Die Zahl der katholischen Priesterweihen in Deutschland verharrt auf einem historischen Tiefstand und facht unter Gläubigen die Debatte um Frauen in kirchlichen Ämtern neu an. Laut einer Erhebung unserer Redaktion in allen 27 deutschen Bistümern finden in diesem Jahr bundesweit insgesamt nur 57 Priesterweihen statt. Das ist die zweitniedrigste Neupriester-Zahl in der Geschichte der Bundesrepublik, nachdem sie vergangenes Jahr mit 55 einen historischen Negativrekord erreicht hatte. In den vergangenen 20 Jahren sank die Zahl damit um 64 Prozent, nachdem die im Jahr 2000 die Kirche noch 154 Weihen sogenannter Weltpriester außerhalb von Orden feiern konnte.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) nennt die Entwicklung alarmierend. „Im vergangenen Jahr kam auf elf ausscheidende Priester eine Neuweihe - wenn man das weiter rechnet, sieht man, in welche Katastrophe das münden wird“, sagte ZDK-Präsident Thomas Sternberg unserer Redaktion. „Wir bräuchten 200 oder 300 Priesterneuweihen jedes Jahr – doch davon sind wir ganz weit entfernt“, betonte er. Der Vorsitzende der katholischen Laienorganisation fordert, die Zugangsbedingungen zum Priesteramt zu ändern und auch für Frauen und verheiratete Männer, sogenannte Viri probati, zu öffnen: „Wir brauchen viri probati, wir brauchen auf Dauer auch das Frauenpriestertum und der Beruf selbst muss wieder attraktiver werden.“
Schon früher angezählt: Bischof Bertram Meier verweist auf die Geschichte der Kirche
Der neue Augsburger Bischof Bertram Meier will künftig mehr für das Priesteramt werben: „Wir müssen den Mut haben, unaufdringlich und doch gezielt junge Menschen anzusprechen“, sagte er unserer Redaktion. Glaubwürdige Vorbilder und Berufungskümmerer in den Gemeinden könnten helfen, dass sich junge Menschen für diesen Beruf wieder mehr interessieren. Er fügte jedoch hinzu: „Berufungen lassen sich nicht machen.“ Von einer Katastrophe will Meier nicht sprechen. Er verwies auf die Kirchengeschichte, in der es immer schon Phasen gegeben habe, „in denen die Kirche angezählt wurde. Doch Totgesagte leben am längsten“.
Bis Ende Juni fanden der Redaktion zufolge bundesweit erst 25 Weihen von Weltpriestern statt, nachdem viele wegen der Corona-Pandemie verschoben wurden. So wurde im Bistum Würzburg etwa die einzige Neuweihe eines Priesters in den Oktober gelegt. Andere (Erz-)Bistümer – darunter Freiburg, Fulda, Mainz, Paderborn und Osnabrück – planten ebenfalls mit Terminen im Herbst. Voraussichtlich gar keine Priesterweihe wird es der Umfrage der Redaktion zufolge in diesem Jahr in den Bistümern Aachen, Erfurt, Görlitz und Hildesheim geben.
Das vollständige Interview mit dem neuen Augsburger Bischof Bertram Meier lesen Sie hier: Herr Bischof, was tun Sie gegen Priestermangel?
Lesen Sie dazu auch einen Kommentar: Kirche braucht mehr Miteinander
Wie aus dem SEK-Beamten Marco Leonhart ein katholischer Priester wurde
Carolin Kebekus knöpft sich erneut die Kirche vor
Bayern laufen den Kirchen davon: Austrittszahlen auf Rekordhoch
Eichstätter Finanzskandal: Bistum verbucht Millionen-Rückzahlung
- Wie aus dem SEK-Beamten Marco Leonhart ein katholischer Priester wurde
- Carolin Kebekus knöpft sich erneut die Kirche vor
- Bayern laufen den Kirchen davon: Austrittszahlen auf Rekordhoch
- Eichstätter Finanzskandal: Bistum verbucht Millionen-Rückzahlung
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.