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Interview: Phenix Kühnert im München-Tatort: "Es ist wichtig, Transfeindlichkeit deutlich zu machen"

Interview

Phenix Kühnert im München-Tatort: "Es ist wichtig, Transfeindlichkeit deutlich zu machen"

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    Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) befragt Spargelkönigin Luise (Phenix Kühnert) in einer Szene der neuen Münchner "Tatort"-Folge "Königinnen".
    Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) befragt Spargelkönigin Luise (Phenix Kühnert) in einer Szene der neuen Münchner "Tatort"-Folge "Königinnen". Foto: Luis Zeno Kuhn, BR

    Phenix Kühnert, Sie spielen im neuen Münchner "Tatort", der Ende Oktober zu sehen sein wird, die Aichacher Spargelkönigin Luise. Wie waren die Dreharbeiten zu "Königinnen"?
    PHENIX KÜHNERT: Es war total aufregend. Das war meine erste richtige Rolle und dann direkt in einem "Tatort". Es gab auch einen Moment – das war eine längere Sprechszene und ich stand am Set, umgeben von 100 Statist:innen und einem der Kommissare – und ich habe mich gefragt: Wie bin ich hier gelandet? Aber es hat alles gut funktioniert. Ich habe gemerkt, dass ich solche Gedanken nicht zulassen darf, um mir nicht selbst im Weg zu stehen. Es hat viel Spaß gemacht.

    Und wie war es in Bayern? Hatten Sie einen Kulturschock?
    KÜHNERT: Es war wunderschön. Die anderen Königinnen und ich haben uns wirklich angefreundet und hatten eine tolle Zeit. Für andere war das bestimmt auch manchmal anstrengend, weil wir so viel gelacht haben. Der "Tatort" wurde in einem Gasthof gedreht, dort habe ich auch genächtigt und konnte voll eintauchen. Außerdem war ich schon sehr oft im Süden unterwegs und bin ein Fan von Dialekten. Ich habe mich gefreut, dass Dialekte ein Teil des "Tatorts" waren. Im Nachhinein bin ich aber auch froh, dass ich nicht Dialekt sprechen musste, das wäre schwierig geworden. Aber bei anderen finde ich es wahnsinnig sympathisch.

    Haben Sie sich mit Aichach und der Region zuvor auseinandergesetzt?
    KÜHNERT: Ich habe mich allgemein vor dem Casting bereits mit der Tradition der Produktköniginnen auseinandergesetzt. Ich komme gebürtig von der Ostsee und kenne mich damit nicht aus. Auch mit der Region habe ich mich ein wenig beschäftigt.

    Sie sind eine der ersten Transpersonen in einem Münchner "Tatort". Wie haben Sie das erlebt?
    KÜHNERT: In dem "Tatort" passiert auch Transfeindlichkeit, aber das hat mit den Personen dahinter erst einmal nichts zu tun. Das sind Rollen, die sie verkörpern. Aber natürlich ist das als trans* Person schon etwas, das einen ein Stück weit bewegt, wenn man diese Szenen mit Kolleg:innen bespricht. Das Schöne war, dass Regisseur Rudi Gaul mir viel Freiraum gegeben und mich in die Szenen einbezogen hat, in denen über mich, also Luise, gesprochen wurde. Außerhalb der Dreharbeiten spielte mein trans* sein gar keine Rolle, auch ein Grund, weshalb ich so eine gute Zeit mit meinen Kolleg:innen hatte. Es ist meiner Meinung nach auch das Schönste, wenn das einfach egal ist, weil, so sehr macht es mich als Person nicht aus. Es gibt ganz viele andere Dinge, die mich ausmachen. 

    In der Folge selbst wird das auch thematisiert, zum Teil sogar recht aggressiv.
    KÜHNERT: Die Wortwahl war schon hart, aber ich bin überzeugt, wenn ein Film oder eine Serie die Realität wiedergeben möchten, dann muss Transfeindlichkeit darin vorkommen. Das ist die Realität, in der wir leben. Es gibt einen feinen Grat, dennoch transfeindliche Narrative dabei nicht zu befeuern. Insgesamt glaube ich aber, dass wir das in "Königinnen" gut geschafft haben.

    Was macht das mit Ihnen als Schauspielerin und Privatperson? 
    KÜHNERT: Ich habe vor Ort gespürt, wie Luise und Phenix für mich zwei unterschiedliche Menschen sind und ich eine Rolle verkörpere. Ich weiß, wer mein Gegenüber, also der Mensch hinter der Rolle, ist, und dadurch entschärft sich das für mich als Privatperson.

    Ist es Ihnen auch wichtig, diese Realität abzubilden? Oder wäre es Ihnen lieber, dass es nicht zum Thema gemacht wird?
    KÜHNERT: Wenn wir uns das große Ganze angucken, ist es wichtig, dass trans* und queere Geschichten in Filmen, Serien und Kunst auch in einem positiven Licht stehen. Nur, weil ich trans* bin, bin ich nicht den ganzen Tag unglücklich. Mein Leben ist nicht so sehr davon bestimmt. Aber es ist andererseits wichtig, darüber aufzuklären und Transfeindlichkeit deutlich zu machen. Damit andere Menschen realisieren, wie unsere Realität ist, denn für mich und viele andere aus der Community ist das unser Alltag. So leben wir, und das kann auch einen sehr schönen, aufklärenden Moment haben.

    Zur Person

    Phenix Kühnert, 28 Jahre alt, ist in Lübeck geboren und arbeitet in Berlin als Schauspielerin, Model und Sängerin. Als Aktivistin setzt sie sich für trans* Rechte und die queere Community ein. Über ihren Lebensweg schrieb sie im vergangenen Jahr das Buch "Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau – über trans Sein und mein Leben" (Haymon Verlag, 224 Seiten, 19,90 Euro). Die "Tatort"-Folge mit ihr, "Königinnen", wird am Sonntag, 29. Oktober, um 20.15 Uhr im Ersten gezeigt. Im Interview finden Sie gendergerechte Formulierungen, weil das unserer Gesprächspartnerin wichtig war.

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