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Interview: Meret Becker sieht ihr „Tatort“-Engagement zwiespältig

Interview

Meret Becker sieht ihr „Tatort“-Engagement zwiespältig

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    Das Team von „Tatort“ Berlin: Meret Becker mit ihrem Kommissar-Kollegen Mark Waschke.
    Das Team von „Tatort“ Berlin: Meret Becker mit ihrem Kommissar-Kollegen Mark Waschke. Foto: Annette Riedl, dpa

    Frau Becker, „Ein paar Worte nach Mitternacht“ lautet der Titel des „Tatort“ am vergangenen Sonntagabend. Erzählt wurde anlässlich des 30. Jubiläums der deutschen Wiedervereinigung die Geschichte von zwei „geteilten“ Brüdern, die auch mit der Einheit nicht mehr zusammenwachsen konnten. Wie haben Sie ihn erlebt?

    Meret Becker: Diese Folge war schon etwas Besonderes. Die Dreharbeiten sind wegen der Covid-Pandemie nach der Hälfte der Zeit unterbrochen worden und wurden erst nach über einem Monat wieder fortgeführt. Als es wieder losging, mussten plötzlich alle Masken tragen, jeden Morgen wurde Fieber gemessen und wir wurden von oben bis unten mit Desinfektionsmittel besprüht.

    Hat das auch die Schauspieler in ihrer Arbeit beeinträchtigt?

    Becker: Wir haben natürlich nicht mit Masken gedreht, aber wir mussten uns regelmäßig testen lassen und haben uns in eine freiwillige Quarantäne begeben. Es gab Diskussionen, wie nah man sich vor der Kamera noch kommen darf. Wir haben uns große Mühe gegeben, dass das gut geht, denn sonst hätte das fatale Folgen für alle in der Branche bedeutet.

    Wie haben Sie den Lockdown erlebt?

    Becker: Das war schon schwierig. Eigentlich wäre es höchste Zeit, eine Gewerkschaft für darstellende Künstler zu gründen. Die Politik muss sich genauer anschauen, wie unser Milieu funktioniert. Denn egal, ob Steuern, Renten oder jetzt staatliche Unterstützung – wir passen in kein System und fallen durchs Raster. Und es gehören ja viele Gewerke dazu. Es ist eine Kette. Aber ich meckere auf hohem Niveau. Ich lebe in keinem Lager und aus der Wand kommt fließend Wasser. Das sind die Dinge, die mir wirklich Sorge bereiten, das Klima und wie Europa mit Menschen umgeht, die Hilfe brauchen.

    Die Kommissare Nina Rubin und Robert Karow begegneten der deutschen Vergangenheit und ihren Folgen. Ist Deutschland in 30 Jahren Ihrer Ansicht nach gut zusammengewachsen?

    Becker: Puh, ich beschäftige mich nicht den ganzen Tag mit diesem Thema. Ich persönlich fühle mich auch eher europäisch und als Berlinerin denn als Deutsche. Aber wir in Berlin sind ja direkt dran, weil wir innerhalb der Stadt wiedervereinigt wurden. Das ist schon sehr speziell. Und ich finde es manchmal merkwürdig, dass man dabei versucht, Leuten ihre Geschichte wegzunehmen. Alle sollen gleichgemacht werden. Dabei merkt man meistens genau, ob Berliner aus dem Osten oder dem Westen der Stadt stammen. Eigentlich ist das doch ein Geschenk. Die Vielfältigkeit ist das Schöne an dieser Stadt.

    Was wünschen Sie sich persönlich zum deutschen Einheitsjubiläum?

    Becker: Meine Wünsche würde ich weltweit ausdehnen wollen. Ich wünsche mir weniger Kapitalismus, mehr Aufklärung. Dass Menschen mehr auf Augenhöhe miteinander umgehen, dass Grenzen fallen, dass sich Menschen ums Klima kümmern und mehr Flüchtende aufgenommen werden. Reicht das erst einmal an Wünschen?

    Ja – und man könnte sagen: Wenn die alle in Erfüllung gehen, dann würde die Welt wohl zu einer besseren werden.

    Becker: (lacht) Es könnte alles tatsächlich so einfach sein, wenn man auf mich hören würde.

    Frau Becker, zurück zum „Tatort“: Sie spielen seit 2014 die Berliner Kommissarin Nina Rubin. Wie stark ist die Figur durch Sie geprägt?

    Becker: Es gab ja einen Grund, warum man mich gefragt hat, diese Rolle zu übernehmen. Da wussten die schon, was sie bekommen. Und natürlich beeinflusse ich diese Rolle, habe aber manchmal auch sehr zu kämpfen.

    Inwiefern?

    Becker: Weil mir anfangs mehr zugestanden und dann teilweise wieder weggenommen wurde. Redakteure sind ja so eine Art Filter. Sie passen auf, dass das Fernsehen regelkonform bleibt, sie wagen etwas und putzen es wieder blank. Ich denke, da hadern aber auch viele Redakteure mit sich. Denn eigentlich möchten sie uns beistehen, sie müssen es aber wegen der Quote allen recht machen. Das kann man aber nicht, sage ich. Wer oder was bestimmt überhaupt diese Quote? Man muss immer wieder miteinander diskutieren. Ein Film ist ein Werk, an dem ganz viele beteiligt sind. Das ist die Krux, aber auch das Schöne.

    Sie haben in einem Interview gesagt, ein Vorteil der „Tatort“-Rolle sei, dass „man im Restaurant sofort einen Platz bekommt und sogar von Telefonistinnen wiedererkannt wird“.

    Becker: Stimmt ja auch. Das ist sehr schön, denn bei einer Ausstrahlung sind rund zehn Millionen Menschen mit von der Partie. Da müsste ich verdammt viele Konzerte spielen, um das hinzukriegen. Da müsste ich Madonna werden und bis an mein Lebensende auf Tour gehen. Es ist schon lustig. Ich mache seit 35 Jahren Arthouse-Kino und Musik und hängen bleiben wird bei den Leuten der „Tatort“.

    Hat sich mit der „Tatort“-Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung etwas geändert?

    Becker: Sicherlich. Man ist mainstreamig geworden. Ich werde seitdem anders gesehen, mit der Maske gerade allerdings nicht mehr überall erkannt.

    Ist das nervig, wenn man von wildfremden Menschen auf der Straße angesprochen wird?

    Becker: Nö. Aber wenn mich Leute einfach so mit dem Handy abschießen, finde ich das nicht gut. Wenn einer fragt: Können wir ein Foto zusammen machen? Überhaupt kein Problem. Aber heimlich über den Sessel des Flugzeugs fotografieren, beim Schlafen oder beim Essen abdrücken – das mag ich nicht. Allerdings gibt es wirklich Schlimmeres. Und mit der Maske wird man eh nicht mehr erkannt.

    Bald ist bei Ihnen mit „Tatort“ Schluss: Schon vor eineinhalb Jahren haben Sie Ihren Ausstieg bekannt gegeben. Ab 2022 möchten Sie sich anderen künstlerischen Aufgaben widmen und sich auf Neues konzentrieren. Gab es sonst noch einen Grund?

    Becker: Es gibt ja Schauspieler, die würden sich für eine Hauptrolle im „Tatort“ alle Beine ausreißen. Ich gehöre nicht dazu. Trotzdem bin ich zutiefst dankbar, dass ich das machen durfte. Denn ich habe viel gelernt und auch von Berlin Neues sehen dürfen. Die Arbeit macht meistens einen Riesenspaß, aber die Dreharbeiten blockieren einen auch ordentlich zweimal im Jahr. Und irgendwann war dann für mich genug. Ich habe 15 Filme in sieben Jahren gemacht. Ich weiß, aus finanzieller Sicht ist es eigentlich dusselig aufzuhören, aber das hat für mich keine Priorität. Ich bin eher ein Nomade, der dann auch mal weiterzieht.

    Sie sagten, außerdem würde „ich gerne auch mal Regie führen, egal ob auf der Bühne oder beim Film“.

    Becker: Das ist der Plan. Ob es klappt, ist etwas anderes. Ich bin ein Autodidakt und habe viele Sachen gelernt. Und ich bin voller Ideen.

    Sie arbeiten auch als Musikerin. Welche Projekte stehen da an?

    Becker: Nicht viel. Im Sommer sind alle Konzerte gecancelt worden, die meisten im Winter auch. Im November steht eine Lesereihe zusammen mit meiner Mutter und meiner Tochter an, und das sieht bisher gut aus. Irgendwann findet diese Pandemie ja hoffentlich ein Ende.

    Last, but not least: Waren Sie gerne Tatort-Kommissarin?

    Becker: Ja und nein. Es gab Momente, da wäre ich gerne weggelaufen. Und in anderen Situationen habe ich mich gefreut wie eine Schneekönigin. Als wir nach 24 Stunden morgens am Urbanhafen gedreht haben, die Beleuchter waren zurecht unfassbar schlecht gelaunt, es regnete, die Schwäne im Morgengrauen, dann musste man irgendwie lachen. Wenn man dann noch einen Kollegen hat wie Mark (Waschke), der das in diesem Moment genauso empfindet, dann liegt man sich in den Armen und denkt sich: Mein Gott, ist das Leben schön!

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