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Interview: Wettermoderatorin Katja Horneffer: "Die Extreme nehmen zu"

Interview

Wettermoderatorin Katja Horneffer: "Die Extreme nehmen zu"

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    Katja Horneffer würde sich mehr Zeit für den TV-Wetterbericht wünschen. Im "heute-journal" hat sie dafür 1,30 Minuten Zeit.
    Katja Horneffer würde sich mehr Zeit für den TV-Wetterbericht wünschen. Im "heute-journal" hat sie dafür 1,30 Minuten Zeit. Foto: Torsten Silz, ZDF

    Frau Horneffer, werden Wettervorhersagen durch den Klimawandel schwieriger?

    Katja Horneffer: Diese Frage wird mir recht oft gestellt. Ich antworte immer: Wetterprognose hat eigentlich wenig mit Klimawandel zu tun.

    Eigentlich?

    Horneffer: Wettervorhersagen sind immer dann schwierig, wenn es besondere Wetterlagen gibt, zum Beispiel Nebel. Da kommt es auf ein Zehntelgrad Celsius an, ob sich der Nebel auflöst oder nicht. Herausfordernd sind außerdem Gewitterlagen. Hierbei kann kein Modell – und damit auch wir Meteorologinnen und Meteorologen nicht – völlig korrekt vorhersagen, wie Gewitter ziehen und wie kräftig sie werden. Aber das gilt weniger für große Gewittercluster, sondern eher für kleine, lokale Gewitter mit einem Durchmesser von vielleicht einem bis fünf Kilometern. Die schlagen schon mal Haken oder können den Südteil einer Stadt treffen und den Nordteil nicht.

    In einem Papier des Deutschen Wetterdienstes zum Extremwetterkongress 2022 heißt es: Infolge der globalen Erwärmung komme es zu starken Veränderungen bei extremen Wetterereignissen. Diese treten demnach in Gebieten auf, in denen sie bisher nicht aufgetreten sind. Zudem wird eine Zunahme von Hitzewellen beobachtet. Das erschwert Ihre Arbeit nicht?

    Horneffer: Zunächst einmal bedeutet die globale Erderwärmung, dass wir insgesamt ein höheres Temperaturniveau beobachten. Das wiederum bedeutet, dass wir häufiger Extremwetterereignisse wie Hitzewellen feststellen. Diese kommen früher, wie wir im April gesehen haben, in dem es in Spanien, Portugal, Marokko und Algerien bereits überaus heiß war. Sie betreffen größere Regionen, dauern länger an, treten häufiger auf – und werden jeweils heißer. All das lässt sich für uns Meteorologen jedoch mit unseren Wettermodellen gut prognostizieren. Man kann also sagen: Der Klimawandel macht die Wettervorhersage nicht schwieriger – aber wir haben es verstärkt mit der Vorhersage von

    Zu denen Starkregen, massive Gewitterzellen und Überschwemmungen zählen.

    Horneffer: Und das sind eher lokale Ereignisse. Doch selbst im Falle der Ahrtal-Katastrophe konnten wir etwa eine Woche vorher sehr gut absehen, wie viel Regen dort runterkommen wird. Kleinere Unsicherheiten sind dabei immer möglich, denn Wetter ist ein chaotisches System.

    Die Wettermodelle, auf die Sie zurückgreifen, halten mit den sich häufenden Extremwetterereignissen Schritt?

    Horneffer: Ja, und sie sind immer besser geworden, allein, weil die Computer leistungsfähiger wurden. Wir betrachten beim ZDF übrigens verschiedene Wettermodelle und erstellen aus der Zusammenschau unsere Prognose für den nächsten Tag.

    Viele Menschen haben den Eindruck: Das Wetter spielt verrückt. Gerade dieser Sommer dient ihnen als Beispiel: Enorm hohe Temperaturen wechselten sich in Deutschland mit Wochen ab, in denen es teils stark regnete und es massive Unwetter gab.

    Horneffer: Der Sommer, den wir dieses Jahr hatten, war ein relativ typischer mitteleuropäischer Sommer. Er war ein Sommer, wie wir ihn früher in Deutschland kannten.

    Wie bitte?

    Horneffer: Typisch war der Wechsel von sonnigeren und regnerischeren, windigeren sowie kühleren Phasen. Wie in diesem Sommer. Doch das ist in Vergessenheit geraten angesichts einer Reihe von Sommern, die in den vergangenen Jahren in der Tat zu heiß und zu dürr waren. Diese waren vorerst noch die Ausnahmen im langjährigen Mittel.

    Und die Hitzewellen, die Temperaturrekorde 2023?

    Horneffer: Die gab es ja nicht in Deutschland, sondern im europäischen Ausland, und in vielen Fällen lassen sie sich sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Klimawandel zurückführen. Denken Sie an Norditalien, wo kürzlich ein Hagelkorn mit einem Durchmesser von 19 Zentimetern registriert wurde – das war Europarekord! Wie gesagt: Die Extreme nehmen zu und das regional unterschiedlich.

    Wie genau verändert das Ihre Arbeit vor der Kamera? Mit der bloßen Ansage der Temperaturen ist es ja längst nicht mehr getan …

    Horneffer: Das stimmt. Die Kunst ist es, komplexe Zusammenhänge eindrücklich zu erklären, dass es für das Publikum attraktiv und verstehbar ist und zugleich nicht wissenschaftlich verkürzend.

    Für den Wetterbericht am Ende des "heute-journal" haben Sie aber zum Beispiel nur 1:30 Minuten. Würden Sie sich mehr Zeit wünschen? 2:30 Minuten?

    Horneffer: Klar, das würde jede und jeder in meinem Team klasse finden! Allerdings müsste diese Zeit vernünftig gefüllt werden, mit anschaulichen Grafiken und Erklärstücken, bei denen selbstverständlich jedes Wort stimmen muss. Und das wäre, zumal tagesaktuell, doch recht aufwendig für uns. Wir sind ja ein kleines Team von sieben Personen.

    Zu dem Ihr Kollege Özden Terli gehört. Er wird seit Jahren angefeindet, weil er klar Stellung gegen Klimawandelleugner bezieht. Kürzlich machte er mit einem langen Tweet auf X, früher Twitter, Schlagzeilen. In dem schrieb er unter anderem: Wenn wissenschaftliche Fakten und Klimaschutz sabotiert und ignoriert würden, sei unsere Demokratie gefährdet. Sprachen Sie mit ihm darüber?

    Horneffer: Sicher, wobei diese Tweets Privatsache sind. Es ist wichtig, immer und immer wieder darauf hinzuweisen, dass Anfeindungen von einer ganz kleinen, aber sehr lauten Gruppe kommen.

    Wie ist es bei Ihnen?

    Horneffer: Ich unterscheide zwischen drei Gruppen: Menschen, die sich wirklich interessieren und die dankbar für meine Antworten sind; Menschen, von denen ich das Gefühl habe, dass sie das Haar in der Suppe suchen: Denen antworte ich von Fall zu Fall, meist einmal; und wenn etwas unter die Gürtellinie zielt, landet es im Papierkorb. Justiziables war bei mir zum Glück noch nicht dabei.

    Ist es manchmal zum Verzweifeln, wenn man Sie böswillig missverstehen will?

    Horneffer: Auch wir Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler müssen eine gewisse Resilienz an den Tag legen und dürfen so etwas nicht an uns herankommen lassen. Es kann nicht sein, dass einen die Krakeeler verzweifeln lassen. Wissen Sie: Ich will niemandem irgendetwas vorschreiben. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Fakten so neutral wie möglich zu vermitteln. Wenn das in den Köpfen des Publikums zu einem Umdenken führt, etwa zu einer größeren Sensibilität für Fragen des Klimaschutzes, würde mich das freuen. Der Klimawandel und seine Auswirkungen sind breiter wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Konsens, dennoch fallen uns allen die notwendigen Verhaltensänderungen oft sehr schwer.

    Zurück zur Wettervorhersage. Wie oft hören Sie einen Satz wie: "Die Wettervorhersage stimmt immer seltener"?

    Horneffer: Den habe ich schon seit 20 Jahren kaum noch gehört. Das liegt vermutlich daran, dass wir in unseren Wettervorhersagen im Fernsehen eher Tendenzen vermitteln, weniger vermeintlich stundengenaue Prognosen wie bei Wetter-Apps auf Handys.

    Sie sagten einmal, dass Sie von denen nichts halten.

    Horneffer: Einige sind brauchbarer als andere, und die Radarinformationen sind meist wirklich gut. Die "WarnWetter-App" des Deutschen Wetterdienstes kann ich uneingeschränkt empfehlen. Das Problem ist ja: Wenn Wetter-Apps auf nur ein Wettermodell zurückgreifen, führt das zu ungenauen Prognosen. Ich glaube, Sätze wie "Die Wettervorhersage stimmt immer seltener" lassen sich auf so etwas zurückführen.

    Zur Person Katja Horneffer ist promovierte Meteorologin und seit Januar 2020 Leiterin des Wetterteams im ZDF. Sie wurde am 13. August 1968 in Göttingen geboren und ist einem breiten Publikum als Moderatorin der Wetterberichte in verschiedenen ZDF-Sendungen bekannt.

    Um die Folgen für Gesundheit und Wirtschaft gering zu halten, ist es wichtig, die regionalen Folgen des Klimawandels zu kennen. Mit unserem Projekt "Klimaausblick" wollen wir genau das zeigen. Für jeden Landkreis haben wir eine Tabelle mit Prognosen erstellt. Sie zeigen, wie sich das Klima in Ihrer Heimat entwickeln wird: Auf welche Temperaturen wir uns einstellen müssen, wie lange künftig die Hitzeperioden dauern werden und wie stark die Zahl der Frosttage abnimmt. Die Diagramme finden Sie hier.

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