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Interview: Henriette Confurius: "Dieser Film ist ja eigentlich eine Zumutung"

Interview

Henriette Confurius: "Dieser Film ist ja eigentlich eine Zumutung"

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    Henriette Confurius spielt im ZDF-Gerichtsdrama "Er sagt. Sie sagt." eine Strafverteidigerin. Eine Rolle, mit der sie keine Verbindung eingehen wollte.
    Henriette Confurius spielt im ZDF-Gerichtsdrama "Er sagt. Sie sagt." eine Strafverteidigerin. Eine Rolle, mit der sie keine Verbindung eingehen wollte. Foto: Julia Terjung, ZDF

    Frau Confurius, in der neuen Ferdinand-von-Schirach-Verfilmung "Sie sagt. Er sagt" spielen Sie die Strafverteidigerin eines mutmaßlichen Vergewaltigers. Hat Sie dieses heftige Thema nach den Dreharbeiten nachts beschäftigt?
    HENRIETTE CONFURIUS: Es hat mich natürlich beschäftigt. Ich möchte aber nicht ins Detail gehen, wann und wie es das tat. Aber genau diese Intensität fand ich toll und hat mich interessiert an diesem Buch. Denn die Thematik ist ja allgegenwärtig. Und dieses Drehbuch zu lesen, hat mich fast dazu gezwungen, mich unwillkürlich tiefer damit zu beschäftigten. Dieser Film ist ja eigentlich eine Zumutung. Es gibt keinen Frieden am Schluss, keinen Urteilsspruch. Und als Zuschauerin oder Zuschauer weiß man am Ende genauso viel wie die Richterin. Dadurch werden alle gezwungen, sich zu entscheiden, ob man dem Angeklagten glaubt oder der Klägerin. Da spürt man ganz schnell, welche Vergewaltigungsmythen in einem selbst verankert sind. Es ist sehr wichtig, dass sich unsere Gesellschaft mit diesem Thema auseinandersetzt.

    Der Film "Sie sagt. Er sagt." spielt nur im Gerichtssaal.
    Der Film "Sie sagt. Er sagt." spielt nur im Gerichtssaal. Foto: Julia Terjung, ZDF

    Und wie schaltet man dieses Thema nach Drehschluss mental wieder aus?
    CONFURIUS: Ich hatte viel Redebedürfnis, auch zwischen den einzelnen Aufnahmen. Allerdings habe ich schnell gemerkt, dass das nicht möglich war, weil auf einem sehr hohen Niveau sehr konzentriert gearbeitet wurde. Alles musste funktionieren, sodass keine Zeit für persönliche Emotionen war. Ich habe dann angefangen, in jeder Pause Federball zu spielen, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Ich fand auch interessant, dass ich mit meiner Rolle diesmal keine Verbindung eingegangen bin. Ich wollte mich nicht näher mit ihr beschäftigen und ich könnte auch keinen mutmaßlichen Vergewaltiger verteidigen. Dazu kommt, dass ich glaube, dass es in diesem Prozess der Verteidigerin nicht um Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit geht, sondern ums Gewinnen. Für so ein Denken fehlt mir der Mut oder der Ehrgeiz. Oder was auch immer man dafür braucht.

    Gewalt in Partnerschaften nimmt zu. Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Ist das nicht erschreckend?
    CONFURIUS: Ja, klar. Es ist kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles. Ich habe kürzlich einen Artikel gelesen, der in etwa besagt: Je mehr Aufmerksamkeit eine Frau in der Öffentlichkeit bekommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr sexuelle Gewalt widerfährt.

    Im neuen Gerichts-Drama von Ferdinand von Schirach spielen Ina Weisse und Godehard Giese ein ehemaliges Paar, das sich vor Gericht gegenübersteht.
    Im neuen Gerichts-Drama von Ferdinand von Schirach spielen Ina Weisse und Godehard Giese ein ehemaliges Paar, das sich vor Gericht gegenübersteht. Foto: Julia Terjung/ZDF, dpa

    Im Film wurde auch darauf hingewiesen, dass es zudem eine hohe Dunkelziffer bei diesen Straftaten gibt. Denn Frauen machen bei Anzeige die Hölle ein zweites Mal durch. Was würden Sie einer Frau raten, in solch einer Lage zu tun?
    CONFURIUS: Ich glaube, das kann ich nicht beantworten. Ich weiß das einfach nicht. Aber die Frage ist an der Stelle schon interessant, weil sie vorwegnimmt, dass man es sich als Frau zweimal überlegen sollte, ob man an die Öffentlichkeit geht, wenn man sexualisierte Gewalt erfahren hat oder es überhaupt jemandem erzählt. Das ist erschreckend! Die Vergewaltigungsmythen entlasten ja den Täter und schreiben dem Opfer eine Mitschuld zu. Bei Frauen sind das oft Vorwürfe wie, sie war ja aufreizend gekleidet oder hatte Alkohol getrunken. Die Opferrolle ist also eine doppelt tragische Rolle. Und viele geben sich allein deswegen eine Mitschuld, um aus dieser Ohnmachtsrolle wieder herauszukommen. Denn dann ist die Vergewaltigung nicht einfach passiert, sondern die Betroffene hat durch die aktive eigene Mitschuld das Gefühl, es künftig verhindern zu können. Die Psychologie dahinter, den Täter als nicht schuldig wahrzunehmen, ist, dass man diesem nicht einfach hilflos ausgesetzt gewesen ist. So ist unsere DNA gebaut, gerade wenn man mit dem Täter in einer persönlichen Beziehung ist.

    Im Gerichtssaal: Der Angeklagte Christian Thiede, gespielt von Godehard Giese.
    Im Gerichtssaal: Der Angeklagte Christian Thiede, gespielt von Godehard Giese. Foto: Julia Terjung, ZDF

    Die Täter sind meist nicht Fremde, die Frauen beispielsweise in dunklen Tiefgaragen auflauern, sondern stammen oft aus dem engen sozialen Umfeld. Das macht die Aufklärung noch schwieriger, oder?
    CONFURIUS: Ja natürlich. Denn es ist ja niemand dabei bei diesen Übergriffen. Das ist wie in diesem Film. Es gibt keine Beweise, sondern Opfer und Täter erzählen ihre Geschichte und das Gericht muss am Ende einer von beiden folgen.

    Kann man überhaupt über Schuld und Unschuld urteilen, wenn es nur zwei Aussagen gibt?
    CONFURIUS: Ich möchte es gerne glauben. Meistens gibt es ja auch noch ein bisschen mehr als nur zwei Aussagen. Viele Menschen, die sich in verschiedenen Bereichen spezialisiert haben, um eine Aufklärung zu ermöglichen. Aber ja, nach den Dreharbeiten an diesem Film ist mir bewusster geworden, wie schwer diese Aufgabe ist und wie glücklich ich bin, dass ich so etwas nicht entscheiden muss.

    Sie stellen die Verteidigerin als eine Frau dar, die keine Emotionen nach außen lässt. Was wollten Sie damit ausdrücken?
    CONFURIUS: Das kommt daher, dass ich dieser Rolle keine Persönlichkeit geben wollte. Die Verteidigerin kommt im Film sehr berechnend rüber. Sie ist sehr intelligent und sehr fokussiert auf den Fall. Die Emotionen sind mit Sicherheit da, aber sie haben im Gerichtssaal keinen Platz.

    Ina Weisse spielt die bekannte TV-Moderatorin Katharina Schlüter, die eine jahrelange heimliche Affäre mit dem Industriellen Christian Thiede hatte.
    Ina Weisse spielt die bekannte TV-Moderatorin Katharina Schlüter, die eine jahrelange heimliche Affäre mit dem Industriellen Christian Thiede hatte. Foto: Julia Terjung, ZDF

    Der Film hat einen ungewöhnlichen Schluss. Die Richterin unterbricht die Verhandlung und dann ist es aus. Der Zuschauer bleibt etwas ratlos zurück. Warum?
    CONFURIUS: Das geschieht natürlich ganz bewusst, weil die Zuschauerinnen und Zuschauer angeregt werden sollen, sich mit den Widersprüchen dieses Falls zu beschäftigen. Sie werden an die Stelle der Richterin gerückt, die mit diesen Informationen eine weitreichende Entscheidung treffen muss.

    Zur Person

    Henriette Confurius, 33, zählt zu den Jungstars unter den deutschen Schauspielern. Im neuen Schirach-Drama "Sie sagt. Er sagt." ist sie am Montag, 26. Februar, ab 20:15 Uhr im zu sehen. 

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