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Interview: Hautärztin Yael Adler: "Weg mit den Körpertabus!"

Interview

Hautärztin Yael Adler: "Weg mit den Körpertabus!"

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    Yael Adler ist Dermatologin und Autorin. Die Ärztin sieht Skinfluencer im allgemeinen kritisch.
    Yael Adler ist Dermatologin und Autorin. Die Ärztin sieht Skinfluencer im allgemeinen kritisch. Foto: Jenny Sieboldt/Dr. Yael Adler, dpa

    Frau Dr. Adler, Sie sind Deutschlands bekannteste Hautärztin. Wie kommen Sie mit diesem Status zurecht?

    Yael Adler: Ich freue mich einfach, wenn ich in meinem Fach etwas bewegen kann. Ich habe ja eine Art Sendungsbewusstsein. Und wenn man dann tatsächlich so einen Status haben sollte, dann kann man den benutzen, um seine Botschaften zu transportieren und Menschen gesünder zu machen.

    Sie haben eine eigene Praxis, sind in vielen Medien präsent, sie sitzen in zig Gremien und schreiben Bestseller. Wie machen Sie das eigentlich? Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden?

    Adler: Manchmal ist es in der Tat schwierig. Zum Beispiel hätte ich aktuell schon mein Buch beim Verlag abgeben müssen, nun fehlen aber noch ein paar Kapitel. Dadurch, dass meine Themen aber alle aus dem Themenkreis Medizin-Körper-Gesundheit kommen, ist das für mich auch so eine Art Fortbildung. Ich lerne etwas, das schreibe ich dann auf oder ich spreche darüber.

    Jetzt sind Sie auch noch nachmittäglich im „Team Hirschhausen“ zu sehen. Gemeinsam mit dem prominenten Kollegen wollen Sie ab dem 25. Juli in der ARD für frische Unterhaltung sorgen. Was kommt denn da auf die TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer zu?

    Adler: „Team Hirschhausen“ ist ein Nachmittagsprogramm, das täglich, insgesamt 15 Mal auf dem Sendeplatz von „Sturm der Liebe“ läuft, während die Serie pausiert. In der Sendung werden den Zuschauern viele alltägliche, aber auch gesellschaftliche Themen nähergebracht. Meine Rolle ist es, eine Sprechstunde anzubieten. Ich erkläre ein interessantes medizinisches Thema und beantworte Zuschauerfragen.

    Vielleicht kommt man ja bei Ihnen schneller durch als beim Facharzt...

    Adler: Ja, das ist ein Riesenproblem. Denn ich finde, Gesundheitskompetenz ist ein Grundrecht. Und gerade in Zeiten von langen Wartezeiten und kurzen Arztgesprächen ist es wichtig, dass es für Betroffene auch Möglichkeiten gibt, medizinische Ratschläge jenseits der kommerziellen oder fragwürdigen Internetseiten zu bekommen.

    Haben Sie Ideen, wie das gelingen könnte?

    Adler: Es wäre gut, mehr Telefonsprechstunden einzuführen, um pauschal die wichtigsten Fragen beantworten zu können. Ich habe Patienten, die schicken mir öfter Fotos ihrer Probleme. Einer ist beispielsweise gerade im Urlaub in einen Seeigel getreten. Der hat die Stacheln nicht rausbekommen. Ich sage dem natürlich, die müssen sofort raus, denn er kann sich damit infizieren. So ein Erstservice würde die Praxen entlasten, sodass Betroffene zu jeder Tageszeit ihre Fragen beantwortet bekommen. Auch zertifizierter medizinischer Content auf Homepages wäre gut. Denn für den Verbraucher ist oft nur schwer zu erkennen: Was sind seriöse Informationen und was ist Humbug?

    Absolut richtig. Wenn man mit Beschwerden im Internet Rat sucht, hat man am Ende das Gefühl, der Tod ist nah.

    Adler: Stimmt. Man hat ja dann gefühlt sowieso immer Krebs!

    Schweiß, Schamhaare, Schönheits-OPs, Sie sprechen über Themen, über die andere meist peinlich berührt schweigen. Haben Sie ein Lieblingsthema?

    Adler: Nein, aber ich habe die Lieblingssituation, dass Menschen merken sollten: Es darf kein Tabuthema geben. Denn es ist wichtig, dass alles raus darf, man sich dann ernst genommen und besser fühlt, einem geholfen werden kann. Also weg mit den Köpertabus!

    …weil Menschen, die sich nicht helfen lassen, sich oder andere gefährden?

    Adler: Na, erst einmal geht für die Betroffenen ganz viel Lebensqualität verloren. Ich nenne mal ein Beispiel: Frauen in der Menopause, die plötzlich eine trockene Scheide und keinen Sex mehr haben, weil es ihnen weh tut. Sie fühlen sich noch jung und hätten auch Lust. Sie leiden deswegen, weil vielleicht auch die Partnerschaft gefährdet ist. Frauen reden ja heute schon über Schweißausbrüche und schlechten Schlaf, aber über ihre Libido und Sex sprechen die meisten noch nicht.

    Sie sagen auch, das Alter kann man riechen. Das ist vermutlich keine gute Nachricht für ältere Menschen, oder?

    Adler: Ich sage, dass man in jeder Lebensphase anders riecht. Babys riechen nach Babys, Pubertierende nach Pubertierenden, Erwachsene haben dann eine Menge Hormone und im Alter verändert sich der Körpergeruch noch einmal. Er wird aber nicht schlechter. Ich würde sogar behaupten, er wird dezenter, da weniger Sexualhormone auf der Haut von Bakterien abgebaut werden. Denn die Hautflora prägt den Körpergeruch sehr stark. Sie ist abhängig davon, wie wir uns pflegen, ob wir schwitzen, welche Kleidung wir tragen.

    Sie raten davon ab, alkalische Seifen zu benutzen.

    Adler: Ja, die zerstören den Säureschutzmantel der Haut. Hier ist es besser, nur Wasser oder für die Achseln oder Leisten Essigwasser oder milde saure Waschsubstanzen zu nehmen. Dadurch vermehren sich gesundheitsförderliche Bakterien und man riecht besser.

    In Ihrem Bestseller „Haut nah“ bezeichnen Sie das, was Menschen gemeinhin unter moderner Körperpflege verstehen, sogar als „Körperverletzung“.

    Adler: Genau! Heutzutage arbeiten wir gegen die Hautphysiologie und die Evolution an. Dieses Übermaß an Pflege führt häufig zu Dysbalancen und Hautkrankheiten. Nehmen wir die Hände aus, reicht es, die großen Hautflächen nur mit Wasser zu waschen.

    Zum Schluss noch eine kleine fiese Frage. Sie haben oft Stress, wissen aber, dass der nicht gut für die Haut ist. Warum tun Sie sich ihn dann an?

    Adler: Stress ist für nichts gut. Für mich ist erholsamer Schlaf das Wichtigste. Außerdem treibe ich viel Sport, laufe gerne durch den Wald. So in sich gekehrt durch die Natur zu rennen, tut mir wahnsinnig gut.

    Zur Person: Yael Adler, 49, ist seit fast zwei Jahrzehnten als Hautmedizinerin bei verschiedenen TV-Sendern aktiv. Die zweifache Mutter schreibt Medizin-Bestseller und betreibt eine Privatpraxis in Berlin-Grunewald.

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