Frau Ferres, die Zeit zwischen den Jahren ist ja Mystery-Zeit. Diesmal kehrt der Rattenfänger bei ZDFneo nach acht Jahrhunderten wieder ins beschauliche Hameln zurück, um dort Angst und Schrecken zu verbreiten; Sie spielen in der Serie mit. Ist ihm das gelungen?
Veronica Ferres: Ja, und wie! Die Sage vom Rattenfänger in Hameln hat mich schon als Kind fasziniert. Ich weiß von Freunden aus der ganzen Welt, dass das eine der bekanntesten deutschen Legenden ist. Denn die Geschichte hat ja auch eine große symbolische Bedeutung. Sie beschreibt, was passieren kann, wenn man Versprechen nicht einhält. Das Märchen spielt mit Urängsten, sodass es generationsübergreifend eine große Kraft entwickelt. Es war mir eine Ehre, in dieser modernen Adaption mitspielen zu dürfen.
Der Regisseur und Autor Rainer Matsutani hat gesagt: Wir wollten dieses deutsche Märchen einmal nicht Hollywood überlassen, sondern es selbst modern verfilmen.
Ferres: Das sehe ich ganz genauso. Fast alle Gebrüder-Grimm-Märchen sind von den Amerikanern verfilmt worden und haben noch immer einen hohen Marktwert. Dass diese Geschichte nun von einem deutschen Kreativteam und einem deutschen Sender umgesetzt wurde, ist wichtig. Denn das ist unsere Historie.
Mit „Hameln“ wird erstmals eine der unheimlichsten Legenden der Welt in einem Horror-Serienformat präsentiert. Warum läuft sie versteckt bei ZDFneo?
Ferres: Ich sehe das nicht als Verstecken an. ZDFneo ist bekannt dafür, innovative Geschichten zu erzählen und ein junges Publikum zu begeistern. Zudem wird sie auch in der Mediathek zu sehen sein, und ich bin mir sicher, dass die Serie auf eine unglaubliche Resonanz stoßen wird.
„Hameln“ ist nicht die erste Horrorproduktion, bei der Sie mitspielen. Mit Weltstar Nicolas Cage standen Sie vor einigen Jahren in „Pay the ghost“ vor der Kamera, auf der Jagd nach Geistern. Jetzt spielt Götz Otto den Rattenfänger. Kann man die Drehs vergleichen?
Ferres: Ja, beide haben viel Spaß gemacht. Denn der Zuschauer wird da in eine ganz eigene Welt hineingezogen, die mit dunkler Kraft spielt. Bei „Pay the ghost“ musste extra ein Anzug für mich angefertigt werden. Denn da stürze ich vom Kirchendach auf eine frisch gegossene Betonfläche. Da kamen aus meinem ganzen Körper Stahlpfeiler raus. Die Produktion hat mir das Kostüm damals geschenkt. Und immer, wenn ich heute meine Familie erschrecken will, hopse ich mit dem Anzug durchs Haus. Das kann sehr lustig sein.
Haben Sie sich als Kind gegruselt, angesichts der düsteren Geschichte des Rattenfängers?
Ferres: Ich bekam sie damals vorgelesen. Und ich hatte tatsächlich ziemlich Angst.
Es ist diesmal eine Geschichte, die in der Gegenwart spielt, aber offenbar mit der Entführung der 130 Kinder durch den Rattenfänger im Jahre 1284 zusammenhängt. Können Sie schon verraten, ob es diesmal ein Happy End gibt?
Ferres: Das darf ich leider noch nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass ich eine alleinerziehende Mutter und erfolgreiche Architektin spiele, die seit über zehn Jahren ihren Mann im Pflegeheim besucht. Sie lernt einen neuen Mann kennen, kann sich aber nicht ganz darauf einlassen. Man kann gespannt sein. Die Frau hat nämlich in ihrer Vergangenheit jede Menge Dreck am Stecken.
Schauen Sie selbst daheim auf dem Sofa zusammen mit Ihrem Mann Horrorfilme?
Ferres: Mein Mann bevorzugt Fußball. Zum Thema Horror kann ich sagen: Ich wollte immer schon in einer Horror-Produktion mitspielen, weil ich weiß, was das für eine Kraft entwickelt. Selbst schaue ich privat selten Horrorfilme.
Gehören Sie zu den Menschen, die auch nach aufregenden Thrillern gut schlafen können?
Ferres: Um ehrlich zu sein: nein. Ich schlafe dann meist sehr unruhig. Aber das gehört auch irgendwie dazu. Denn schon Aristoteles hat gesagt, dass die Seele durch das Durchleben der Tragik auf der Bühne gereinigt wird. Das ist so eine Art Katharsis.
Glauben Sie tatsächlich daran? Warum lieben die Menschen Horrorfilme?
Ferres: Schwer zu sagen. Aber es war auch für mich als Jugendliche faszinierend, mit Freundinnen und Freunden ins Kino zu gehen, sich zu gruseln, sich aneinander festzuhalten oder sich auch mal mit jemandem in den Armen zu liegen und beschützt zu werden, den man damals besonders toll fand.
Was ist für Sie persönlich der größte Horror, den Sie sich vorstellen können?
Ferres: Dass die Kriege weitergehen, dass die Diktatoren weiter an Macht gewinnen und die Welt sich weiter spaltet, statt dass die Leute miteinander reden. Leider findet Kommunikation immer seltener statt, dafür erlebe ich immer mehr gegenseitige Vorverurteilung.
Gibt es noch einen anderen Traumstoff, den Sie gerne produzieren beziehungsweise verfilmen wollen?
Ferres: Da gibt es tatsächlich ein großartiges historisches Projekt, bei dem wir gerade in Verhandlungen stehen. Leider kann ich noch nicht mehr dazu sagen. Auch an der Verfilmung eines großen Romans arbeiten wir gerade.
Die Serie „Hameln“ wurde auch am Originalschauplatz in Niedersachsen gedreht. Im nahegelegenen Hannover hat Ihr Mann Carsten Maschmeyer lange Zeit gelebt. War das angenehm, weil Sie in Hannover auch ein bisschen zu Hause sind?
Ferres: Das spielte für mich, ehrlich gesagt, keine große Rolle. Denn während der Drehzeit bin ich sehr fokussiert auf die Arbeit. Ich habe beispielsweise gerade neuneinhalb Wochen in Österreich gedreht. Da war ich fast komplett im Tunnel. Ich stehe in dieser Zeit morgens sehr früh auf, mache Sport und mich dann fertig. Circa gegen sechs Uhr werde ich von der Produktionsfirma abgeholt, dann gibt es eine kurze Mittagspause. Abends komme ich dann um circa acht Uhr nach Hause. Da gelingt es mir leider nicht, viel vom Umfeld zu sehen. Bei Hameln, das in Blöcken gedreht wurde, konnte ich dann auch immer entsprechend an- und abreisen. Aber ich war überrascht, wie schön die Altstadt Hamelns ist.
Ein Promi-Leben in Luxus ist für Sie eigenen Aussagen zufolge trotz des Starruhms nicht selbstverständlich. Sie sagen über sich, nach wie vor bodenständig zu sein. Wie gelingt Ihnen das?
Ferres: Indem ich, wenn ich Zeit habe, sehr gerne selbst spüle, putze und meine Wäsche mache. Ich liebe es auch zu bügeln. Denn bei kaum einer Arbeit sieht man schneller das Ergebnis. Wenn ein Hemd gerade noch zerknittert ist und fünf Minuten später ist es glatt gebügelt, ist das für mich ein tolles Gefühl, das erfüllt mich. Und es hat viel damit zu tun, wie ich aufgewachsen bin – nämlich als jüngstes von drei Geschwistern eines Kohle- und Kartoffelhändlers im Rheinland.
Sie sind heute ein Superstar im Showbusiness. Was haben Sie aus Ihrer Kindheit mitgenommen?
Ferres: Unsere Eltern haben uns viele Werte mitgegeben wie: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Oder: Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg‘ auch keinem andern zu. Meine Eltern waren warmherzige und großartige Menschen. Sie sind für mich Vorbild. Ich glaube, auch ich habe eine fürsorgliche Art. Wenn es am Set jemanden gibt, dem es nicht gut geht, dann rede ich mit dem. Ich kenne die Namen aller Teammitglieder. Die sind da manchmal richtig baff. Jemanden anzuschauen und ihn beim Namen zu nennen, ist für mich ein Zeichen von Respekt. Ich selbst bin jeden Morgen, wenn ich aufwache, glücklich, dass ich diesen Beruf ausüben darf. Wegen meines Berufes durfte ich kürzlich beispielsweise die Primatenforscherin Jane Goodell treffen. Das war für mich eine lebensverändernde Begegnung. Dass ich mit ihrem Institut zusammenarbeiten darf, ist großartig.
Von Ihnen stammt auch der Satz: „Wenn Du niemanden hast, keine Freunde, keine Familie, dann bist du in unserem Beruf eine ganz arme Kreatur. Sich nur über den Beruf zu definieren, ist sehr gefährlich.“ Worüber definieren Sie sich?
Ferres: In erster Linie über Familie und Freunde, aber auch über Werte. Ich muss jeden Tag in den Spiegel schauen können – und dann sage ich mir dabei: Heute versuche ich ein Stückchen besser zu sein als gestern.
Sind Sie eine politische Frau?
Ferres: Nein, ich halte mich da an Martin Benrath. Dieser großartige Schauspieler hat gesagt, ein Künstler sollte nicht politisch sein. Ich habe zwar meine politischen Überzeugungen und ansonsten setze ich mich für den Menschen, und auch insbesondere für Frauenrechte ein. Ich möchte, dass Frauen an sich glauben und stark sind.
Was nehmen Sie sich für das kommende Jahr vor?
Ferres: Ich gehöre eigentlich nicht zu denen, die in ein neues Jahr mit großen Vorsätzen gehen. Aber ich habe Pilates entdeckt, eine tolle Art, seinem Körper Gutes zu tun. Und ich möchte im nächsten Jahr in dieser Hinsicht noch mehr tun. Ich treibe aber heute schon jeden Morgen Ausdauersport und mache Übungen. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Und mit dem Reiten möchte ich wieder beginnen, das hat in „Unholy Trinity“ so viel Spaß gemacht.
Zur Person: Veronica Ferres, 59, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen. Ihren Durchbruch feierte sie in den 1990er-Jahren mit Filmen wie „Schtonk!“, „Das Superweib“ und „Rossini“. Sie ist mit dem bekannten Unternehmer Carsten Maschmeyer verheiratet und hat aus erster Ehe mit dem Filmproduzenten Martin Krug eine Tochter. Lilly, 23, ist ebenfalls Schauspielerin und Model. Alle Folgen der sechsteiligen Serie „Hameln“ laufen am 30. Dezember 2024 ab 21.45 Uhr in ZDFneo.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden