Frau Eichhorn, Sie spielen am kommenden Sonntag im ZDF-Film „Ein Sommer an der Côte d‘Azur“ eine 51-jährige Frau, die gerade Mann und Job verloren hat. Warum haben Sie sich entschieden, dort mitzuspielen? „Herzkino“-Produktionen sind eher leichte Ware, wo man Sie gar nicht unbedingt vermuten würde…
KAROLINE EICHHORN: …sagen Sie es, bitte sagen Sie es!
Also, „Herzkino“-Produktionen sind gewöhnlich nicht das, was ich persönlich am Sonntagabend gerne anschaue.
EICHHORN: Ich auch nicht.
Kritiker behaupten aber, in diesem Film sei fast alles besser als in anderen „Herzkino“-Produktionen. Und dieser Meinung kann man sich anschließen, weil die Geschichte tatsächlich Pfiff hat und nicht völlig konstruiert wirkt.
EICHHORN: Das ist ja schön. Ich habe den Film noch nicht gesehen. Ich habe den Film gemacht, weil das mein Beruf ist und ich in einem Alter bin, in dem es für Schauspielerinnen wenig Arbeit gibt.
Eigentlich sollte das eher die Schlussfrage sein, aber lassen Sie sie uns vorziehen: Schauspielerinnen klagen oft, dass sie mit über 50 beruflich nicht mehr wahrgenommen werden. Sie feiern im kommenden Jahr Ihren 60. Geburtstag. Sehen Sie auch diese Altersproblematik in Ihrem Fach?
EICHHORN: Ja natürlich, die ist definitiv da. Ich spüre sie seit mindestens fünf Jahren ganz extrem. Ich habe mindestens 60 Prozent weniger zu tun. Das ist auch ein finanzieller Einbruch, weil es nicht so leicht ist für uns Schauspieler, Arbeitslosengeld zu bekommen. Für uns Frauen über 45 ist es schwer, mit unserem Beruf zu überleben. Deswegen muss man auch mal „Herzkino“ drehen.
Ihre Filmfigur Kristin will mit über 50 noch mal so richtig durchstarten. Ist das im wirklichen Leben auch möglich oder halten Sie das für eher unwahrscheinlich, dass man dann plötzlich gleich auf zwei Männer stößt wie im Film?
EICHHORN: Das mit den zwei Männern ist, zumal es Vater und Sohn sind, denk ich, unwahrscheinlich. Aber dass man noch mal durchstartet, dazu ist es nie zu spät. Manche tun das noch in viel höherem Alter. Also daran glaube ich 100-prozentig.
Wenn Sie noch mal einen Neuanfang wagen würden, wie würde der aussehen?
EICHHORN: Ha ja, das ist eine große Frage, die ich mir auch ab und zu stelle. Die Grundfrage dazu ist: Könnte ich das überhaupt, weil ich mich natürlich im Laufe der Zeit schon an ein ziemlich selbstbestimmtes Leben gewöhnt habe? Das heißt, ich müsste irgendetwas Selbständiges aufbauen. Dadurch, dass ich mit Drehen und unserem Theaterabend immer noch so viel verdiene, dass ich das auch mal über einen längeren Zeitraum strecken kann, ist es nicht so leicht, da mal kurz was anderes Geeignetes zu finden. Jedenfalls bin ich noch zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. Außerdem liebe ich meinen Beruf und will ihn nicht aufgeben, aber Nerven und Geduld brauchen wir schon.
Gedreht wurde an der Côte d’Azur. Cannes oder Saint-Tropez gelten als Orte der Schönen und Reichen. Was halten Sie privat davon? Oder anders gefragt: Wie wichtig ist Ihnen Luxus?
EICHHORN: Der vermeintliche Luxus wie schnelle Autos, Uhren, Klamotten oder Schmuck etc. ist nicht meins. Luxus ist für mich Zeit. Zeit mit Menschen, die mir etwas bedeuten und, wie gesagt, ein Leben zu führen, das ich einigermaßen selbst bestimmen kann.
Ist die Côte d’Azur ein privater Sehnsuchtsort für Sie?
EICHHORN: Sehnsuchtsorte haben bei mir fast immer mit Natur zu tun. Ich muss aber gestehen, dass es in Nizza einen Ort gab, wo ich mich sehr wohlfühlte.
Wo genau?
EICHHORN: Wenn ich nicht in der Natur bin, dann liebe ich Niemandslandsorte wie Parkplätze oder Tankstellen. Also Orte, wo die Menschen nicht verweilen, sondern sozusagen durchgehen. Und in Nizza ist ein Parkplatz in der Nähe des Hafens, an dem ich mich wahnsinnig gerne aufgehalten habe. Da war ich täglich.
Man stellt sich als Sehnsuchtsorte ja Strände, das Meer oder Berggipfel vor – aber ein Parkplatz? Was macht der mit Ihnen?
EICHHORN: Ich nenne das Niemandslandsorte. Die haben für mich ein großes Freiheitsversprechen. Das habe ich auf diesem Parkplatz extrem gespürt.
Sie haben mit „Dark“ einen großen Erfolg gefeiert. Die Netflix-Serie wurde international wegen ihrer Komplexität gepriesen. Hat sich Ihr Leben seitdem verändert?
EICHHORN: Nein, gar nicht. Aber das hat auch wieder damit zu tun, dass ich eine Frau in meinem Alter bin. Es gibt durchaus einige Kollegen, bei denen die Serie tatsächlich ihr Leben verändert hat.
Haben Sie schon weitere Pläne?
EICHHORN: Ja, um genau die Auftragslöcher zu füllen, habe ich mit meiner Kollegin Catrin Striebeck einen Theaterabend entwickelt. Mein Mann Arne Nielsen, der Schriftsteller ist, hat das Stück „Die Vodkagespräche“ geschrieben. Und damit touren wir seit vier Jahren durch die Lande und feiern große Erfolge. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, mit der eigenen Arbeit Eigenverantwortung zu tragen und damit auch noch Erfolg zu haben. Das spornt an!
Zur Person: Karoline Eichhorn, 59, wurde in Stuttgart geboren. Bekannt wurde sie in den 1990er-Jahren mit Filmen wie „Drei Tage im April“ und „Der Sandmann“. Eichhorn ist mit dem dänischen Schriftsteller Arne Nielsen verheiratet. Sie leben in Hamburg und haben zusammen ein Kind. Der „Herzkino“-Film „Ein Sommer an der Côte d‘Azur“ läuft an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im ZDF.
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