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Interview: Schauspielerin Barbara Auer: "Kränkungen hinterlassen immer Spuren"

Interview

Schauspielerin Barbara Auer: "Kränkungen hinterlassen immer Spuren"

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    Barbara Auer gehört zu den bekanntesten Gesichtern unter den deutschen Schauspielerinnen.
    Barbara Auer gehört zu den bekanntesten Gesichtern unter den deutschen Schauspielerinnen. Foto: Ursula Düren, dpa (Archivbild)

    Frau Auer, Sie wirken in der ZDFneo-Dramaserie „Am Ende – Die Macht der Kränkung“ mit. Es wird dabei ein unbequemes Thema bespielt. Was macht diese Produktion in Ihren Augen speziell?
    BARBARA AUER: Ich fand schon die erste Staffel vor zwei Jahren, die wie bei uns eine in sich geschlossene Geschichte war, vielschichtig und sehr spannend. Und das Thema Kränkung hat mich interessiert.

    Die sechsteilige Serie ist vom Sachbuch des bekannten österreichischen Psychiaters Reinhard Haller mit dem gleichen Titel beeinflusst. Es geht um Kränkungen und ihre oft verheerenden Folgen im Zusammenspiel mit dem Leben anderer.
    AUER: Ehrlich gesagt kannte ich das Buch gar nicht und habe erst durch die Produktion davon erfahren. Aber es stimmt natürlich, Kränkungen hinterlassen immer Spuren, auch wenn man sie erst mal verdrängt und beiseiteschiebt. Ganz besonders dann. 

    Kennen Sie privat selbst auch das Gefühl einer tiefen Kränkung?
    AUER: Das Thema Kränkung hat ja zwei Seiten. Entweder man wird gekränkt oder man kränkt jemand anderen. Ich merke, dass ich mit dem Älterwerden häufiger erlebe, dass Erinnerungen hochploppen, die manchmal auch mit Kränkungen zu tun haben. Man glaubt, diese Situationen längst vergessen zu haben und plötzlich sind sie wieder da. In unserem Film wird gesagt, dass Kränkungen krank machen. Auch das kam mir in der Vorbereitung zu dieser Geschichte immer wieder in den Sinn. In der Rückschau ist es für mich schwerer zu ertragen, jemanden gekränkt zu haben als umgekehrt. In unserer Serie wird der Fall eines Verstorbenen erzählt, der Kränkungen, die er nicht vergessen und verziehen hat, erst auf seiner Beerdigung durch einen Abschiedsbrief offenbart, in dem er einzelne Personen direkt anspricht.

    Das ist tatsächlich eine sehr zugespitzte Geschichte über die Wirkung und das Zusammenspiel von Kränkungen. Wir sagen manchmal so leicht dahin: Ich hasse dich, dies oder jenes. Gibt es etwas, was Sie hassen?
    AUER: Nein. Hass ist ein großes Wort. Ich glaube, ich habe das noch nie in Bezug auf jemand anderen gesagt, höchstens vielleicht in der Pubertät. Da kann ich es nicht ausschließen.

    Der Psychiater Haller sagt, Verbitterung ist das schlimmste aller Gefühle, noch schlimmer als Hass. Und diese rührt oft von Kränkungen her. Kennen Sie verbitterte Menschen? Man hat spätestens seit Corona den Eindruck, die Verbitterung in der Gesellschaft nimmt zu.
    AUER: Rosa, die ich hier spiele, ist verbittert, weil sie glaubt, ein falsches Leben zu leben. Dafür lastet sie anderen die Schuld an. Manche Menschen sind im Alter verbittert, weil sie das Gefühl haben, ihr Leben nicht gelebt oder versäumt zu haben. Und ich glaube auch, dass die Verbitterung in der Gesellschaft zunimmt, weil die soziale Ungleichheit wächst und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Es gibt immer mehr Menschen, die in ihrem Leben trotz harter Arbeit kaum eine Chance haben, auf einen grünen Zweig zu kommen, während andere immer reicher werden. Da verstehe ich die Verbitterung schon.

    Verbitterung ist oft die Ursache von Aggression und Rachefantasien. Verbitterte fühlen sich als arme Opfer von Ungerechtigkeit, Betrug, Dummheit und Bosheit. Wie können wir sozusagen „Kränkungskompetenz“ erlernen und so die Kränkungen entschärfen, vielleicht sogar positiv nutzen?
    AUER: Ich glaube, dass wir Kränkungen entschärfen können, indem wir offen darüber sprechen. Es ist heilsam, sich quälenden und herausfordernden Emotionen zu stellen, verdrängen hilft nicht. Nur wenn man ein Erlebnis verarbeitet, kann man eine Situation auflösen oder etwas wiedergutmachen.

    Kränkungen machen uns auf unsere Schwächen aufmerksam, zeigen uns aber auch unsere Stärken. Kann man das so sagen?
    AUER: Na ja, keiner wünscht sich eine Kränkung herbei. Insofern würde ich das nicht zu positiv sehen. Eine Kränkung fühlt sich immer gemein an in diesem Moment. Und sie geht oft mit Scham einher, die quält – egal, ob einen selbst oder den anderen. Aber natürlich kann man an derartigen Herausforderungen wachsen.

    Der Tod, so heißt es, sei die größte aller Kränkungen für Menschen. Wie gehen Sie selbst mit diesem Thema um?
    AUER: Mir wird, wie allen anderen Menschen, nichts anderes übrig bleiben, als dem Tod irgendwann ins Auge zu blicken. Aber es ist etwas dran an diesem Satz, dass der Tod eine Kränkung ist. Wenn wir jung sind, fühlen wir uns unsterblich, die Welt liegt uns scheinbar zu Füßen. Aus dem Alter bin ich allerdings schon lange raus. Meine Perspektive hat sich inzwischen verengt. Insofern beschäftige ich mich sicher mehr mit dem Thema Tod als vor 30 oder 40 Jahren. Aber natürlich nicht andauernd, denn bis es so weit ist, gibt es noch so viel Schönes zu erleben. 

    Zur Person

    Barbara Auer, 64, geboren in Konstanz am Bodensee, gehört zu den bekanntesten Gesichtern unter den deutschen Schauspielerinnen. Sie hat zwei eigene Söhne und lebt mit dem Kameramann Martin Langer in einer Patchwork-Familie in Hamburg. "Die Macht der Kränkung" ist an diesem Mittwoch und am 24. Mai ab 21.45 Uhr in ZDFneo zu sehen (je drei Folgen). Die Staffel ist auch in der ZDFmediathek abrufbar.

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