen den Palast und die britische Boulevardpresse. Zyniker mögen betonen, dass die Royals abermals das geliefert haben, was sie am besten können: perfekte Unterhaltung. Doch zu welchem Preis? Das Interview erinnert an jene für die Windsors dunklen Zeiten, als Prinzessin Diana 1995 über ihre Ehe auspackte. Harrys Mutter bereute das berühmt-berüchtigte Interview später, wie es von Weggefährten heißt. Das hielt Meghan und Harry nicht davon ab, in die Fußstapfen von Diana zu treten.
Prinz Harry - Chronologie seines ereignisreichen Lebens
Prinz Harry ist erst 35 Jahre alt, hat aber schon so einiges erlebt. Bereits in seiner Kindheit wurde er geprägt durch die Scheidung seiner Eltern und den frühen Unfalltod seiner Mutter Prinzessin Diana. In seiner Jugend sorgte er als "Party-Prinz" immer wieder für Schlagzeilen. Seit er mit seiner Frau Meghan verheiratet ist, wehrte er sich immer wieder gerichtlich gegen die Berichterstattung britischer Medien. Wir stellen die wichtigsten Stationen im Leben von Prinz Harry in einer Chronologie vor.
Geburt in London: Als zweiter Sohn von Prinz Charles und Prinzessin Diana wird Prinz Harry am 15. September 1984 in London geboren. Gerade Diana schützt ihre Söhne William und Harry vehement vor allzu großer Medienpräsenz in der Familie.
Scheidung der Eltern: Prinz Harry ist gerade einmal knapp acht Jahre alt, als sich seine Eltern Charles und Diana im Jahr 1992 trennen und vier Jahre später schließlich auch scheiden lassen. Die Ex-Eheleute teilen sich das Sorgerecht für ihre Söhne, William und Harry wachsen abwechselnd bei ihrer Mutter, ihrem Vater und bei ihrer Großmutter Queen Elizabeth II. auf.
Tod von Prinzessin Diana: Mit nur zwölf Jahren verliert Prinz Harry auf tragische Weise seine Mutter. Am 31. August 1997 stirbt die britische Prinzessin bei einem Autounfall in Paris. Bei der Bestattung gibt es einen Trauerzug durch London - William und Harry geraten immer mehr in den Fokus der Medien.
Engagement für Afrika: Im Jahr 2003 schließt Prinz Harry die Schule ab - und arbeitet danach in einem Waisenhaus im südafrikanischen Staat Lesotho. Drei Jahre später gründet er in dem Land eine Stiftung für Aids-Waise. Mit diesem Charity-Projekt will er die Arbeit seiner Mutter Diana fortsetzen.
Fehltritte als "Party-Prinz": Gleichzeitig fällt Prinz Harry mit seinem Verhalten als junger Erwachsener immer wieder negativ auf. Jedes Mal entschuldigt er sich für seine Fehltritte und Skandale. Er versucht, sein schlechtes Image abzuwerfen und gelobt Besserung. Doch kurz darauf gibt er den Boulevard-Medien neuen Anlass für Negativ-Schlagzeilen.
Schlechter Geschmack: Ein Auftritt im Nazi-Kostüm löst 2005 internationale Empörung aus. Harry war mit einer roten Hakenkreuzbinde zu einer Kostümparty gekommen. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum nennt sein Verhalten "beschämend". Harry teilte schriftlich mit: "Dieses Kostüm war schlecht gewählt, und ich entschuldige mich."
Schlüpfriges Pflaster: Im April 2006 feiert Harry den Abschluss seiner Offiziersausbildung ausgerechnet in einem Nackttanz-Lokal. Wie Boulevardmedien berichten, legt er vor den Augen anderer Absolventen der Militärakademie seinen Kopf zwischen die Brüste einer Stripperin.
Militärdienst in Afghanistan: Prinz Harry tut es ab 2005 seinem Bruder William gleich und schlägt eine Karriere beim Militär ein. Innerhalb von zwei Jahren absolviert er eine Offiziersausbildung - und ist unter seinen Kameraden sehr beliebt. Denn Harry will keinen Sonderstatus. Er will seinem Land dienen und meldet sich sogar für einen Einsatz in Afghanistan. 2007 und 2008 ist er dort stationiert.
Heißes Eisen: Im Januar 2009 bringen Presseberichte über rassistische Äußerungen Harrys das britische Königshaus in arge Bedrängnis. Beim Militär soll er einen Kameraden "Paki" genannt haben - ein Wort, das in Großbritannien abwertend für Pakistaner gebraucht wird. Der Prinz entschuldigt sich öffentlich. "Paki" sei als Spitzname gemeint gewesen.
Nacktfotos: Ein US-Promiportal zeigt den Prinzen völlig entblößt im Internet. Er hatte im August 2012 an einer freizügigen Party in Las Vegas teilgenommen, ein Gast lichtete ihn ab. Dass auch ein britisches Boulevardblatt die Bilder einer Warnung des Königshauses zum Trotz veröffentlicht, löst eine Diskussion über Pressefreiheit aus. Immerhin: Über Harrys nackten Po war ein Krönchen gedruckt.
Frau fürs Leben: Auch in Liebesdingen schafft Prinz Harry lange Zeit keine Grundlage für positive Berichterstattung. Von 2004 bis 2010 ist er mit etlichen Unterbrechungen mit der Südafrikanerin Chelsy Davy zusammen. Anschließend gibt es ein nur zweijähriges Intermezzo mit Cressida Bonas. Erst im November 2016 wird die Beziehung zwischen Prinz Harry und Meghan Markle offiziell. Ein Jahr später wird ihre Verlobung bekannt und im Mai 2018 heiratet das Paar schließlich.
Familienglück mit Archie: Wieder nur ein Jahr nach der Hochzeit ist das Familienglück perfekt. Zusammen mit seiner Frau Meghan verkündet Prinz Harry schon im Oktober 2018, dass sie Nachwuchs erwarten. Am 6. Mai 2019 wird schließlich der kleine Sohn Archie geboren.
Harry und Meghan gegen die Medien: Im vergangenen Jahr haben sich Harry und Meghan immer stärker aus dem Fokus der Boulevard-Medien herausgehalten. Sie nahmen an wichtigen Familien-Terminen nicht teil und verbrachten immer mehr Zeit in Nordamerika, wo Meghan in ihrer Zeit vor Harry lebte. Sogar das Weihnachtsfest verbrachten sie fern der königlichen Familie.
Wie damals ist auch jetzt die Marke des Königshauses schwer beschädigt, vielleicht sogar nachhaltiger als je zuvor. Daran tragen sowohl die Abtrünnigen im fernen Kalifornien Schuld als auch die sogenannte Firma in der britischen Heimat. Die Anschuldigungen sind niederschmetternd für die Royals. Es war kein Geheimnis, dass der Palast wenig Verständnis für die Sorgen der Sussexes gezeigt hat und vieles beim Rückzug der Sussexes hätte besser handhaben können. Doch die jetzt vorgebrachte Kritik geht deutlich weiter und wiegt schwerer.
Wenn irgendwann die Schlagzeilen versiegt sind, bleibt die Frage: Was hat dieses Interview gebracht außer schmutzige Wäsche vor der Welt zu waschen und Familienbande endgültig zu zerstören? Es ist der vorläufige Tiefpunkt in dieser traurigen Saga um Meghan und Harry, die mit ihren Aussagen vermutlich kaum jemanden zum Meinungsumschwung animiert haben. Fans der Sussexes werden den beiden glauben und sie bewundern für ihren Mut, in die USA zu ziehen, und ihre Offenheit, verbal gegen das Königshaus zu schießen. Kritiker dagegen dürften die Sussex-Seite der Geschichte mit Skepsis bewerten – und das nicht erst, seit zahlreiche ehemalige Palastmitarbeiter der Herzogin Mobbing vorwerfen. Insider bezweifeln, dass es sich lediglich um eine orchestrierte Schmierkampagne gegen die Sussexes handelt. Zu loyal hätten sich die Angestellten stets präsentiert, als dass sie plötzlich mit falschen Geschichten aufwarten würden.
Die ehemals leidenschaftliche Aktivistin Meghan hat ihre Rolle als Mitglied der Windsors völlig verkannt
Es wird schwer werden für Harry und Meghan, in Zukunft noch glaubhaft zu verkaufen, dass sie mit ihrem Umzug in die USA lediglich ihrem Freiheitsdrang gefolgt sind und ihre Privatsphäre schützen wollten. Wenn sie sich doch um jeden Preis die Aufmerksamkeit der Presse vermeiden wollten, warum holten sie dann mit diesem Sensationsinterview zum Rachefeldzug aus? Damit stellten sie sich mehr ins Rampenlicht denn je und fütterten die Neugier der Menschen.
Das Paar präsentierte sich abermals als Opfer – von den Zwängen, Pflichten und Empathielosigkeit der Royals. Von der skrupellosen britischen Boulevardpresse. Manche Kritik ist angebracht. Doch einige Attacken von Meghan und Harry klingen auch nach verletzter Eitelkeit, nach Verbitterung und Neid. Nicht nur ist es fehl am Platz, dass die beiden sich aus ihrer privilegierten Position beklagen, während die Welt unter der Corona-Pandemie leidet, etliche Menschen ihre Liebsten verloren haben, um ihre Existenz bangen. Auch die Beschwerden über das strenge Protokoll und das enge Korsett im Königshaus sind nur zum Teil angemessen. Meghan immerhin hat freiwillig in die Familie hineingeheiratet, wollte aber viele Regeln offenbar nicht akzeptieren.
Wenn die Herzogin nun von ihrer Stimme, die sie endlich wiedergewonnen hat, spricht, zeigt dies: Die ehemals leidenschaftliche Aktivistin hat ihre Rolle als Mitglied der Windsors völlig verkannt oder vielmehr nie akzeptiert. Dass sie sich ihr nicht bewusst war, kann man Meghan kaum glauben. Das Königshaus ist keine Plattform, von der aus man die eigene Sicht auf aktuelle politische Belange – und seien sie noch so ehrenhaft und gesellschaftlich wichtig – äußern könnte. Und wer die Monarchie modernisieren will, kann dies zwar versuchen, muss sich aufgrund der Schwerfälligkeit dieser historischen Institution aber mit Minischritten begnügen. In der täglichen Realität heißt es jedoch lächeln und winken und Hände schütteln und Kindergärten einweihen.
Das Königshaus ist ein antiquierter Betrieb, der von Traditionen besessen ist und anachronistischen Strukturen folgt
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Prinz Harry und Herzogin Meghan ausbrechen wollten. Doch sich nun über eine angebliche Unterdrückung zu beklagen und nachzutreten, ist respektlos gegenüber einer jahrhundertealten Institution und deren Mitarbeiter. Man mag von den Royals halten, was man will, aber etliche Briten blicken mit viel Stolz auf die Monarchie, insbesondere auf die Queen. Teile des Volks nehmen die Attacken der beiden persönlich, selbst viele Monarchie-Fans wenden sich ab. Das heißt keineswegs, dass die Herzogin mit einem Teil der Kritik nicht auch Recht hat.
Natürlich ist das Königshaus ein antiquierter Betrieb, der von Traditionen besessen ist und anachronistischen Strukturen folgt. Und der Palast agiert viel zu nachlässig und kalt, wenn es um das Wohlbefinden von Angestellten wie Mitgliedern der Royals geht. Aber mit Interviews wird sich das kaum ändern lassen. Stattdessen nehmen Harry und Meghan dem Palast jenen geheimnisvollen Zauber, aus dem sich die Faszination für das Königshaus speist – und von dem sie selbst profitierten – und entlarven eine zerrüttete, dysfunktionale Familie. Die Frage ist, wie lange das von Interesse ist. Die Sussexes sägen an jenem Ast, auf dem sie selbst sitzen.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Oprah Winfrey - die Königin des Talks im Porträt
- Drama im Königshaus: Jetzt attackiert Meghan sogar Queen Elizabeth
- Ungewöhnlich persönlich: Prinz Harry im Interview mit James Corden
- Harry, Meghan und das zweite Kind - fast wie im Film „Notting Hill“
Wir möchten wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.