Wenn man es nicht besser wüsste, man könnte meinen, man sei in den TV-Jahren 2009/2010 stecken geblieben: Immer noch oder immer wieder laufen "Big Brother", "Wer wird Millionär?", das "Dschungelcamp". Dieter Bohlen ist wieder da, und sein "DSDS" war nie richtig weg. Und das gilt erst recht für Stefan Raab, auch wenn der sich in den vergangenen Jahren vor der Kamera überaus rar gemacht hat. Die von ihm erfundenen Shows laufen und laufen und laufen wie der VW Käfer: "TV total" (mit Sebastian Pufpaff), das "Turmspringen" (nun auf RTL), nicht zuletzt und vor allem "Schlag den Star". Auch das vertraute Raab-Personal ist geblieben.
Da ist es fast zwingend, dass jetzt Moderator Matthias Opdenhövel zu "Schlag den Star" auf ProSieben – Raabs einstigem Haussender – zurückkehrt und dort Raabs einstigen "Showpraktikanten" Elton ablöst. Elton wiederum präsentiert auf RTL die Raab-Formate "Schlag den Besten" und "Blamieren oder Kassieren" (das schon Bestandteil von "TV total", "Schlag den Raab", "Schlag den Star", "Schlag den Henssler" und "Schlag den Besten" war). Die Welt der deutschen Fernsehunterhaltung ist seit Jahrzehnten so klein wie ein durchschnittliches deutsches Wohnzimmer.
Eine Zeit lang mag es gut gehen, auf Dauer ist es der Untergang – siehe Thomas Gottschalk
Die aktuellen Aufgeregtheiten um Elton und Stefan Raab sind nachvollziehbar, wundern muss man sich aber. Und zwar: sehr. Vor allem über die jüngsten Auswüchse einer fernsehmedialen Retro-Rührseligkeit und Nostalgie-Dusseligkeit, die den Beweis erbringt, wie vorgestrig das deutsche lineare TV-Unterhaltungsprogramm doch ist. Trotz aller Wie-schön-war-das-damals-Erfolge (ja, auch der Autor dieser Zeilen saß vor Jahrzehnten als Kind im Schlafanzug gebannt vor der Glotze, wenn ,Top, die Wette gilt!'-Gottschalk im Glitzerfummel in irgendeine Messehalle einlief) schafft sich das Unterhaltungsfernsehen selbst ab – mit der Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung. Ein Kessel Aufgewärmtes! Eine Zeit lang mag das gut gehen, auf Dauer ist es der Untergang. Siehe Thomas Gottschalk, der sich gleich durch mehrere "Wetten, dass ..?"-Neuauflagen hindurchwurschtelte.
Jetzt also Elton, jetzt also Raab. Um Elton tobt ein kleinteiliger und zunehmend Wumms aufnehmender Medien-Entrüstungs-Sturm, nachdem der 53-Jährige "wütend" sein unfreiwilliges Aus bei "Schlag den Star" auf Instagram kommentierte: "Pro7 ist es scheinbar zu viel, das ich bei RTL arbeite. Auf einmal!!!!" ... Nicht mal eine Abschiedsshow wird mir nach 23 Jahren Pro7 gegönnt. Ohne Worte!!!" Raab wiederum ergeht sich in Comeback-Andeutungen, und RTL-Reporter folgen seinen Spuren Wallraff-artig bis nach Tirol: "Kommt er nur für den Boxkampf gegen Regina Halmich (47) zurück? Wird er wieder ,TV total' moderieren? Will er einen eigenen Streamingdienst an den Start bringen?"
Wenn man ehrlich ist, wurden die "guten, alten Zeiten" vor allem in der Erinnerung erst richtig "gut"
Branchenkenner können hier ein professionell-fantastisches PR-Meister-Stück samt spektakulären Streitigkeiten zwischen Privatsendern beobachten, inklusive netter Bösartigkeiten wie der RTL-Ankündigung: "Elton feiert Premiere: Er moderiert zwei Shows von Stefan Raab – und zwar bei RTL!" Sowie eine Bild, die zu der ihr eigenen Hochform aufläuft: "Promis laufen Sturm gegen Eltons ProSieben-Aus. ,Fernsehen ist ein Huren-Geschäft (sorry, liebe Huren)'." Oder: "Gucken Sie ,Schlag den Star' ohne Elton noch?"
Aber ja doch: Offensichtlich sind viele ehrlich entrüstet, was sich ProSieben mit Elton "erlaubt" und ehrlich begeistert, dass sich Raab nochmals (nach 2001 und 2007 ) eins von Ex-Boxweltmeisterin Halmich auf die Nase geben lassen will. Warum auch nicht! Warum auch nicht? Weil deutsche Mainstream-TV-Unterhaltung teils viel weiter und wesentlich heutiger war und ist (siehe Joko & Klaas) – und, wenn man ehrlich ist, die "guten, alten Zeiten" vor allem in der Erinnerung erst richtig "gut" wurden. Raabs Formate hatten ihre Zeit, eine, in der man Raabs Haudrauf-Humor und quälend lange Sende- und Werbestrecken in Kauf nahm. Es ist wie mit dem VW Käfer. So richtig lief der irgendwann auch nicht mehr.