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Italien: Der Fall Chiara Ferragni: Ist die Influencerin eine Hochstaplerin?

Italien

Der Fall Chiara Ferragni: Ist die Influencerin eine Hochstaplerin?

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    Internet-Influencerin Chiara Ferragni hat gewaltigen Ärger mit der Justiz – und nicht nur mit ihr.
    Internet-Influencerin Chiara Ferragni hat gewaltigen Ärger mit der Justiz – und nicht nur mit ihr. Foto: Calanni/AP, dpa

    Dies ist eine Geschichte über drei Frauen. Die eine, Chiara Ferragni, hat mit Instinkt ein Imperium geschaffen. Die andere, Selvaggia Lucarelli, eine Journalistin, auch sie eine Königin in den sozialen Netzwerken, hat erstmals auf die Problematik des Geschäftsmodells von Italiens berühmtester Influencerin hingewiesen. Und dann wäre da noch die Dritte, Giorgia Meloni. Sie ist italienische Ministerpräsidentin. Ihr Kabinett wird an diesem Donnerstag über den Fall Ferragni beraten und Regeln aufstellen, die künftig verhindern sollen, was sich in den letzten Wochen zu einem Skandal entwickelte.

    Man muss bei Ferragni beginnen, sie wurde in Cremona geboren, ist heute 36 Jahre alt. 2009 begann sie mit einem Mode-Blog, The Blonde Salad, in dem sie über Kleidung und Accessoires schrieb und so Eintritt bekam in die Welt der Marken und Produkte. Der Blog wurde so oft gelesen, dass sie bald eigene Kollektionen lancierte. Die Frau machte sich durch geschickte Aktionen selbst zur Marke, ihr Jurastudium in Mailand gab Ferragni auf. 29,4 Millionen Follower hat die Italienerin auf Instagram, sie bezeichnet sich als digitale Unternehmerin und „eine der weltweit bekanntesten Ikonen der Italianità“.

    Auch Ferragnis Kinder werden regelmäßig in den sozialen Netzwerken präsentiert

    Ferragnis junge Geschichte ist auch die Geschichte der Macht der sozialen Netzwerke, es geht hier um Äußerliches, um Optik und Produkte. Teil der Show ist auch Ferragnis Familie. Seit 2018 ist sie mit dem italienischen Rapper Fedez verheiratet. Auch die beiden gemeinsamen Kinder werden regelmäßig in den sozialen Netzwerken präsentiert. Auf Amazon Prime gibt es eine eigene TV-Serie über das Paar. Alles wurde immer größer, der Umsatz wuchs. 100 Millionen Euro sollen die beiden Ferragni-Firmen inzwischen jährlich umsetzen. Wer in Italien ein Produkt vermarkten will, der träumt von Chiara Ferragni.

    Den Wendepunkt markierte dann Selvaggia Lucarelli. Auch sie eine Bloggerin, kritisch jedoch, überaus aktiv in den sozialen Netzwerken (1,3 Millionen Follower auf Instagram). Bereits im Dezember vor einem Jahr wies Lucarelli in einem Zeitungsartikel auf fragwürdige Praktiken Ferragnis hin. Ein Jahr später verhängte die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM eine Strafe von einer Million Euro gegen Ferragnis Unternehmen. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Mailand wegen schweren Betrugs. Das Märchen von der unaufhaltsamen jungen Frau, der in den sozialen Medien präsentierten heilen Welt, bekam Risse. Ist die junge Senkrechtstarterin, die in einem Zehn-Millionen-Euro-Loft mit 27 Zimmern in Mailand wohnt, in Wahrheit eine Hochstaplerin?

    Ferragnis Werbeaktivitäten waren außer Rand und Band geraten, der Profit stand mehr und mehr im Vordergrund und nicht die Transparenz. In Ferragnis Namen und mit großzügiger Honorierung hatte die Süßwaren-Firma Balocco Pandoro genannte Weihnachtskuchen verkauft und zu verstehen gegeben, von dem Erlös ginge ein Teil an ein Turiner Kinderkrankenhaus. In Wahrheit hatte die Firma

    Die Staatsanwaltschaft vermutet im Fall Ferragni "schweren Betrug"

    Auch zwei weitere Fälle stehen nun im Fokus der Justiz. Zu Ostern 2021 und 2022 verkaufte der Süßigkeiten-Hersteller Dolci Preziosi große Schokoladen-Ostereier in Ferragnis Namen. Auch hier dasselbe Muster. Eine Hilfsorganisation für autistische Kinder war im Vorhinein mit 36.000 Euro gefördert worden, Ferragni bekam 1,2 Millionen Euro. Wieder seien die Konsumenten getäuscht worden, meinen Verbraucherschützer. Dasselbe geschah auch beim Vertrieb einer Ferragni nachempfundenen Puppe namens „Trudi“. Inzwischen haben Coca-Cola und ein Sonnenbrillenhersteller ihre Werbekampagnen mit Ferragni gekündigt.

    Ob es sich bei dem Verhalten wirklich um „schweren Betrug“ handelt, wie die Mailänder Staatsanwaltschaft vermutet, ist fraglich. Ferragni sprach von Missverständnissen und Fehlern in der Kommunikation. Sie habe „immer guten Glaubens gehandelt und vollstes Vertrauen in die Justiz“. Nun ist die Politik an der Reihe. An diesem Donnerstag diskutiert das Kabinett Meloni einen Gesetzentwurf. Um Fälle wie den Ferragnis künftig zu verhindern, soll unmissverständlich klargestellt werden, welchen wohltätigen Zweck und in welchem Umfang Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Kauf eines Produktes begünstigen.

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