Fast anderthalb Jahre lang hat es mit Ausnahmen in Norditalien nur sehr wenig geregnet. In den vergangenen Wochen fielen endlich die ersehnten Niederschläge. Die Trockenperiode scheint erst einmal vorbei zu sein. Lange waren die Pegel der norditalienischen Flüsse und Seen auf Tiefstand, nun haben sie sich etwas erholt.
Der Regen ist zunächst eine gute Nachricht. In den Einzugsgebieten des Lago Maggiore und des Comer Sees kamen in den vergangenen Tagen 40 bis 80 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter zusammen. Die Pegel der Seen stiegen deutlich. Das hat einerseits mit den Niederschlägen zu tun. Die Behörden drosselten die Abflüsse aus den Seen jedoch auch erheblich. Nur vom Gardasee wird weiter ein Tiefststand gemeldet. In seinem Einzugsgebiet fiel weniger Regen als beispielsweise im Piemont oder in der Emilia Romagna.
Am Gardasee wurde zuletzt der niedrigste Wasserstand seit Messbeginn im Jahr 1951 gemessen. Das Problem waren seit über einem Jahr ausbleibende Regenfälle. Dazu fiel in den vergangenen beiden Wintern kaum Schnee, der dann bei der Schmelze die Wasserläufe und Seen hätte füllen können. Am Gardasee hat der Tiefstand zum Beispiel zur Folge, dass Spaziergängerinnen und Spaziergänger zu Fuß die Insel San Biagio bei Manerba erreichen können. Am Sonntag inszenierten Demonstranten die Klimaschutz-Gruppe Extinction Rebellion eine „Beerdigung des Gardasees“. Sie wollten mit ihrem Trauerzug auf den Wassermangel am Gardasee aufmerksam machen.
Dürre in Italien: Landwirtschaftsverband kritisiert mangelnde Vorsorge
Ein ganz anderes Bild zeigte sich zuletzt Tagen in der Emilia-Romagna und im Piemont. Heftige Regenfälle führten örtlich zu Überschwemmungen. In den Alpen fielen an einigen Orten bis zu 40 Zentimeter Neuschnee, allerdings erst ab einer Höhe von 2500 Metern. Der Pegel des Lago Maggiore stieg um rund 20 Zentimeter an. Auch am Oberlauf des Po stiegen die Pegel.
Der Landwirtschaftsverband Coldiretti kritisierte dennoch die mangelnde Vorsorge im Norden. "Wir brauchen Stauseen, um das in den Flüssen angeschwemmte Wasser speichern zu können", sagte dessen Präsident Bruno Mecca Cici. "Dann wäre die Ernte im Sommer gesichert." Die italienische Regierung hatte bereits 2021 3,5 Milliarden Euro zum Bau von 10.000 Staubecken bereitgestellt. Von denen waren bis vor Kurzem aber erst gut 200 fertiggestellt.
Extremer Wassermangel: Der Gardasee ist noch nicht über den Berg
Die Überschwemmungen in der Emilia Romagna richteten teilweise auch erhebliche Schäden an. Wie es außerdem hieß, sind die Wasserreserven weiterhin nicht ausreichend für den Sommer. "Der große Fluss, aus dem wir unsere Reserven für den Anbau schöpfen, ist der Po und sein Pegelstand ist nur um ein paar Meter gestiegen", sagte Michele Solmi von der Agrarbehörde Bonifica Renana. "Der Pegel liegt immer noch unter dem Durchschnitt." Solmi sagte, er rechne mit einem nur vorübergehenden Anstieg des Pegels und erwarte in den kommenden Wochen erneut einen Rückgang.
Solmi zufolge ist für die Landwirtschaft in der Po-Ebene der Wasserstand in den großen Seen des Nordens entscheidend, am Lago Maggiore, dem Lago d'Iseo sowie am Gardasee. "Der Lago Maggiore und der Lago d'Iseo füllen sich gut. Am meisten Sorgen bereitet uns der Gardasee, er liegt immer noch bei 40 bis 50 Prozent unter seinem durchschnittlichen Wasserstand." Um den Gardasee wieder auf seinen jahreszeitlichen Mittelwert zu bringen, wären weitere Regenfälle notwendig. Massimiliano Pasqui, Klimatologe vom italienischen Forschungsinstitut CNR sagte dem Corriere della Sera: "Wir brauchen konstanten Regen, aber nicht zu intensiv, weil er sonst nicht versickern kann." Etwa 50 Tage Regen wären notwendig. Davon ist Norditalien aber noch weit entfernt.