Wenn man Kirchenvertreter in Freiburg in diesen Tagen ärgern will, muss man sie nur nach Georg Gänswein fragen. Im Ordinariat der Erzdiözese zum Beispiel reagieren Mitarbeiter zunehmend genervt. Die von Papst Franziskus angeordnete Rückkehr des ehemaligen Kurienerzbischofs, der sich mit dem Kirchenoberhaupt überwarf und seit Ende Februar nicht mehr Präfekt des Päpstlichen Hauses ist, ist bundesweit ein Thema. Alles, was Gänswein tut, nicht tut oder zu tun wünscht, scheint berichtenswert. Was macht, wo wohnt, wohin reist Gänswein? Mit Meldungen darüber lassen sich mittlerweile Bände füllen. Die neueste Nachricht: Gänsweins Umzug von Rom sei für diesen Freitag geplant. Darauf hätten Halteverbotsschilder vor dem Eingang eines Gebäudes hingedeutet, vermeldete die Katholische Nachrichten-Agentur.
"Die Rückkehr von Erzbischof Gänswein ist seine private Sache", sagte noch vor zwei Wochen ein Sprecher der Erzdiözese und verwies darauf, dass er deshalb nichts sagen könne. Er klang verärgert. Denn eigentlich gehe es um anderes, um Kirchenentwicklung, den Missbrauch, die Finanzen. Andererseits: Auch wenn Gänswein, der 1956 in Waldshut in Baden-Württemberg geboren wurde und lange Privatsekretär von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. war, als Privatmann ohne Dienstwagen vorfahren wird – so ist er doch eine öffentliche Person. Zumal sich sein künftiger Wohnsitz in einer prominenten Liegenschaft der katholischen Kirche befindet: im Collegium Borromäum, dem Priesterseminar der Erzdiözese, das aus Kirchensteuermitteln finanziert wird.
Ist es angemessen, dass Gänswein privilegierte Räume in Freiburg erhält?
Dass er dort die Wohnung des Direktors beziehen wird, sorgt für Naserümpfen, selbst im Klerus. Es gibt Stimmen, die ein Appartement dieses Zuschnitts und mit 150 Quadratmetern Wohnfläche für einen Privatmann für überdimensioniert halten. Es sei nicht angemessen, dass ein Vorruheständler diese privilegierten Räume in der Innenstadt erhalte, heißt es.
Geklärt ist indes seine Besoldung, die sogar Menschen umtreibt, die längst keine Kirchensteuer mehr entrichten. Sie sorgen sich, dass Gänswein der Erzdiözese auf der Tasche liegen könnte. Diese Sorge kann deren Personalchef Michael Hauser entkräften. Er weist darauf hin, dass Gänswein bereits bisher von Freiburg unterstützt wurde. Üblich sei dieses Verfahren: Da der Vatikan deutlich schlechter bezahlt als die deutsche Kirche, wird der verminderte Verdienst ausgeglichen. Das Heimatbistum Freiburg legt drauf, damit sich der nach Rom entsandte Geistliche nicht schlechter stellt. Diese Regelung, sagt Hauser, sei allgemein üblich, wenn man gute Leute wie den Kirchenjuristen Gänswein nach Rom delegiere. Wie hoch seine monatlichen Bezüge künftig seien? Das sei Privatsache, sagt Hauser.
Keine Privatsache ist dagegen der zukünftige Platz des Rückkehrers im kirchlichen Organigramm. Formell ist er Stephan Burger gleichgestellt. Beide sind Erzbischöfe, sie haben denselben Weihegrad. Doch damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten. Burger ist Erzbischof von Freiburg, seine Pfarrer sind zum Gehorsam verpflichtet. Gänswein dagegen ist Erzbischof dem Titel nach, verfügt über keinen Mitarbeiter, keinen Apparat. Er ist ein Hirte ohne Herde – seine Diözese steht nur auf dem Papier, längst ist sie untergegangen.
Georg Gänswein: Der Mann aus Rom wird sein eigener Herr sein
Georg Gänswein ist außerhalb des Gefüges der Erzdiözese zu verorten. Durch seine Bischofsweihe durch Papst Benedikt XVI. im Jahr 2013 verließ er den Verband der Priester der Erzdiözese automatisch. "Mit dem Empfang der Bischofsweihe scheidet ein Priester aus dem alten Inkardinationsverband aus", bestätigt Personalchef Hauser. Heißt: Burger kann seinem prominenten Kollegen keine Anweisung erteilen – er kann ihn bloß bitten. Der Mann aus Rom wird sein eigener Herr sein. Einer, der mit dem eher liberalen Katholizismus in Baden und anderen deutschen Regionen wenig anfangen kann. Das hat er mehrfach kundgetan. Einige katholisch-konservative Katholiken hofften daher, dass er Sitz und Stimme in der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erhält – und dort den Einfluss dieses Flügels stärkt. Jedoch: In der DBK sind nur Orts- und Weihbischöfe vertreten, Gänswein wird es nicht sein.
Während hohe Geistliche in Freiburg seiner Rückkehr mit gemischten Gefühlen entgegensehen, versteht man die Aufregung in der Fläche offenbar nicht so recht. Engagierte Katholikinnen und Katholiken beschäftigen sich mit ihrer Pfarrgemeinde, der nächsten Firmung und anstehenden Sanierungen. Ein Sprecher der Erzdiözese sagt: "Natürlich reden auch unsere Mitglieder über die Personalie. Aber nach meinem Eindruck interessiert Georg Gänswein vor allem Menschen außerhalb der katholischen Kirche."