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Interview: "Ich wusste schlagartig nicht mehr, in welche Richtung der Weg geht"

Interview

"Ich wusste schlagartig nicht mehr, in welche Richtung der Weg geht"

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    Christina Athenstädt kann sich mittlerweile selbst gut mit den Hilfsmitteln blinder Menschen bewegen.
    Christina Athenstädt kann sich mittlerweile selbst gut mit den Hilfsmitteln blinder Menschen bewegen. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Frau Athenstädt, Sie haben nach dem Tod Ihrer Kollegin Lisa Martinek die Rolle der blinden Anwältin Romy Heiland in der ARD-Serie "Die Heiland – Wir sind Anwalt" übernommen. Und zwar sehr erfolgreich. Was macht die Produktion aus Ihrer Sicht aus?
    CHRISTINA ATHENSTÄDT: Da ist einerseits die erfolgreiche blinde Anwältin, die als solche einfach für den Zuschauer spannend ist. Ich finde das auch beim Spielen sehr spannend. Überdies ist das Verhältnis zu ihrer Assistentin und künftig auch ihrem neuen Assistenten schon speziell. Denn die haben beide einen ganz anderen sozialen Background. Heilands Vater war Richter, sie ist Juristin. Die Assistenten haben kein Jurastudium absolviert, verfügen aber über andere Qualitäten und haben natürlich auch einen anderen Blick auf die Mandanten, das macht wohl den Spaß bei den Zuschauern aus.

    Die Serie wurde von der tatsächlich blinden und in Berlin arbeitenden Anwältin Pamela Pabst inspiriert, die Sie auch kennengelernt haben. Was haben Sie von ihr übernommen?
    ATHENSTÄDT: Sehr viel tatsächlich. Ich durfte mir bei ihr alles abschauen – sowohl in der Kanzlei als auch, wie sie sich im Gericht verhält. Es ging darum, wie sie arbeitet, welche Hilfsmittel sie verwendet. Auch aus ihrer Biografie habe ich mir das eine oder andere geklaut. Man kann sagen, Romy Heiland ist schon stark an diese Biografie angelehnt. Pamela Pabst hat einen nach vorne gerichteten Charakter. Sie ist mutig und direkt. Und wenn im Drehbuch Situationen vorkommen, bei denen ich nicht weiß, wie ich sie lösen soll, dann nehme ich auch oft das, was Pamela machen würde.

    Was für eine Frau ist Pamela Pabst?
    ATHENSTÄDT: Ich bin gerne mit ihr zusammen, weil sie sehr lustig ist. Sie ist vielleicht nicht ganz so ehrgeizig wie Romy Heiland, aber sie ist für ihre Mandanten eine sehr gute Anwältin. Sie kann gut zuhören und sich vor Gericht gut durchsetzen.

    Die Rechtsanwältin Pamela Pabst ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands.
    Die Rechtsanwältin Pamela Pabst ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands. Foto: R. Jensen, dpa

    Sie sagten, Sie hätten regelrecht unter Schock gestanden, als Sie zum ersten Mal eine Augenbinde trugen, um sich auf die Rolle vorzubereiten. Erzählen Sie.
    ATHENSTÄDT: Ich habe mir im Park die Augen verbunden, hatte den Langstock dabei und einen Bewegungstrainer für blinde Menschen. Das war der Hammer! Mit Binde wusste ich schlagartig nicht mehr, in welche Richtung der Weg geht. Ohne Leitlinien auf dem Boden und ohne Wissen, wie man den Langstock einsetzt, ist man wirklich aufgeschmissen. Es ist als blinder Mensch wirklich schwierig, sich in unbekanntem Terrain fortzubewegen. Aber ich habe im Laufe der Zeit gelernt, ganz gut mit dem Langstock umzugehen.

    Christina Athenstädt (links) in ihrer Rolle als Romy Heiland.
    Christina Athenstädt (links) in ihrer Rolle als Romy Heiland. Foto: Hardy Spitz, ARD/dpa

    Könnten Sie inzwischen mit verbundenen Augen durch die Stadt laufen?
    ATHENSTÄDT: Nein, wenn ich den Weg nicht kenne, definitiv nicht.

    Eine der Besonderheiten der Serie ist der Perspektivwechsel. Das Leben wird aus Sicht einer blinden Person dargestellt, aber die Blindheit wird nicht speziell als Problem thematisiert.
    ATHENSTÄDT: Ja, das lese ich häufig in Zuschauerreaktionen. Den Leuten gefällt, dass es eine Person mit Behinderung in der Geschichte gibt, diese Behinderung aber nicht als zentrales Problem thematisiert wird. Natürlich wird auch dargestellt, dass Blindsein bisweilen problematisch ist, aber Romy Heiland bewältigt das und löst vor allem die Probleme ihrer Mandanten. Das Blindsein gehört zum Alltag dazu, insofern ist es eine Form von Integration. Das honoriert das Publikum.

    Ihr Mann Peter Fieseler spielt die Rolle von Romys ehemaligem Lebensgefährten. Wie ist es, mit dem eigenen Ehemann als Ex zu spielen? 
    ATHENSTÄDT: Bisher haben wir das gut hingekriegt. Es macht echt Spaß, mit ihm zu spielen. Er ist ein guter Kollege. Der Unterschied zu den anderen ist, dass ich mit ihm nach der Arbeit nach Hause fahre.

    Wird daheim am Küchentisch weiterdiskutiert?
    ATHENSTÄDT: Ja, wir reden da schon noch drüber. Allerdings brechen wir das irgendwann ab, weil da könnten wir oft ewig drüber sprechen. Das Thema Arbeitsplatz ist ja unerschöpflich.

    Romy Heiland ist vor allem eins: eine sehr engagierte Rechtsanwältin, für die der Beruf sehr wichtig ist. An welcher Stelle steht bei Ihnen der Job?
    ATHENSTÄDT: Er ist mir schon sehr wichtig. Aber als ich Mutter wurde, habe ich den Beruf eine Zeit lang hinten angestellt. Ich habe zwar gearbeitet, musste das aus finanziellen Gründen auch, aber ich habe die Karriere nicht mehr vorangetrieben. Jetzt ist mein Kind älter und auch gerne mal ohne mich. Da ist die Arbeit schon wieder ein sehr wichtiger Teil. Ich glaube, ich brauche das. Ich mag es auch sehr, dass man sich als Schauspielerin so projektbezogen fokussiert, viel und lange arbeitet, aber dann auch wieder Perioden mit viel Freiheit kommen.

    Sie nutzen auch Social-Media-Kanäle. Auf Instagram beispielsweise stellen Sie neben Fotos von den Dreharbeiten auch politische Statements. Was ist gerade Ihr wichtigstes politisches Anliegen?
    ATHENSTÄDT: Ich bin gerade sehr erschrocken über den Aufschwung von rechts. Da sage ich ganz klar: Nie in meinem Leben würde ich diese Partei wählen. Es gibt auch keinen Grund, das aus Protest zu tun! Das hilft niemandem, denn in der AfD sind Menschen, die niemals an die Macht kommen sollten. Man kann unzufrieden sein, man kann auch über viele Fehler der Parteien diskutieren, aber niemals die

    Engagieren Sie sich, indem Sie auf Demos gehen beispielsweise?
    ATHENSTÄDT: Auf Demos gehe ich als Privatperson schon immer mal wieder. Als öffentliche Person engagiere ich mich bei "German Dream". Da geht es darum, mit jungen Menschen über ihre Werte und das Grundgesetz zu sprechen. Und für diese Gespräche stelle ich mich als eine von mehreren Personen zur Verfügung.

    Zur Person

    Christina Athenstädt wurde ab 2008 bekannt mit der Telenovela "Wege zum Glück". Die 44-Jährige lebt mit ihrem Mann Peter Fieseler und der 2011 geborenen Tochter in Berlin. Die vierte Staffel von "Die Heiland – Wir sind Anwalt" mit 13 neuen Folgen läuft ab 29. August dienstags um 20.15 Uhr im Ersten.

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