Frau Roos, beginnen wir dieses Gespräch mit dem Ende – und zwar dem Ihres Lebens. In Ihrer Biografie schreiben Sie, dass Ihre Beerdigung einmal mit den Worten beginnen solle: „Wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied zu nehmen von der Helene Fischer der Bronzezeit.“ Wollen Sie das wirklich?
Mary Roos: Das ist ein Zitat aus dem Satirestück „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“, das ich seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit dem Kabarettisten Wolfgang Trepper auf die Bühne bringe. In einer Talkshow wurde mein Kollege gefragt, ob er eine Trauerrede für mich halten würde. Er sagte: „In jedem Fall!“ Und dieser Satz ist sozusagen das Ergebnis.
Halten Sie selbst sich auch für die Helene Fischer der Bronzezeit?
Roos: Na, ich weiß schon, dass ich 73 Jahre alt bin. Aber deswegen muss ich mich noch nicht in Asche hüllen.
Natürlich nicht. Aber denken Sie trotzdem bisweilen an den Tod oder schieben Sie das Thema weg?
Roos: Nein, keineswegs. Meine kleine Schwester ist ja Krankenschwester. Wir haben aus welchen Gründen auch immer schon als Mädchen über den Tod gesprochen. Vielleicht habe ich deswegen auch keine Angst davor. Denn ich denke mir, ich werde im Jenseits nur die Menschen treffen, die ich mag. Die anderen sind auf einer anderen Etage. Das ist doch eine schöne Vorstellung, oder?
Sie schreiben auch: „Ich fühle mich kaum lebendiger als momentan, auf meine sogenannten alten Tage.“ Und dass Sie eine schrille Alte sein wollten. Warum? Und: Was macht so eine Frau aus?
Roos: Aber ich bin schon eine schrille Alte! Wie ich hoffe im positiven Sinn. So eine schrille Alte kann alles sagen, was sie will, weil die Leute sowieso lachen.
„Erotik beginnt im Kopf und hat keine Altersbegrenzung“, schreiben Sie ebenfalls in Ihrem Buch.
Roos: Genauso ist es! Wenn man sich heute im Alter verliebt, ist es sicherlich anders als in jungen Jahren. Aber es ist bestimmt nicht weniger aufregend. Und, um die nächste Frage gleich zu beantworten: Ich habe im Moment keinen Partner.
Die Liebe kennt ja nicht nur die Sonnenseiten. Wie haben Sie die Schattenseiten erlebt?
Roos: Liebe heißt für mich auch: verstehen, verzeihen und nicht darüber grübeln. Ich habe viele Freundinnen, die immer wieder erzählen, wie schrecklich ihre Männer zu ihnen waren. Dabei hätten sie diese umsorgt, für sie gekocht und gebügelt. Dann sage ich meinen Freundinnen: „Liebe kannst du nicht erklären. Wenn das mit deinem Mann schiefgelaufen ist, sollte man das nicht so persönlich nehmen, selbst wenn das Ego gehörig weh tut.“ Das passiert hunderttausend anderen Menschen auch. Ich selbst habe diese Probleme nicht, das ist vielleicht meine beste Eigenschaft. Ich bin überhaupt nicht nachtragend. Leute, die nicht verzeihen können, haben es schwer im Leben.
Sie haben mehr als 50 Alben und über 600 Singles veröffentlicht. Welches Ihrer Lieder singen Sie heute noch am liebsten?
Roos: Och, ich habe so viele unterschiedliche. Ich singe sehr gerne südamerikanische Stücke. Und ich mag Lieder wie „Aufrecht geh’n“ oder „So leb’ Dein Leben“ oder „Rücksicht“. Das sind Lieder, die mich mein ganzes Leben begleiten. Ich singe auch gerne moderne Stücke von Mark Forster, Max Giesinger oder Rea Garvey. Ich nehme schon immer noch aktiv am Musikgeschehen teil! In letzter Zeit höre ich aber vor allem sehr gerne klassische Musik.
Gibt es dafür einen Grund?
Roos: Keine Ahnung. Vielleicht ist das ja der Übergang in mein nächstes Leben. Und man hat ja immer mal Momente im Leben, in denen man das Gefühl hat, sich häuten zu müssen. Dabei hilft klassische Musik sehr. Sie lässt einen atmen und ruhig nachdenken. Ich entdecke die Klassik eigentlich jetzt erst für mich. Sie ist mein Problemlöser – wie übrigens auch meine Badewanne. Da sitze ich dann im warmen Wasser, mache klassische Musik an und ein paar Kerzen und suche nach einer Lösung. Und wenn ich verrunzelt aus der Wanne rauskomme, habe ich meistens auch einen Plan B.
Haben Sie sich auch mal gedacht: Ich bin eine so gute Sängerin, aber was muss ich eigentlich manchmal für Sch...lieder singen?
Roos: Na ja, wenn ich das gedacht habe, war das hauptsächlich am Anfang meiner Karriere. Da habe ich Sachen gesungen, die kann man gar nicht wiedergeben. Beispielsweise „Alles rutscht mir aus den Händen“. Das ist das furchtbarste Lied, das ich jemals gesungen habe. Aber ich habe auch sehr schöne Sachen im Repertoire gehabt. Neulich kam mein erwachsener Sohn und sagte: „Mama, ich habe mir mal ein paar Lieder von dir rausgesucht, die ich gut finde.“ Dann hat er die zusammen mit mir gehört. Das fand ich toll! Da war ich stolze Mutter.
Auch die Geschichte mit Ihrem Künstlernamen ist toll. Sie wollten keinen Fantasienamen wie Rex Gildo. Am Ende wurde aus Rosemarie Schwab Mary Roos. Waren Sie immer glücklich mit dem Namen?
Roos: Eigentlich schon. Ich wollte meinen Geburtsnamen auch nicht einfach so ablegen. Und ich finde auch Künstlernamen völlig in Ordnung, selbst wenn ich heute vielleicht darauf verzichten würde. Aber damals hatten ja alle Künstlernamen. Rex Gildo hieß ja eigentlich Ludwig Hirtreiter. Heute würde ich als Rosemarie Böhm auf die Bühne gehen.
Wie nennen Sie eigentlich Ihre Freunde?
Roos: Die sagen Mary. Es gibt aber eine Schulfreundin, die ich kürzlich nach 40 Jahren in meiner Heimatstadt wiedergetroffen habe. Sie tauchte plötzlich hinter mir auf und sprach mich mit Rosemarie an. Ich wusste sofort, wer das ist.
Zur Person: Mary Roos wurde 1949 in Bingen am Rhein als Marianne Rosemarie Schwab geboren. Bereits mit neun Jahren veröffentlichte sie eine erste Schallplatte. 1972 wurde sie beim Eurovision Song Contest Dritte. Aus ihrer zweiten Ehe mit Werner Böhm alias Gottlieb Wendehals stammt ihr 1986 geborener Sohn Julian. Ihr Buch „Aufrecht geh’n. Mein liederliches Leben“ (Rowohlt, 272 Seiten, 22 Euro) erscheint an diesem Dienstag.