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Interview: Schauspielerin Anna Fischer: "Vor dem Tod habe ich keine Angst"

Interview

Schauspielerin Anna Fischer: "Vor dem Tod habe ich keine Angst"

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    Anna Fischer ist in der ARD-Krimireihe "Die Bestatterin - Zweieinhalb Tote" am nächsten Donnerstag um 20.15 Uhr zu sehen.
    Anna Fischer ist in der ARD-Krimireihe "Die Bestatterin - Zweieinhalb Tote" am nächsten Donnerstag um 20.15 Uhr zu sehen. Foto: Daniel Schmid, SWR

    Frau Fischer, haben Sie eigentlich keine Angst vor dem Tod oder Toten?
    ANNA FISCHER: Vor dem Tod an sich habe ich keine Angst, um ehrlich zu sein. Der Gedanke an einen leidvollen Abschied ist jedoch etwas anderes, da habe ich mehr Sorgen. Vor etwas Unausweichlichem Angst zu haben, bedeutet die Augen zu schließen und die Realität nicht als solche akzeptieren zu wollen – das liegt mir fern. Die Arbeit als Bestatterin im Leichenschauhaus wirft jedoch durch die Natur des Berufs eine andere Frage auf: Was macht man als Hinterbliebene, als Hinterbliebener? Oder auch: Was macht man mit den Hinterbliebenen? Für die ist es, hinterher, schwieriger, um ehrlich zu sein. Die müssen loslassen … und das ist für viele eine große Herausforderung, an der manche auch zerbrechen. Die Trauerarbeit, das Herrichten der Toten für die Angehörigen – das alles hat meine Sicht auf die Dinge verschoben und mir eine neue Perspektive eröffnet.

    Sie spielen die Hauptrolle in der Reihe "Die Bestatterin". Als Lisa Taubenbaum führen Sie ein Bestattungsunternehmen. Ein Traum für eine junge Frau?
    FISCHER: Na ja, für Lisa ist das ursprünglich kein Traumjob – aber jemand muss ihn ja machen, oder? Und da schwingt auch direkt das Gefühl der Verantwortung mit – zur Familie und auch zur Tradition dieser. Aus Liebe zu Vater und Bruder, die es nicht mehr können, übernimmt sie das Unternehmen. Für mich persönlich gelten diese Beweggründe nicht, da unterscheiden wir uns.

    Wie war das, als Sie im Casting als Bestatterin ausgewählt worden sind?
    FISCHER: So genau weiß ich das gar nicht mehr. Es gab mehrere Runden, in welchen sich herauskristallisierte, dass diese Rolle gut von mir gespielt werden kann.

    Nach welchen Kriterien wurde ausgewählt?
    FISCHER: Wenn ich das wüsste! Vornehmlich geht es um die vermeintlich einfache Frage: Passt’s oder nicht? Spielen kann die Rolle prinzipiell jeder Schauspieler, aber die Produktion muss von dir überzeugt sein, davon, dass diese eine Bewerberin die Figur am besten verkörpern kann.

    Haben Sie dann echten Bestattern bei der Arbeit über die Schulter geschaut?
    FISCHER: Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass ich eher vom Typus "Machen, weniger reden" bin. So bin ich tatsächlich zu Bestatterinnen und Bestattern gegangen, mit Fragenliste in der Hand, um ihnen bei der Arbeit zuzuschauen.

    Was haben Sie sie gefragt?
    FISCHER: Was die beliebteste Musik auf Trauerfeiern ist.

    Und?
    FISCHER: "Who Wants To Live Forever" von Queen.

    Was hat Sie noch interessiert?
    FISCHER: Wie das so ist, von der günstigsten bis zur teuersten Bestattung: Was bekommt man geboten? Und wie geht man als Bestatter damit um, dass man tagtäglich mit dem Tod zu tun hat? Was lässt man an Gefühlen an sich ran? Kriegt man da eine Abgeklärtheit und lässt alles nur mehr an sich abprallen? Ja, wie ist das? Das wollte ich wissen.

    Und was sagt so ein Bestatter?
    FISCHER: Man müsse das professionell sehen: Das Leben gehe weiter. Natürlich sind das alles Phrasen, die man erwarten kann. Am Ende lässt jeder so viel an sich ran, wie es für ihn möglich ist. Aber Pietät und Verständnis für das individuelle menschliche Leben haben alle.

    Gedreht wurde die neue Folge "Die Bestatterin – Zweieinhalb Tote" auf der Schwäbischen Alb, in Nürtingen und Kirchheim unter Teck, im Sommer 2022.
    FISCHER: Solche Drehorte, die einen aus seinem Alltag herausholen, sind immer wunderschön. Dort nutzte ich, was mir in Berlin fehlt: Berge und Hügel zum Wandern, Naturwunder wie Wasserfälle zum Entdecken. Die Landschaft ist herrlich, die Leute sind äußerst freundlich und laden oft zu Schnaps- und Apfelverkostungen ein. Man hat im Schwäbischen nicht das Gefühl, fremd zu sein. Das ganze Team fühlte sich wohl.

    Sie sind aber – nach dem, was über Sie zu lesen ist – eigentlich tendenziell ein Stadtmensch.
    FISCHER: Ja klar, meine Heimat ist und bleibt Berlin. Aber selbst für eine eingefleischte Stadtgöre hat das Land mit seiner Ruhe große Anziehungskraft. Die fehlende Anonymität und andere Möglichkeiten sind da gerade willkommen.

    Sie sagten mal, Sie seien stolz, aus Berlin zu kommen.
    FISCHER: Wo haben Sie das gelesen?

    In einer Berliner Zeitung.
    FISCHER: Und von wann war die? Berlin ist ja im steten Wandel, wie die Aussagen über unsere Stadt. Man hat schon ein gewisses Ressentiment gegen zugeflossenes Geld, welches sich nicht an die Stadt anpassen möchte. Auch die Menschen haben sich verändert, sind verhaltener geworden – und echte Freundschaften zu knüpfen, ist bei dem steten Einströmen von bindungsängstlichen Menschen schwierig. Da finde ich ein gewisses Zur-Wehr-Setzen angebracht.

    Was regt Sie daneben gerade am meisten auf?
    FISCHER: Die Vereinsamung, ganz klar. Das wünscht sich niemand, glaube ich, aber das Verhalten meiner städtischen Mitmenschen zeigt in eine andere Richtung.

    Immer mehr Menschen scheinen in diesen Zeiten über Ängste zu klagen. Wovor fürchten Sie sich?
    FISCHER: Wovor fürchte ich mich? Vielleicht davor, dass wir nicht darüber reden können, was wir fühlen. Ich beispielsweise habe kein Abitur, aber eines kann ich: fühlen. Und ich weiß, wenn wir dies aufhören zu tun, ja, dann sind wir leere Apparate. Davor habe ich am meisten Angst, diese Leere an Emotionen.

    Und was macht Ihr Leben einzigartig, Frau Fischer?
    FISCHER (ATMET TIEF DURCH): Dass ich hier sein darf. Es ist einzigartig, dass ich Teil des Ganzen sein darf. Beruflich wie privat.

    Zur Person

    Anna Fischer wurde 1986 in Ost-Berlin geboren. Sie wurde als Schauspielerin und Sängerin der Band Panda bekannt. Unter anderem war sie in "Die Heiland – Wir sind Anwalt" zu sehen. "Die Bestatterin – Zweieinhalb Tote" läuft am nächsten Donnerstag um 20.15 Uhr im Ersten.

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