Frau Furtwängler, die christliche Menschheit unterscheidet sich bekanntlich in zwei Kategorien: Weihnachtsmuffel und Weihnachtsfreunde – zu welcher gehören denn Sie?
MARIA FURTWÄNGLER: Auf jeden Fall zur zweiten. Mein neuer Film ist auch Ausdruck meiner Sehnsucht nach Tradition und einer gewissen Beständigkeit. Ich habe das von meinen Vorfahren, insbesondere meiner Mutter und meiner Großmutter, vorgelebt bekommen. Und ich lebe das jetzt auch meinen Kindern so vor.
In der Tat trägt Ihr neuester Film den Titel "Abenteuer Weihnachten" Sie haben nicht nur eine der Hauptrollen gespielt, sondern ihn auch mitproduziert. Wie kam es dazu?
FURTWÄNGLER: Ich habe schon seit geraumer Zeit eine Produktionsfirma und mich hat das Genre Weihnachtskomödie auch besonders angezogen. Wir wollten einmal ausloten, wie man dieses warme Gefühl in unserer modernen Welt mit Patchwork-Familien, Scheidungskindern oder queeren Lebensmodellen erzeugen kann. So entstand die Idee, so einen Film zu drehen. Wir waren dann glücklich, den Autor Martin Rauhaus gefunden zu haben, die zauberhafte Regisseurin Mirjam Unger und unseren Co-Produktionspartner aus Österreich, mit denen wir den Stoff entwickelt haben.
Ist das kompliziert, wenn so viele mitquasseln?
FURTWÄNGLER: Wir sind ja eine relativ kleine Firma und haben auch keinen großen Stab, sodass wir uns stark auf die Entwicklung fokussieren und dann zur Durchführung mit anderen zusammentun. Das haben wir beim "Tatort" auch schon gemacht und machen wir auch beim nächsten Film, einem Drama, so.
Täuscht der Eindruck oder produzieren Sie öfter als früher?
FURTWÄNGLER: Na ja, ich habe die Produktionsfirma noch nicht so lange und es dauert auch eine Weile, bis man die ersten Green Lights (deutsch: grünes Licht, Anm. d. Redaktion) bekommt. Insofern täuscht der Eindruck nicht.
Warum haben Sie die Produktionsfirma gegründet? Als zweites Bein neben der Schauspielerei?
FURTWÄNGLER: Weil die Möglichkeiten des Mitgestaltens erweitert werden. Und ich habe großen Spaß am Gestalten. Da ist man als Schauspielerin begrenzt, auch wenn es gewisse Mitspracherechte gibt. Es ist eine spannende Herausforderung, eine Idee von der Entstehung bis zum fertigen Produkt zu begleiten.
In Ihrer Komödie will eine sehr heterogene Patchwork-Familie mit 13 Leuten Weihnachten feiern. Es geht turbulent zu, bis sich am Ende doch alles zu einem Happy End fügt. Was hat Sie an dem Stoff gepackt?
FURTWÄNGLER: Eigentlich dieser Hürdenlauf vor Weihnachten mit dem versöhnlichen Ende. In diesem Fall ist es die Kompromissbereitschaft aller, die dann ein harmonisches Weihnachten doch noch möglich macht. Es geht darum, die Zuneigung zueinander wiederzufinden, um am Ende die Herzen der Kinder glücklich zu machen. Vielleicht bin ich da ja ein bisschen kindlich geprägt. Ich jedenfalls glaube an die Kraft von Traditionen, denn wir Menschen brauchen Rituale, sie geben dem Jahr Struktur. Insofern war es eine Freude, jenseits von Krimi und Drama mal eine Weihnachtskomödie auszuprobieren.
Eines der Filmkinder wirft den Erwachsenen vor: "Erst zerstören sie ihren Planeten, jetzt auch noch Weihnachten". Würden Sie dieser These zustimmen?
FURTWÄNGLER: Zu unseren Lebzeiten hat sich in dieser Hinsicht sicher vieles zum Nichtbesseren verändert. Wir haben 70 Prozent der Wirbeltiere verloren, unfassbare Mengen Kohlendioxid in die Luft geblasen. Ja, ich kann das schon verstehen, dass eine jüngere Generation sagt: You fucked it up! ( deutsch: Ihr habt es vermasselt, Anm. d. Redaktion). Vielleicht wussten wir nicht genug Bescheid, aber auch seit wir genug wissen, tun wir definitiv zu wenig.
Wie stehen Sie selbst zum Thema Klimaschutz?
FURTWÄNGLER: Ich habe mit meiner Tochter zusammen die Malisa-Stiftung gegründet. Wir haben erst vor Kurzem die Studie publiziert "Klima und Biodiversität im deutschen TV". Auch für unsere Partner, die TV-Sender, waren die Ergebnisse überraschend. Denn 61 Prozent der Zuschauer wünschen sich mehr zu diesen Themen. Über die Hälfte der Leute wünscht sich so etwas auch regelmäßig im Hauptprogramm. Themen rund ums Artensterben nehmen beispielsweise nur 0,2 Prozent der Sendezeit ein. Dabei sind sauberes Wasser, Luft zum Atmen und auch unsere Ernährung unmittelbar von funktionierenden Ökosystemen abhängig und die wiederum von intakter Artenvielfalt.
Sie haben mit der Malisa-Stiftung auch eine Studie erstellen lassen, die eine Unterrepräsentanz von Frauen im Filmgeschäft feststellte. In der Politik ist das noch schlimmer. Im Bayerischen Landtag beträgt sie aktuell innerhalb der regierenden Parteien etwa 18 Prozent. Was sagen Sie dazu?
FURTWÄNGLER: Ja, das ist deprimierend. Das kann ich nicht anders sagen. In unserer Studie haben wir festgestellt, dass Frauen nur halb so viel zu sehen sind wie Männer. Frauen haben nur halb so viel Platz und Zeit auf dem Bildschirm wie Männer. Wie kann das sein?
Was lässt sich da tun? Es wird darüber geredet, aber es ändert sich wenig, es ist ein zäher Prozess.
FURTWÄNGLER: Das sehe ich auch so. Aber ich glaube, dass wir mit unseren Fakten schon eine gewisse Grundlage für eine Diskussion liefern. Ich selbst achte in meinen Produktionen sehr darauf, den Frauenanteil sowohl hinter als auch vor der Kamera zu erhöhen.
Zurück zu Weihnachten. Gibt es bei Ihnen Geschenke?
FURTWÄNGLER: Wir gehen zunehmend dazu über, immaterielle Dinge wie Zeit zu schenken. Eine gemeinsame Reise oder ein gemeinsamer Besuch im Theater. Was gibt es Kostbareres, als sich Zeit zu schenken?
Zur Person
Maria Furtwängler, 57, studierte ursprünglich Medizin. Bis 2001 arbeitete sie als Ärztin, widmete sich dann aber ganz der Schauspielerei. Seit 2002 spielt sie "Tatort"-Kommissarin Charlotte Lindholm, dazu zahlreiche Fernsehfilme und -serien.