An Karneval 1988 wird in der Kölner Altstadt eine junge Frau ermordet - nun gibt es das Urteil: lebenslange Haft. "Wir sind überzeugt davon, dass Sie vor 36 Jahren den Mord begangen haben", sagt die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann zu dem Angeklagten im Kölner Landgericht. "Möglicherweise haben Sie die Tat verdrängt - vergessen haben Sie sie nicht."
Jahrzehntelang blieb der "Kölner Karnevalsmord" unaufgeklärt. Doch dann rollt die Polizei den "Cold Case" wieder auf und stellt ihn in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY...ungelöst" vor. Die Hoffnung der Ermittler: Dass sich irgendjemand meldet, der etwas weiß, und dies - warum auch immer - bislang für sich behalten hat. Und tatsächlich ruft kurz darauf ein Zuschauer an und nennt einen Namen: Sein früherer Freund sei der Frau in der Tatnacht gefolgt und habe sich anschließend verdächtig verhalten, indem er zum Beispiel sein Aussehen verändert habe.
Dieser Mann, zur Tatzeit ein junger Kleinkrimineller, sitzt jetzt auf der Anklagebank und lauscht leicht vorgebeugt den Worten der Richterin. Inzwischen ist er 57 Jahre alt, gesundheitlich angeschlagen und schon lange nicht mehr vorbestraft - was aber seine Schuld nicht mindert, wie Grassmann betont.
Mord aus niedrigen Beweggründen
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Deutsche sein Opfer, das zu Fuß auf dem Weg von einer Disco zu einer anderen war, in der Nacht zum Karnevalssonntag hinterrücks angegriffen und zu Boden gerissen. Laut Urteil drosselte er die 24-Jährige mit ihrer Halskette, dann trat und stampfte er auf sie ein und fügte ihr massivste Verletzungen zu. Er stahl ihren Biene-Maja-Brustbeutel mit 100 D-Mark darin und flüchtete. Eine Passantin fand die Tote am Morgen hinter einem Imbissstand am Rande der Karnevalszugstrecke - während des Abtransports der Leiche zogen die Schull- und Veedelszöch am Fundort vorbei.
Als Mordmerkmal geht die Kammer von niedrigen Beweggründen aus: Der Angeklagte habe vorwiegend aus sexuellen Motiven gehandelt und vielleicht außerdem auf Geld gehofft.
DNA-Spuren
Neben der Aussage des früheren Freundes stützt sich das Gericht vor allem auf DNA-Spuren, die an der Kleidung der Leiche sichergestellt worden waren. Von 14 heute noch auswertbaren Hautschuppen seien sechs dem Angeklagten zuzuordnen - die anderen stammten alle von unterschiedlichen Personen. Die These der Verteidiger, wonach das Genmaterial bereits vor der Tat in der Disco von Jacke zu Jacke übertragen worden sein könnte, sei schon aufgrund der Lage der Spuren nicht stichhaltig: Die DNA fand sich genau an den Stellen, wo der Mörder sein Opfer gepackt hatte.
Die Tochter der Toten war zur Tatzeit erst 18 Monate alt. Für sie sei das Urteil sicherlich eine Erleichterung, sagte Grassmann. "Die Tat hat ihr ganzes Leben geprägt." Die Frau war Nebenklägerin im Prozess und verbarg ihr Gesicht bei der Urteilsverkündung hinter einer großen Sonnenbrille. Der Angeklagte hat die Tat in dem Prozess bestritten. Nach Angaben seines Verteidigers wird er gegen das Urteil Revision einlegen.
(Von Petra Albers, dpa)