Herr Halmer, sind Sie ein Romantiker oder doch eher der kühle Realist?
Günther Maria Halmer: Ich bin natürlich schon eher ein nüchterner Steinbock, der die Dinge zunächst einmal ohne Emotionen zu sehen versucht. Als Mensch ist man freilich vor romantischen Anwandlungen nie ganz gefeit. Und das habe ich natürlich auch. Was immer romantisch auch bedeuten mag.
Das kann ganz viel bedeuten.
Halmer: Schon. Aber was ist romantisch? Ein schönes Licht? Mitgefühl für andere? Schöne Stimmungen akzeptieren?
Vielleicht in einem Film von Rosamunde Pilcher mitspielen! Sie geben in der Folge „Stadt, Land, Kuss“ am Sonntag um 20.15 Uhr im ZDF „Sir Henry Bolton“ einen kauzigen Adeligen. In solchen Rollen eines Exzentrikers sieht man Sie öfter.
Halmer: Na ja, die werden mir halt angeboten. Ich spiele auch gerne andere Rollen. Aber wenn man mal in dieser Richtung sozusagen vorbelastet ist, wird man immer als Erstes gecastet. Ich halte das so: Wenn mir die Rolle gefällt, weil sie einen Hintergrund hat, dann sage ich zu. Aber es stimmt schon: Der grantige alte Mann, der ein gutes Herz hat, das ist ein Fach, das gerne mit mir besetzt wird.
Wie waren die Dreharbeiten im englischen Cornwall?
Halmer: Das war schon etwas Besonderes. Man musste schon 14 Tage warten, um zu erfahren, ob wegen Corona überhaupt gedreht werden kann. Dann musste ich nachweisen, dass ich negativ getestet bin und sogar, welchen Flugzeugsitz ich gebucht habe. Am Flughafen wurden wir abgeholt und mussten mit Maske fünf Stunden nach Cornwall fahren. Vorm Drehen wurde ich sofort wieder getestet. Überhaupt die Engländer, die kamen mir vorsichtiger vor als die Deutschen. Wir hatten 100 Pfund getauscht und erstaunlicherweise haben die in den Geschäften nicht einmal Bargeld genommen. Mit großem Betteln bin ich die Pfund dann im Hotel glücklicherweise wieder losgeworden.
Wie gehen Sie mit der Corona-Krise insgesamt um?
Halmer: Für meine Söhne ist das unangenehmer. Meine Frau und ich, wir leben ja auf dem Land. Da ist das nicht so schlimm. Ich muss ja auch nicht mehr wie ein Jugendlicher ständig zum Tanzen und irgendwelche jungen Damen küssen. Anti-Corona-Maßnahmen sind für die Jugend sicher schwieriger zu ertragen. Ich sollte allerdings im Januar in München Theater spielen. Das ist ein Jahr verschoben worden. Mir persönlich macht das zwar nichts aus, aber für die jungen Kollegen, die da mitspielen, ist das schon eine kleine Katastrophe. Und ja, der Mensch ist durch Covid-19 auf sich selbst und das deutsche Fernsehprogramm zurückgeworfen.
Das mit dem deutschen Fernsehen klingt ein wenig despektierlich, oder?
Halmer: Ha, ha, ha. Wie es halt so ist. Ich schaue viel Netflix. Und da kann ich nur sagen: Mein lieber Scholli, da sind schon gewaltige Unterschiede zu unserem TV-Programm!
Noch mal zurück zur Pilcher-Reihe: In der gibt es sie noch, die guten Dinge und noch besseren Menschen. Haben danach so viele Menschen Sehnsucht, weil die richtige Welt so anders ist?
Halmer: Wahrscheinlich schon. Das ist ein wenig wie bei deutschen Schlagern. Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen lieber so etwas sehen, als einen Problemfilm über Kranke. Nur Krimis gehen in Deutschland noch besser.
Vielleicht wegen des Happy Ends, und weil der Bösewicht meistens gefasst wird.
Halmer: Ja. Ich kann mich an einen „Tatort“ mit Götz George erinnern, bei dem ich den Verbrecher spielte. Nach der ersten Drehbuchfassung hätte ich am Ende entkommen sollen. Aber da hat der Sender sofort interveniert und gesagt, dass das überhaupt nicht gehe. In Deutschland muss es schlussendlich Gerechtigkeit geben. Und so musste ich mich von Götz George doch noch irgendwo in Italien festnehmen lassen. Bei der Pilcher dagegen hängt der Erfolg wohl auch mit den hübschen Schlössern und bizarren Felsformationen am Meer zusammen. Auch das Hineinschauen in die Welt der Reichen, das gefällt wohl dem TV-Zuschauer.
Lesen Sie selbst Pilcher-Romane?
Halmer: Nein, ich habe noch nicht einmal einen Pilcher-Film im Fernsehen geschaut. Ich meine das gar nicht ablehnend, aber mich interessiert es einfach nicht. Das heißt aber nicht, dass ich das alles verachte. Wenn die Rollen gut sind und man das gut spielt, ist es wie ein Märchen für Erwachsene. Im Grunde ist es nichts anderes als ein „Tatort“, der ja bei den Medien auch künstlerisch sehr angesehen ist, weil die Einschaltquoten hoch sind. Der „Tatort“ ist aber auch nur ein dunkles Märchen für Erwachsene. Da ist schauspielerisch kein Unterschied.
Sie leben ja in der Nähe von Rosenheim. Ist das nicht auch eine Gegend, die eine Pilcher-Kulisse abgäbe?
Halmer: Ich wohne tatsächlich etwa zehn Kilometer von Rosenheim entfernt auf einem Hügel. Da kann ich dann hinunterschauen auf die Stadt. Das ist tatsächlich eine schöne Ecke in Bayern. Ich kann ins Chiemgau und ins Inntal reinschauen. Das ist wirklich eine Art bayerische Pilcher-Kulisse.
Warum leben Sie in Bayern und nicht im hippen Berlin?
Halmer: In Berlin leben meine beiden Söhne. Schade, dass wir nicht zur Geburt unseres Enkelkindes hinfahren können. Für mich ist das ganz normal, in Berlin zu sein. Man dreht auch oft da. Ich bin aber jedes Mal froh, wenn ich wieder daheim im gemäßigten Bayern bin.
Sie sind im Vorstand des Ambulanten Kinderhospiz’ München. Das ist das Gegenprogramm zu Rosamunde Pilcher, oder?
Halmer: Na ja, das eine ist ein Dreh, das andere eine echt engagierte Geschichte. Da geht es um echte Not. Ich bin sehr froh, dass ich gebeten wurde, da mitzumachen. Ich möchte das aber nicht an die große Glocke hängen, weil ich das Gefühl habe, manche nutzen solche Ehrenämter, um sich selber noch bekannter zu machen.
Zur Person: Günther Maria Halmer, 78, gehört zu den ambitioniertesten deutschen Schauspielern. Mehrmals stand er auch für Hollywood-Produktionen vor der Kamera. Im ZDF gab er 13 Jahre lang den Anwalt Abel – nun wird die Figur in Rente geschickt.
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