Herr Lafer, wie geht es Ihnen?
JOHANN LAFER: Auf den Punkt gebracht: Mir geht es gut. Es geht mir in jedem Fall besser als vor ein paar Jahren.
Kann man sagen, Sie sind heute schmerzfrei?
LAFER: Das kann in meinem Alter keiner hundertprozentig von sich behaupten. Aber im Großen und Ganzen habe ich eine Lebensqualität zurückgewonnen, die ich mir immer gewünscht habe.
Man kann nachlesen, dass Sie wegen einer Kniearthrose und chronischer Schmerzen mit Mitte 50 keine rechte Freude mehr am Leben hatten. Was war los?
LAFER: Ich war tatsächlich lustlos und relativ traurig. Als ich noch die Stromburg (sein früheres Restaurant, Anm. d. Red.) hatte, haben meine Frau und ich unseren Körpern sozusagen nichts geschenkt. Das blieb natürlich nicht ohne Spuren. Ich hatte extreme Schmerzen und Knieprobleme. Wegen des Leistungsdrucks habe ich morgens, mittags und abends Schmerztabletten genommen. So versuchte ich, das Leben zu gestalten, so gut es eben unter diesen Umständen ging.
Ab wann merkten Sie, dass es so nicht weitergehen konnte?
LAFER: Unsere Tochter lebte damals in London. Ich bin da aus dem Zug ausgestiegen und plötzlich konnte ich keinen Meter mehr gehen. Dann robbte ich mich ins nächstgelegene Hotel, habe ein Zimmer gebucht und mich hingelegt. Zuerst dachte ich, vielleicht ist der Meniskus beschädigt oder so was. Als ich wieder zurück in Deutschland war, habe ich das Knie untersuchen lassen. Die Diagnose lautete: fortgeschrittene Arthrose. Der Arzt sagte, der Reifen sei abgefahren. Sie wissen ja, wenn der Reifen abgefahren ist, muss man eine Runderneuerung machen. Bei mir war das ein neues Knie. Ich musste mich operieren lassen.
Und dann?
LAFER: Sagte der Arzt, wir werden uns bald wiedersehen, weil Sie bei dem anderen Knie dieselben Probleme haben. Und nachdem die erste OP mit Reha und allem Drum und Dran mich fast sechs Monate gekostet hat, habe ich versucht, irgendetwas zu finden, um diesem Schicksal zu entkommen.
Und Sie wurden fündig.
LAFER: Ja, ich mache im Januar in Österreich immer eine Fastenkur, da habe ich eine Cousine getroffen, die auch mehrere schmerzhafte Wehwehchen hatte. Sie sagte mir, es ginge ihr viel besser, seitdem sie die Übungen des Schmerztherapeuten Liebscher-Bracht mache. Ich wusste zufällig, dass der für denselben Verlag arbeitete wie ich. Also rief ich im Verlag an und fragte, ob ich seine Telefonnummer bekomme und vielleicht schnell einen Termin.
Offenbar hat es geklappt.
LAFER (LACHT): Ja, aber ich habe erst einmal gedacht: Wo bin ich denn hier gelandet? Der hat auf meine Muskeln gedrückt. Ich habe fast geschrien vor Schmerz. Dann musste ich Treppen rauf- und runtergehen. Ich dachte schon, ich bin bei einer Sekte gelandet. Und dann sagte er mir: "Ach Herr Lafer, Ihre Blutwerte, zu viel Cholesterin, zu viel Harnsäure und dies und das." Er hat mir geraten, mich unbedingt anders zu ernähren – am besten vegan.
Und was haben Sie geantwortet?
LAFER: Was? Ich bin Koch aus Leidenschaft! Der Kollege Lichter hat immer gesagt, ein Steak unter 400 Gramm ist Carpaccio. Irgendwann hat mich seine Frau, die Ernährungsmedizinerin ist, vor die Wahl gestellt: Sie können das machen oder nicht. Es ist Ihr Körper! Ich bin nach Hause und habe meiner Frau erzählt: "Horch zu, jetzt soll ich Gras essen." Sie antwortete: "Spinnst du, deine Bücher sind doch erfolgreich!" Darin sind Rezepte vom Schnitzel bis zum Sauerbraten. Aber irgendwie merkte ich, dass das Thema alternativlos war.
Sie stiegen um?
LAFER: Ja, aber das war gar nicht einfach. Als ich nach meinem ersten Buch "Essen gegen Arthrose" dann mal Lammkeulen grillte, ist die ganze vegane Community regelrecht über mich hergefallen. Sie haben mich beschimpft, was von veganem Essen zu schreiben, aber in Wirklichkeit Lammkeulen zu schmoren. Ich selbst habe mich eben anfangs wirklich schwergetan, mich umzustellen.
Was war Ihr Problem?
LAFER: Na, die Psyche und der Stress. Wenn man unter Druck ist, dann kommt man nachts nach Hause und trinkt noch eine halbe Flasche Rotwein, um sich zu beruhigen. Das kennt doch jeder von uns! Ich konnte mich einfach nicht kasteien. Aber Stück für Stück habe ich dann gemerkt, dass es mir langsam besser geht. Ich habe zwei- bis dreimal die Woche Übungen gemacht und immer weniger gegessen.
War es ein Kampf?
LAFER: Ja, natürlich. Wenn man 40 Jahre nur eine Richtung bedient, dann fällt es schwer sich umzustellen. Die Macht der Gewohnheit ist brutal. Aber dann habe ich angefangen, mich immer mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Und jetzt bin ich an dem Punkt angelangt, an dem ich sagen kann: Ernährung hat für die Gesundheit eine große Bedeutung. Denn ich bin heute abgesehen von einigen Wehwehchen schmerzfrei. Klar, ich werde 66, aber für dieses Alter ist meine Situation absolut zufriedenstellend.
Sie haben damals 118 Kilo gewogen und innerhalb eines halben Jahres 16 Kilo abgenommen. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang ein Idealgewicht?
LAFER: Leider habe ich das alles wieder zugenommen. Das war ein Kasteien auf höchstem Niveau, weil man denkt: alles Vollgas, von einem Extrem ins andere. Und schon schlägt der Jojo-Effekt zu. Ich würde das nicht mehr so machen, denn der Körper muss sich sukzessive von Gewohnheiten trennen. Einer meiner großen Fehler war, abends noch viel zu essen. Dadurch steigt der Insulinspiegel und der Körper kann sich nie von den Schlacken erholen.
Und dann?
LAFER: Ich weiß heute, dass ich meinem Körper nicht zu viel schwer Verdauliches zumuten darf, wenn ich Leistung bringen will. Ich betreue ja beispielsweise Tennisspieler beim Turnier in Shanghai, und da habe ich gesehen, dass die fast alle vegan essen. Und ich dachte mir, es muss ja was dran sein, wenn die Spieler vor ihren Matches Blumenkohl mit Süßkartoffeln oder Haferbrei zu sich nehmen.
In Ihrem neuen Buch "Essen gegen Schmerzen" versprechen Sie, niemand müsse Schmerzen hinnehmen. Ist das nicht ein wenig vollmundig angesichts der Tatsache, dass allein 54 Millionen Deutsche an Kopfschmerzen leiden?
LAFER: Ja, das ist sicherlich von Einzelfall zu Einzelfall genauer zu betrachten. Aber das hier ist eben eine persönliche Dokumentation meiner Probleme. Eine meiner Diagnosen ist Halswirbelverschleiß. Dadurch, dass ich 40 Jahre eine bestimmte Haltung hatte, bin ich komplett nach vorne geneigt. Vieles ist auf ein solches Fehlverhalten zurückzuführen, vielleicht nicht jede Art von Kopfschmerz, aber doch eine Menge. Ich habe gestern 16 Stunden gearbeitet und durch meine Übungen, wie den Körper nach hinten zu biegen, verbessere ich die Verspannungen. Dadurch ist es gelungen, die Schmerzen sozusagen zu eliminieren. Eine tiefgehende Migräne kann man natürlich nicht immer wegessen oder wegdehnen. Aber oft sind es ganz simpel einseitige Belastungen, manchmal liegt es sogar am falschen Kopfkissen. Dieses Buch soll Mut machen oder zumindest anregen, über diese Themen nachzudenken. Und ich bin der lebende Beweis dafür, dass man etwas tun kann.
Sie essen inzwischen so gut wie kein Fleisch mehr.
LAFER: Ja, als Koch habe ich jahrelang Maaloxan oder Tabletten genommen gegen die Übersäuerung des Magens, die durch zu schnelles oder zu viel essen entsteht. Durch meine jetzt basische Ernährung ist das viel besser geworden.
Die Massenrinderhaltung ist ja schwer in der Kritik.
LAFER: In der Tat. Die Kuh frisst kein Fleisch, nur Gras. Und wir essen die Kuh. Das heißt, wenn wir auch so leben würden wie die Kuh, dann bräuchten wir die Kuh nicht mehr essen. Ich erzähle Ihnen ein Beispiel. Ich habe einen Kochkurs mit großen Herren veranstaltet. Wir machten T-Bone-Steaks, 500 Gramm schwer. Ein paar wollten aber vegetarisch essen. Für mich und diese anderen habe ich eine Aubergine dick geschnitten, mit Teriyaki-Sauce bestrichen und mariniert. Dazu gab es einen Salat mit Melonen, Tomaten und Grapefruit. Alle mit T-Bone-Steak wollten das dann auch probieren. Und hinterher sagten sie: Eigentlich fehlt da nichts. Es ist oft das Wissen um Ernährung, Gewürze und Kräuter. Ich habe früher gesalzen wie ein Irrer und heute arbeite ich viel mehr mit Gewürzmischungen.
Wenn aber Menschen partout nicht auf Fleisch oder Wurst verzichten wollen? Sie wissen ja, die Currywurst mit Pommes ist immer noch das beliebteste deutsche Kantinengericht.
LAFER: Die ist auch lecker. Ich esse sie nach wie vor, aber nicht im Übermaß. Mein Ziel wäre: Die vegane Bewegung sollte sich annähern an die klassische Ernährung, in dem man nach wie vor das Motto "Leben und leben lassen" gelten lässt. Dinge, die nicht gerade gesundheitsförderlich sind, soll man weiter essen dürfen, halt nur zehn Prozent. Aber nur Gras und Salat essen, das könnte ich nicht. Da fehlt dann der Genussfaktor.
Und wie sieht es mit Zucker aus?
LAFER: Der ist natürlich wichtig als Nahrung für das Gehirn und die Vitalität. Aber Zucker ist ja ein dehnbarer Begriff. Ich nehme ganz viel Dattelsirup, Agavendicksaft oder Kokusblütenzucker. Wenn ich nach Malaysia komme, nehme ich mir von da auch braunen Rohrzucker mit. Davon ein Klötzchen schmeckt einfach besser als normaler Zucker. Vom raffinierten weißen Zucker verbrauche ich nurmehr ganz wenig.
Eine wichtige Rolle in der Schmerztherapie spielt neben der gesunden Ernährung auch das Dehnen der Muskeln und Faszien. Machen Sie täglich Yoga oder Pilates?
LAFER: Iwo. Ich mache nur fünf Übungen, die ich in dem Buch auch beschreibe. Bei denen habe ich das Gefühl, dass sie mir helfen. Dazu gehört beispielsweise, sich auf Bücher zu legen und den Körper nach hinten zu dehnen. Ich arbeite immer nach vorne gebeugt. Wenn ich meine Übungen mache, jede dauert so zweieinhalb bis drei Minuten, dann merke ich so richtig, wie sich die Muskeln öffnen. Man muss aber schon merken, dass es wehtut. Die Übungen sind übrigens total unkompliziert, man braucht dazu keine Gerätschaften. Ich habe früher eigene Fitnesstrainer gehabt, aber ich habe heute keinen Bock mehr, morgens ums Haus zu laufen. Ich möchte ein System, an dem ich Freude habe.
Zur Person
Johann Lafer, 65, wollte als Kind kochen lernen, auf einer Burg leben, Helikopterpilot sein und Fußballprofi. Die drei ersten Ziele hat er erreicht.