Mauro Di Vito kommt gerade aus einer Videokonferenz mit dem italienischen Zivilschutz. Jeden Dienstag besprechen die Experten die Lage des im Westen Neapels befindlichen "Super-Vulkans". Neapel ist eigentlich für den Vesuv bekannt, doch die Phlegräischen Felder, die "brennenden" Felder, wie sie griechische Siedler ein halbes Jahrtausend vor Christus tauften, sorgen für immer größere Unruhe.
In den vergangenen zwölf Monaten registrierte das im Stadtteil Fuorigrotta von Neapel angesiedelte Vesuv-Observatorium 4488 Erdstöße, im Juni waren es alleine 880. Aber Di Vito, Direktor des an das Nationale Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) angeschlossenen Observatoriums, mahnt am Telefon zur Ruhe: "Es gibt keinen Grund für Alarmismus", sagt er.
Drohender Super-Vulkanausbruch: Erst am Montag gab es eine Informationsveranstaltung
Allerdings hat es der Untergrund im Westen Neapels zweifellos in sich, weil in der Tiefe eine 40 Kilometer breite Magmakammer schlummert. Ob und wann heiße Flüssigkeit an die Oberfläche drängt, ist die entscheidende Frage. Am Montag veranstaltete das INGV zusammen mit dem Zivilschutz und den anliegenden Gemeinden eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung. "Wir haben keine wissenschaftlich fundierten Hinweise auf einen bevorstehenden Ausbruch", sagte der 63 Jahre alte Di Vito auch dort.
Wer sich vom Fußballstadion des SSC Neapel in Pozzuoli in Richtung Westen bewegt, der kann die Phlegräischen Felder bereits riechen: Schwefel. Bekannt ist die sogenannte Solfatara, einer der rund 50 Krater, der sich nach dem letzten Groß-Ausbruch des Vulkans vor rund 40.000 Jahren bildete. Besucherinnen und Besucher sehen hier eine Mondlandschaft, die Erde ist gelblich gefärbt.
Einem Vulkanausbruch ginge das Aufsteigen von Magma voraus. Gibt es dafür Anzeichen?
Vor elf Jahren hatten Vulkanologen eine Veränderung des Untergrunds festgestellt. "Die Phlegräischen Felder sind seither in unrest, also Unruhe", erklärt Di Vito. Nun haben die Zunahme von leichten Erdbeben, Bodenverformungen, aber vor allem wissenschaftliche und journalistische Veröffentlichungen den Fokus wieder auf sie gelenkt. "Unsere Messungen, die wir verstärkt haben und rund um die Uhr machen, geben keine Anzeichen für eine Veränderung des Vulkansystems", beruhigt er. Einem Ausbruch jedenfalls ginge das Aufsteigen von Magma voraus, und dafür gebe es derzeit keine Anzeichen. Und doch bewegt sich die Erde, 15 Millimeter pro Monat. Messungen in der Altstadt von Pozzuoli ergaben seit 2005 eine Erhebung des Bodens um einen Meter.
In wöchentlichen Sitzungen entscheidet der Zivilschutz auf Basis wissenschaftlicher Daten, ob eine höhere Alarmstufe ausgerufen werden muss. 2012 wurde sie von Grün auf Gelb angehoben. Orange hätte zur Folge, dass etwa eine Million Menschen, die von einem Ausbruch betroffen wären, zum Verlassen der Gefahrenzone aufgefordert würden. Die höchste Alarmstufe Rot würde eine Zwangsevakuierung bedeuten. Nicht auszudenken, welche Folgen das wiederum hätte: Die Umgehungsstraße von Neapel ist schon im täglichen Berufsverkehr chronisch verstopft.
Bei der Infoveranstaltung am Montag sprachen die Experten von einer langfristigen Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs, die bei elf Prozent liege; eine "kleinere" Eruption habe eine Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent. Die Folgen einer "kleinen" Eruption waren zuletzt im Jahr 1538 zu sehen. Nach dem Ausbruch entstand ein neuer Berg, der Monte Nuovo. Die Rede ist von einer "plinianischen Eruption", benannt nach Plinius dem Jüngeren, der 79 nach Christus die Zerstörung von Pompeij und Herculaneum beim Ausbruch des Vesuvs beobachtete. 1538 versank das Dorf Tripergole im Golf von Neapel. Die letzte "Super-Eruption" der Phlegräischen Felder wird hingegen um das Jahr 39.000 vor Christus datiert.