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Italien: Nach 25 Jahren Haft: Mafia-Killer Giovanni Brusca kommt frei

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Nach 25 Jahren Haft: Mafia-Killer Giovanni Brusca kommt frei

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    Giovanni Brusca im Mai 1996, begleitet von Polizeibeamten einer italienischen Anti-Mafia-Einheit.
    Giovanni Brusca im Mai 1996, begleitet von Polizeibeamten einer italienischen Anti-Mafia-Einheit. Foto: Franco Lannino, dpa

    Die Bilder vom Attentat in Capaci haben sich in das kollektive Gedächtnis Italiens eingebrannt: die von einer 500-Kilo-Bombe verwüstete Straße, die Wracks der Autos bei Palermo. Fünf Menschen starben bei diesem Anschlag der sizilianischen Mafia im Februar 1992, der Ermittlungsrichter Giovanni Falcone und seine Frau sowie drei Leibwächter. Der Mann, der damals den Bombenauslöser auf einer Fernbedienung drückte, verließ nun nach 25 Jahren Haft am Montag das Gefängnis Rebibbia in Rom: Giovanni Brusca, der „Killer von

    150 Morde sollen auf das Konto des Mafia-Killers Giovanni Brusca gehen

    Brusca war nicht nur operativer Arm des Oberbosses der Cosa Nostra, Toto Riina aus Corleone, sondern auch besonders grausam. 150 Morde sollen auf sein Konto gehen. Nachdem der heute 64-Jährige vier Jahre nach dem Attentat von Capaci gefasst wurde, konnte er sich an die vielen Gewalttaten gar nicht mehr im Detail erinnern, berichteten Ermittler. Auch angesichts dessen diskutiert man jetzt in Italien: Darf so jemand überhaupt wieder in Freiheit kommen?

    Das sind die mächtigsten Mafia-Organisationen

    Camorra Sie beherrscht Neapel und die Region Kampanien, ist aber auch in zahlreichen europäischen Staaten und den USA aktiv. Ihre Geschäfte reichen von Drogenhandel über Giftmüllverschiebungen bis zu Falschgeldgeschäften. Verfeindete Clans lieferten sich immer wieder blutige Kämpfe.

    ’Ndrangheta Die Organisation Gaetano Blascos hat ihre Wurzeln in Kalabrien und gilt als eine der mächtigsten Verbrechergruppen der Welt. Milliardenumsätze macht sie vor allem mit Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche und Erpressungen. Die ’Ndrangheta hat mehrere tausend Mitglieder, die in Clans organisiert sind. Italienischen Medienberichten zufolge verfügte oder verfügt der Grande-Aracri-Clan über eine eigene Zelle in Augsburg. Bei der Geldwäsche spielt Deutschland eine strategische Rolle für die ’Ndrangheta.

    Cosa Nostra Sie ist der älteste und am weitesten verbreitete Zweig der sizilianischen Mafia. Die „ehrenwerte Gesellschaft“, wie sie sich selbst nennt, ist hierarchisch strukturiert. Anfang des 20. Jahrhunderts fasste sie auch in den USA Fuß. Die Cosa Nostra betreibt unter anderem legale Unternehmen, über die gewaschenes Geld reinvestiert wird. Speziell nach Attentaten auf Richter in den 90ern ging der italienische Staat verschärft gegen sie vor. Viele Bosse sitzen im Gefängnis.

    Neben den Morden von Capaci bewegt vor allem ein weiteres Delikt die Gemüter: Brusca war verantwortlich für die Entführung und Ermordung des elfjährigen Giuseppe Di Matteo. Dessen Vater war ebenfalls am Attentat 1992 beteiligt, arbeitete dann aber mit der Justiz zusammen. Aus Rache entführte die Cosa Nostra seinen Sohn; Brusca löste dessen Leiche in Säure auf.

    Weil Mafioso Brusca mit der Justiz zusammenarbeitete, bekam er keine lebenslange Haft

    Doch auch Brusca, Sohn eines lokalen Mafiabosses aus San Giuseppe Jato bei Palermo, kooperierte mit den Behörden. In einigen Prozessen sagte er aus, große Teile des heutigen Wissens von Ermittlern und Justiz über die Cosa Nostra gehen auf seine Aussagen zurück – einschließlich Details zu den geheimen Verhandlungen, die der italienische Staat mit der Mafiaorganisation führte. Giovanni Brusca wurde damit zum bekanntesten „Pentito“ des Landes – zu einem Kronzeugen, der zwischen allen Stühlen sitzt.

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    Die Justiz erkennt seine Mitarbeit an. Sie ist der Grund dafür, dass er keine lebenslange Haftstrafe erhielt und nach 25 Jahren in die Freiheit entlassen wurde. Vier Jahre lang soll Brusca gemäß einem Gerichtsbeschluss noch überwacht werden. Als Mafia-Kronzeuge ist er hochgefährdet und steht unter Zeugenschutz. 2002 heiratete er seine Lebensgefährtin im Gefängnis, das Paar hat einen Sohn. Er und seine Familie haben viel zu verlieren.

    Die Freilassung des Mafia-Killers ist in Italien sehr umstritten

    Dennoch ist die Freilassung Bruscas umstritten – ungeachtet dessen, dass er Jahrzehnte im Gefängnis zubrachte und die italienische Verfassung den Versuch der Resozialisierung von Tätern festschreibt. Zumal auch der Kassationsgerichtshof lebenslange Haft kürzlich als verfassungswidrig einstufte. Politiker wie Matteo Salvini von der rechten Lega kommentierten die Freilassung mit ähnlichen Worten: „Das ist nicht die Gerechtigkeit, die Italien verdient.“ Auch Angehörige von Bruscas Opfern reagierten unmissverständlich. Rosaria Schifani, Ehefrau des in Capaci ermordeten Leibwächters Vito Schifani, sagte: „Gerade haben wir noch den Jahrestag des Attentats von Capaci mit dem Staatspräsidenten begangen, acht Tage später wird der Mörder nach Hause geschickt, der die Bombe zündete und ein Kind in Säure auflöste.“

    Rosaria Schifani hatte bei der Trauerfeier 1992 in einem herzerweichenden Appell die Täter zur Umkehr aufgerufen und ihnen Vergebung in Aussicht gestellt. „Aber dafür müsst ihr niederknien und euch ändern“, flehte sie sie damals an. Doch dass die Täter sich geändert hätten – das sei aus ihrer Sicht nie geschehen. „Er hat nur kollaboriert, um Vorteile zu bekommen, Ausgänge, Ferien. Das ist schäbig“, sagte die Witwe des Leibwächters Vito Schifani über den Mafia-Killer Giovanni Brusca. Eine wirkliche innere Umkehr sei nie erfolgt.

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