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Interview: Jürgen Vogel: „Angst ist nie ein guter Berater“

Interview

Jürgen Vogel: „Angst ist nie ein guter Berater“

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    Schauspieler Jürgen Vogel als LKA-Ermittler Gabriel Bach.
    Schauspieler Jürgen Vogel als LKA-Ermittler Gabriel Bach. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Hallo Herr Vogel, wann hatten Sie das letzte Mal so richtig Angst?
    Jürgen Vogel: Das ist lange her. Ehrlich gesagt, kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern.

    Wirklich? Sie sind ein Mann ohne Angst?
    Vogel: Ohne Angst würde ich nicht sagen. Denn dann wäre ich blöd. Aber ich habe irgendwann mal für mich begriffen, dass Angst kein guter Begleiter ist. Ich reagiere auf Leute, die mit Angst argumentieren oder Angst verbreiten wollen, allergisch. Denen bringe ich großes Misstrauen entgegen. Angst ist für mich eine Verkaufsstrategie, aber definitiv keine Lebensphilosophie.

    Ist Angst für Sie im Alltag ein Thema?
    Vogel: Nicht mehr. Ich fühle mich für alle Ängste, die ich in meinem Leben bisher so hatte, vorbereitet. Beispielsweise mache ich Kampfsport, um andere, aber auch mich selbst in Notwehrsituationen verteidigen zu können. Ich meine auch, dass das Recht auf Selbstverteidigung wichtig ist – egal, ob als Gesellschaft oder als Person. Und man kann sich auf Eventualitäten gut vorbereiten – mehr geht eben nicht.

    In der neuen ARD-Serie „Informant – Angst über der Stadt“ versetzen Hinweise auf einen islamistischen Anschlag auf die Hamburger Elbphilharmonie die Polizei in Alarmbereitschaft. Das Thema ist auf erschreckende Weise aktuell, oder?
    Vogel: Ja, dieses Thema ist allerdings nicht erst seit Solingen aktuell. Die Serie, nach der auch unsere geschrieben wurde, gibt es schon länger. ‚The Informer‘ ist eine britische Serie über einen Terroranschlag in London und lief 2018 auf BBC.

    Die Serie erzählt auch davon, was zu viel Panik alles anrichten kann. Denn in Wirklichkeit ist gar kein Anschlag geplant und trotzdem sterben viele Menschen.
    Vogel: Ja, Panik ist nie hilfreich. Ich glaube auch, dass die Lebensqualität sinkt, wenn man sich zu viel mit Angst beschäftigt und alles negativ und schwarz sieht. Wer so lebt, verliert seine Leichtigkeit und kann das Leben nicht mehr genießen. Sicherlich darf man Probleme nicht ignorieren, aber sich permanent damit zu befassen, macht aus uns keine besseren Menschen.

    Ein wichtiger Satz in einer Folge lautet, als der Direktor der Elbphilharmonie ein Konzert trotz der Terrorgefahr nicht absagen will: „Wenn sich die Kunst der Gewalt beugt, dann verliert sie ihre freiheitliche Kraft.“ Sehen Sie das auch so?
    Vogel: Definitiv, das ist so.

    Machen wir in Deutschland nach den Morden von Solingen auch gerade den Fehler, den freiheitlichen Rechtsstaat einzuschränken und übertriebene politische Sicherheitsmaßnahmen zu fordern?

    Vogel: Was mir daran nicht gefällt, ist, dass wir immer erst darauf warten, bis etwas Schlimmes passiert, um das dann zu tun, was schon hätte viel früher geschehen müssen. Wir versuchen nicht, Dinge zu verhindern, sondern reagieren immer hinterher. Thema Asylbewerber. Angenommen, man würde uns selbst mit ganz wenig Geld in ein fremdes Land verfrachten. Und wir werden dort nicht integriert, sondern mit kaum Geld ausgestattet in Container gesteckt. Obendrein hätten wir eine schwierige Sozialisation und kämen aus einer gänzlich anderen Kultur. Am Ende sperrt man uns dann beschäftigungslos mehr oder weniger ein, zwei Jahre ein. Da ist doch absehbar, was passiert. 

    Da entsteht ein Nährboden für Gewalt.
    Vogel: Als mein Vater irgendwann arbeitslos wurde, war das die Hölle für uns. Er war eh nicht der geilste Typ, aber als er arbeitslos wurde, hat er seine ganze aufgestaute Aggression an der Familie ausgelassen. Er war am sozialen Abstieg und konnte seiner Aufgabe als Versorger nicht mehr nachkommen. Es war schrecklich! Wir mussten als Kinder bei Klassenfahrten immer diesen Bogen vom Sozialamt ausfüllen, aber für ihn war es noch schlimmer, weil er seine Rolle verloren hatte. Solche Situationen machen aus Menschen nichts Gutes.

    Hat man in der Politik zu tatenlos zugeschaut, was sich da zusammenbraute beim Thema Asyl.
    Vogel: Ja. Jetzt macht man einen auf harte Kante und spricht über Abschiebung von Straftätern. Aber Tatsache ist doch, was machen wir mit den Leuten, die einfach nur gerettet werden wollen? Warum reden wir nicht darüber? Wie erleichtern wir denen die Integration? Wie bringen wir die mit weniger Bürokratie viel schneller in eine Beschäftigung? Wir haben so viele offene Stellen, auch in einfachen Jobs. Warum lässt man das nicht auch Asylbewerber machen? Dass Gewalttäter bei uns nicht willkommen sind, das ist doch völlig klar. Die Frage ist aber, warum gehen wir beim Thema Integration insgesamt nicht genauso stringent vor wie bei all den harten Maßnahmen, die jetzt kommen sollen?

    Wie bewerten Sie die Asylpolitik in den vergangenen Jahren?
    Vogel: Gerade auch viele in der Union tun sich jetzt hervor, wollen harten Hund geben. Tatsache ist doch: Die haben alle zusammen alles verschlafen. Die politische Szene wirkt auf mich wie ein Stammtisch von schlechten Schauspielern, Knallchargen ohne Inhalt und Haltung, die je nach Bedarf auswendig gelernte Sprüche vor sich herblasen.

    Kurz und gut, Sie stellen in den Raum, die Politik habe versagt.
    Vogel: Nicht nur die Politik, sondern auch wir als Gesellschaft. Dass wir auch jetzt so leichte Beute von denen werden, die mit Angst Wahlkampf machen. Wie kann man Leuten trauen, die sagen, dass unsere Probleme ganz simpel zu lösen sind? Wenn jemand zu uns an die Türe käme und sagt, wenn Sie ein Schloss für 2000 Euro kaufen, sind Sie geschützt vor allem, natürlich würde das keiner kaufen. Aber in der Politik passiert das schon. Das ist verrückt!

    Das Ergebnis konnte man zuletzt bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen beobachten, oder? Auch da spielte die Angst und gefühlte Unsicherheit eine nicht zu unterschätzende Rolle.

    Vogel: Für mich sind Menschen, die mit Angst punkten wollen, nicht vertrauenswürdig: Punkt. Was ich aber auch dazu sagen muss: Wir haben es als Gesellschaft verpasst zu verstehen, was da im Osten bei der Wende eigentlich passiert ist. Was wir Westler mit denen gemacht haben, angefangen vom Begrüßungsgeld bis zum Plattmachen der Wirtschaft, das hat heute noch Folgen. Aus an angekündigten blühenden Landschaften wurde nichts, weil wir unser eigenes Land geplündert haben. Die Menschen da bekommen beispielsweise heute noch weniger Rente als wir. Wie kann das sein? Und auch die Arroganz der Westdeutschen gegenüber den Ostdeutschen ist manchmal unerträglich. Die fühlten sich von uns verarscht. Und bis heute hat sich dafür keiner entschuldigt. Und deswegen sind die auch misstrauisch allen gegenüber, was ihnen der Westen anpreist. So lange wir die Leute im Osten aber nur verurteilen und so tun, als wären das alle Nazis, werden die klassischen West-Parteien da niemand abholen. Ich frage mich, warum da nichts passiert.

    Oskar Lafontaine hat schon zu Einheitszeiten als Kanzlerkandidat gefordert, zwei deutsche Länder, die sich selbstständig weiterentwickeln könnten, wäre besser als eine übergestülpte Einheit. Hatte er vielleicht recht?
    Vogel: Nein, ich glaube nicht, dass zwei Länder besser gewesen wären. Ich glaube einfach, dass wir mehr Demut gegenüber den Ostdeutschen bräuchten und auch mehr anerkennen sollten, was diese geleistet haben. Wir sollten uns bei denen eher entschuldigen, als sie als „Pack“ zu beschimpfen.

    Am Ende noch einmal zurück zu Ihnen. Sie sagten, vor dem Dreh, Sie hätten sich einer Hüft-OP unterzogen, bei der Ihnen ein künstliches Gelenk eingesetzt worden sei. Man habe die Geh-Beschwerden in die Serie eingebaut, was sie toll fanden. Wie geht es Ihnen heute?
    Vogel: Gut. Ich habe gleich nach der Operation wieder mit Sport begonnen. Das hat mir bestens geholfen. Denn das trägt dazu bei, dass die Nervenenden schneller zusammenwachsen und die Muskulatur sich wieder aufbaut. Ich kann heute wieder alles machen. Vorher tat ich das zwar vier Jahre auch, aber ich hatte immer Schmerzen.

    Info: Die Teile 1 bis 3 werden am Mittwoch, 16. Oktober 2024, ab 20.15 Uhr, und der Teile 4 bis 6 am Donnerstag, 17. Oktober, ebenfalls ab 20:15 Uhr in der ARD ausgestrahlt. Alle Folgen können ab 11. Oktober in der ARD Mediathek angesehen werden.

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    1 Kommentar
    Klara Rasper

    Warum haben wir denn Angst ? Die war mal ein sehr guter Berater fuer unser Ueberleben. Mutige Jaeger oder Kampfhaehne lebten halt gefaehrlicher. Trotzdem werden wir ohne Risiko und Angst oft keinen Erfolg haben.

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