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Kommentar: Auch wenn es ein schöner Abend war: Bitte kein „Wetten, dass ..?“ mehr!

Kommentar

Auch wenn es ein schöner Abend war: Bitte kein „Wetten, dass ..?“ mehr!

Daniel Wirsching
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    Thomas Gottschalk freut sich nach dem Ende der Jubiläumsshow "Wetten, dass..?" mit seiner Lebensgefährtin Karina Mross. Vor 40 Jahren wurde die Sendung zum ersten Mal ausgestrahlt.
    Thomas Gottschalk freut sich nach dem Ende der Jubiläumsshow "Wetten, dass..?" mit seiner Lebensgefährtin Karina Mross. Vor 40 Jahren wurde die Sendung zum ersten Mal ausgestrahlt. Foto: Daniel Karmann, dpa

    „Mach’s noch einmal, Thommy!“, hatte man Gottschalk vor der „Wetten, dass ..?“-Neuauflage am Samstag gewünscht – und tatsächlich machte er es noch einmal. Und zwar genauso wie früher: Mit einem Mix aus dem Besten der 80er, 90er und den Hits von heute entzündete er ein kaum mehr für möglich gehaltenes Fernseh-Lagerfeuer und versammelte die TV-Nation vor den Bildschirmen – 13,8 Millionen Zuschauer, 45,7 Prozent Marktanteil. Und das mit einer Sendung, die exakt so auch vor 25 Jahren hätte laufen können.

    Was da am Samstagabend stundenlang zu bestaunen war, waren: ein nicht immer witziger Moderator in stilsicher-skurrilem Outfit, belanglose Sofagespräche, bekannte internationale und nicht so bekannte deutsche Stars (wie Svenja Jung, deren Namen Gottschalk nach wenigen Minuten vergaß), viel PR-Getöse, denn das jeweils neue Album, der neue Film, das neue Musical wollten beworben werden. Und natürlich Wetten, die Jugendliche eher grotesk denn spektakulär empfinden mussten. Alles in allem und im Jahr 2021: ziemlich cringe, also peinlich, um es mit dem aktuellen Jugendwort zu sagen.

    "Wetten, dass ..?": Jugendliche würden wohl sagen, die Show war "cringe". Dennoch war sie schön

    Dennoch war dieser „Wetten, dass ..?“-Abend ein wunderbarer Abend mit seiner Feier der Vergangenheit, seiner wohltuenden Harmlosig- und Langsamkeit.

    Gottschalk, der 2011 zum Ende seiner „Wetten, dass ..?“-Jahre gewohnt war, verrissen zu werden, wird jetzt gefeiert. Zu Recht! Nicht etwa, weil die Show so außergewöhnlich gewesen wäre mit ihrem Rezept „Kinder, Hunde, Wettstars“, wie es Gottschalk selbst in der Sendung metakritisch ansprach. Sondern, weil es ihm gelang, die Zeit zurückzudrehen. Ausgerechnet oder gerade ihm, dem bisweilen grummeligen 71-jährigen Showmaster-Dino, der mit der Gegenwart fremdelt und gleich zu Beginn erklärte, dass einem ab einem gewissen Alter vieles egal sein sollte.

    Thomas Gottschalk gelang es am Samstagabend mit "Wetten, dass ..?", die Zeit zurückzudrehen

    Diesem Gottschalk darf man nun ganz unironisch dafür danken, dass er dem corona- und irgendwie politikmüden Land eine kleine Pause vom Alltag schenkte. (Und Eltern um die 40 die einzigartige Möglichkeit, ihren Kindern ein prägendes eigenes Kindheitserlebnis etwas näherzubringen.)

    Und ist es nicht einfach nur schön, wenn ein netter Typ in papageienbuntem Polo-Shirt ein Millionenpublikum unterhält, indem er Dartpfeile auf eine Weltkarte wirft – auf der er Länder treffen soll, die er gar nicht sieht? Ist es nicht noch schöner, dass dieser nette Typ mit verlorener Wette dann Wettkönig wird? Und ja: Ist es nicht auch schön (und passend), dass Helene Fischer, begleitet von den ABBA-„B“s Björn und Benny, live deren Hit SOS singt? „Where are those happy days, they seem so hard to find“ – Ja, wo sind die glücklichen Tage, die so schwer zu finden scheinen?

    Es ist schlicht nicht möglich, diese "Wetten, dass ..?"-Heile-Welt zu konservieren

    Dieses Retro-Festival der Glückseligkeit – Einschaltquote und Marktanteil zeigen es – kam im richtigen Moment und hat offensichtlich ein Bedürfnis befriedigt. Doch so, wie es nicht möglich ist, die Vergangenheit zurückzuholen und zu konservieren, so ist es auch nicht möglich, diese „Wetten, dass ..?“-Heile-Welt fortzusetzen, wie es bereits Kommentatoren fordern und es ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler mit Blick auf die große Resonanz nicht ausschließt. Die Zeit von „Wetten, dass ..? und der Samstagabendunterhaltung, wie sie die Show verkörpert, ist vorbei.

    Vielmoderierer Gottschalk sollte bei seinem Nein zu einer Fortsetzung bleiben. Er hat sich selbst ein riesiges Geschenk gemacht: einen „Wetten, dass ..?“-Abgang mit Würde. Denn das war sein Ausscheiden, überschattet vom Unfall Samuel Kochs, einst nicht.

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