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Interview: Moderator Reinhold Beckmann: "Ich kann mich jetzt mit Herzensdingen beschäftigen"

Interview

Moderator Reinhold Beckmann: "Ich kann mich jetzt mit Herzensdingen beschäftigen"

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    Der Moderator und Produzent Reinhold Beckmann hat ein berührendes Buch über seine Familie geschrieben.
    Der Moderator und Produzent Reinhold Beckmann hat ein berührendes Buch über seine Familie geschrieben. Foto: Jens Kalaene

    Herr Beckmann, bevor wir uns den wichtigen Dingen des Lebens widmen, steht die Frage: Kommt Deutschland mit dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann kommendes Jahr bei der EM über die Vorrunde hinaus?
    REINHOLD BECKMANN:: Na klar. Nagelsmann ist die richtige Wahl. Und die EM findet im eigenen Land statt, mehr Motivation geht nicht. Wer da nicht fokussiert ist, der hat den Beruf verfehlt. Ein Grundproblem der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren war, sich nicht mehr über die vollen 90 Minuten konzentrieren zu können. Da passierten die komischsten Dinge, weil sie plötzlich völlig neben sich standen. Am Ende reichen zehn schlechte Minuten aus, dass man ein scheinbar sicheres Spiel aus den Händen gibt.

    Woran liegt das?
    BECKMANN:: Vielleicht sollte man Rudi Völler fragen. Aber im Ernst, vielleicht brauchte es jemanden, der mehr Autorität verkörpert als Flick. Es ist nicht zu verstehen, dass Spieler in ihren Vereinsmannschaften 90 Minuten abliefern, und in der Nationalmannschaft funktioniert das nicht. Vielleicht ist es auch das Problem, dass den Spielern die Nationalelf nicht mehr so viel bedeutet.

    Wie schauen Sie eigentlich Fußballspiele vorm Fernseher an? Kommentieren Sie da mit oder sitzen Sie still davor?
    BECKMANN:: Ich schaue die Spiele gern gemeinsam mit Freunden – und wir schimpfen dann des Öfteren lauthals über die Co-Kommentatoren. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber im Grundsatz wird einfach zu viel geredet. Ernst Huberty würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das hören würde. Es wird über Dinge referiert, die auf den Platz gar nicht stattfinden. Die Co-Kommentatoren haben stellenweise mehr Wortanteil als die Kommentatoren. Da ist was verrutscht.

    Was war eigentlich Ihr schönstes Erlebnis als Sportreporter?
    BECKMANN:: Es bleibt irgendwie die Fußballweltmeisterschaft 1990 in Italien. Ich war unter anderem bei diesem Wahnsinnsspiel Deutschland gegen Holland dabei. Achtelfinale – 2:1 für uns. Ich habe Klinsmann danach nie wieder so schnell und entschlossen über den Platz rennen sehen. Die Mentalität hat einfach gestimmt, selbst ein etwas hüftsteifer Libero Klaus Augenthaler tat der Mannschaft nicht weh. Diese WM zu studieren wäre eine gute Schule für motivationsmüde Nationalspieler. 

    Sie arbeiten heute als Journalist, TV-Moderator und Musiker, nicht zuletzt aber auch als Autor in eigener Sache. Was hat Sie bewogen, ein so bewegendes Buch über das Leben Ihrer Mutter und deren im Krieg gefallenen vier Brüder zu schreiben?
    BECKMANN:: Ich wollte dieses Buch im Grunde immer schon schreiben. Aber mir war klar, dass so etwas nicht nebenher gelingt. Deshalb blieb die Idee lange in der Schublade, bis dann der auslösende Moment kam.

    Das war, als Sie Ihren Song „Vier Brüder“ 2021 am Volkstrauertag im Bundestag gespielt haben. Zwei Verlage haben anschließend bei Ihnen angefragt, ob Sie nicht ein Buch zum Thema schreiben möchte.
    BECKMANN:: Ja, so in etwa ist das Projekt entstanden. Ich habe dann mehrere Monate recherchiert, ein Jahr lang geschrieben und mich in dieser Zeit aus meiner TV-Produktionsfirma und anderen Dingen weitgehend zurückgezogen. Anders wäre das gar nicht zu bewerkstelligen gewesen.

    Die ersten Reaktionen auf das Buch sind sehr positiv.
    BECKMANN:: Ich bin sehr glücklich, dass es so ist. Es ist gleich auf Platz zwei der Spiegel-Bestsellerliste eingestiegen. Das ist aber nur Nebensache. Viel wichtiger ist, dass offenbar so viele Leserinnen und Leser wirklich berührt sind – manche beginnen, ihre eigenen Geschichten in den Familien aufzuarbeiten. Wir bekommen aktuell sehr viel Post von Menschen, die sagen: „Danke für den Anschub! Wir haben jetzt auch die alten Feldpostbriefe des Großvaters gelesen und sprechen darüber.“ 

    Ihre Mutter vertraute Ihnen vor einigen Jahren einen Schuhkarton an. Darin: die rund 100 Feldbriefe ihrer verstorbenen Brüder. Sie haben daraus die ergreifende Biografie einer Familie gemacht, die in dieser oder ähnlicher Form vielleicht viele erlebten.
    BECKMANN:: Es ist eigentlich absurd, dass man heute, 78 Jahre nach dem Krieg, sagt: Lasst uns mal darüber reden. Doch die Reaktionen zeigen, dass noch immer ein großes Bedürfnis bei den Menschen da ist, das alles besser zu begreifen. Das bedeutet aber auch für den Ukraine-Krieg, dass es noch Generationen dauern wird, bis das einigermaßen befriedet sein kann. Wenn die militärische Auseinandersetzung endet, ist damit der Krieg noch lange nicht aus. 

    Wirkt die Kriegshistorie noch in irgendeiner Form eines Traumas in Ihrer Familie fort?
    BECKMANN:: Ich glaube nicht. Es war schon mal ein großer Vorteil, dass nichts ‚totgeschwiegen‘ wurde. Wobei mein Vater - anders als meine Mutter - zunächst nicht über sein Schicksal gesprochen hat. Er hatte einen Lungendurchschuss erlitten, der ihn von der Front nach Hause in ein Sanatorium brachte, sodass er den Krieg überlebte und eine Familie gründen konnte. Ich kann mich gut an Albträume meines Vaters erinnern, der nachts hochschreckte, weil er sich wieder im Schützengraben wähnte.

    Wenn Sie nur eines der Talente ausüben könnten, wofür würden Sie sich entscheiden?
    BECKMANN:: Ich habe mich schon entschieden, indem ich raus bin aus der Talkshow und dann auch raus aus der Sportschau. Ich finde, man muss in meinem Alter nach über 30 Jahren vor der Kamera nicht mehr unbedingt in der allerersten Reihe rumturnen. Das war zunächst gar nicht so einfach, denn natürlich sind wir alle auch Aufmerksamkeits-Junkies - aber es hat mir neue Freiheiten eröffnet, über die ich zutiefst dankbar bin. Dadurch kann ich mich jetzt mit Herzensdingen wie diesem Buch beschäftigen, oder ich kann mit meiner Band auf Tournee gehen. Und das ist ein echter Gewinn.

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