Frau Gause, seit genau 30 Jahren sind Sie als Co-Moderatorin beim „heute journal“. Werden Sie am Mittwoch auf dieses Jubiläum anstoßen?
Gundula Gause: Mal sehen. Ich warte ab, ob es aktuell in den Arbeitsalltag passt. Denn selbstverständlich steht in diesen Tagen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit all seiner Barbarei im Vordergrund – und auch die Bewältigung der daraus resultierenden Krisen. So ist mir momentan nur bedingt zum Feiern zumute.
Haben Sie eigentlich nie davon geträumt, die Nummer eins zu sein?
Gause: Nein. Ich bin jetzt 30 Jahre auf dem Posten der Co-Moderatorin und identifiziere mich in hohem Maß mit der Aufgabe der Nachrichtenauswahl, des Schreibens derselben und des Mitgestaltens der Sendung im Team. Im ZDF haben wir die Vorstellung, dass der Hauptmoderator, die Hauptmoderatorin ein eigener journalistischer Kopf sein soll, mit Korrespondentenerfahrung und mit eigenen Reportererlebnissen. Ich indes war immer Redakteurin und habe überwiegend im Büro, in meiner „Nachrichtenwerkstatt“, wie ich immer sage, gearbeitet. Von daher muss ich sagen: Es passt schon so, wie es ist.
Was hat sich in den vergangenen 30 Jahren im Nachrichtengeschäft verändert?
Gause: Durch die Digitalisierung ist alles massiv schneller geworden. Das Arbeiten hat sich auch dahingehend verändert, dass man über alle möglichen Zuspielwege permanent zusätzliche Informationen bekommt – und das auch noch immer schneller. Die journalistische Arbeit indes hat sich nicht verändert. Wir prüfen nach wie vor jede Information und das Bildmaterial sehr genau. Wir hinterfragen alles auf Authentizität. Am Ende muss ein Informationsangebot stehen, das verlässlich, kritisch und unabhängig ist.
Genau das bezweifeln manche Menschen aber. Wie erklären Sie einem Querdenker, dass der Staatssender ZDF keine Fake News produziert?
Gause: Das ZDF ist kein Staatssender, sondern ein öffentlich-rechtliches Medienhaus – das ist schon mal eine erste notwendige Differenzierung. Sachlichkeit, Objektivität, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und Fairness sind Grundsätze unserer journalistischen Arbeit, die dazu beitragen, ein möglichst umfassendes Bild der Wirklichkeit zu vermitteln. Gerade in Zeiten, in denen Fake News im Netz kursieren und viele zudem ungeprüft Fake-News-Vorwürfe machen, ist es notwendiger denn je, dass wir Journalistinnen und Journalisten gründlich recherchieren, akribisch Informationsquellen prüfen, die Authentizität und Faktizität von Worten, Bildern, Videos checken. Zuweilen kommt es vor, dass etwa in sozialen Netzwerken schon Meldungen kursieren, während sich das ZDF mit der Berichterstattung noch zurückhält. Dies liegt daran, dass im ZDF zur Vermeidung von Falschmeldungen das Zwei-Quellen-Prinzip gilt. Wäre gut, wenn das auch von denen genutzt würde, die oft allzu schnell krude Behauptungen in den Umlauf bringen.
Frau Gause, wie darf man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen. Wann fängt der an, wann hört er auf?
Gause: Als Journalistin, sage ich immer, arbeitet man rund um die Uhr. Ich informiere mich jedenfalls schon in der Frühe online oder über die Zeitung und das Radio über die Nachrichtenlage. Es ist sozusagen die Vorbereitung auf den Dienstbeginn um 14 Uhr. Dann geht es weiter mit der ersten Konferenz um 14.30 Uhr. Im Laufe des Nachmittags werden Agenturen gelesen, Mails gesichtet, Informationen ausgewählt, telefoniert, Nachrichten formuliert und so weiter. Dazwischen habe ich permanent Absprachen. Es geht darum, welche Themen in den Stücken aufgegriffen werden, was in die Anmoderation genommen wird und welcher Aspekt noch relevant sein könnte. Am frühen Abend folgt noch eine weitere Konferenz und – zack! – ist es 21.45 Uhr.
Wann kommen Sie wieder nach Hause?
Gause: Gegen 23 Uhr. Ich möchte allerdings erwähnen, dass ich seit vergangenem Jahr im Zuge der Verjüngung in den Sendungen nur mehr zu einem Drittel beim heute journal arbeite und zu einem weiteren Drittel beim heute journal update. Nach letzterer Sendung komme ich erst gegen um 1 Uhr oder 1.30 Uhr nach Hause. Außerdem gestalte ich die heute-Nachrichten um 12 und 17 Uhr mit. Mir gefällt diese Lösung sehr gut, weil ich in den anderen Sendungen selbst Interviews führe, zu den Korrespondenten schalten kann und damit noch näher an den Nachrichten dran bin.
Wie lange sitzt man eigentlich als Nachrichten-Moderatorin vor der Sendung in der Maske?
Gause: In der Maske verbringe ich rund eine Dreiviertelstunde. In der Corona-Zeit habe ich allerdings angefangen, mich auch selbst zu schminken. Dazu kann ich sagen: Ich bin nicht so gut wie die professionellen Kolleginnen, aber schneller. So bin ich jetzt schon in 20 Minuten damit fertig.
Frau Gause, Ihr Markenzeichen ist Ihr blonder Bob. Den hatten Sie auch schon bei Ihrem ersten Auftritt als Co-Moderatorin von Wolf von Lojewski beim "heute journal". Hat diese Frisur eine Bedeutung für Sie, steht sie vielleicht für Konstanz?
Gause (lacht): Sie können mit mir über alles reden, nur nicht über meine Frisur. Die habe ich über diese lange Zeit, weil ich meine, dass sie mir steht. Ich fühle mich wohl so. Und tatsächlich bin ich eine Frau, die für Kontinuität und Verlässlichkeit steht. Ich bin keine Freundin von verrückten Experimenten. Also: Einmal für gut befunden und dabeigeblieben!
Kurz zu Ihren Anfängen. Nach dem Studium moderierten Sie zunächst bei einem Privatradio und sind dann zum großen ZDF gewechselt. Wie kam das?
Gause: Ich gehörte der Generation an, die Mitte der 1980er Jahre, also in der Zeit vor der Digitalisierung, „irgendwas mit Medien“ machen wollte und war dann sehr froh über den Einstieg bei einem Privatradio, der mir dann seinerzeit den Weg zum ZDF ebnete. Gleichzeitig habe ich bis 1997 studiert. Das war schon eine stramme Zeit.
Wie kam der Kontakt zum ZDF zustande? War das Zufall?
Gause: Nein, in der Zeit weiteten die Sender ihr Programm aus. Durch die neuen Privatsender gab es eine Konkurrenzsituation. Und die nahmen die Öffentlich-Rechtlichen dann zum Anlass, ihr Programm auszuweiten. Da wurden neue, junge Leute gesucht. Alte Radiokollegen gaben mir dann den Tipp, mich mal beim ZDF vorzustellen – und tatsächlich wurde ich genommen. Und das war ein guter Start in eine gute Laufbahn.
… die Sie auch mal bereut haben?
Gause: Nein, ich habe das Glück, in meinem Traumberuf arbeiten zu dürfen.
Sie sind, wenn man Wikipedia glauben darf, gläubige Christin. Was hält Sie am Glauben in einer Zeit, in der den Kirchen die Leute scharenweise davonlaufen?
Gause: Sehr gut, dass Sie das ansprechen. Das erfüllt mich mit großer Sorge. Alle, die das christliche Wertegerüst für sich akzeptieren und den Glauben wie ich als Geschenk empfinden, bedauern es zutiefst, dass es seit Jahrzehnten zu den bekannten Verwerfungen und Skandalen gekommen ist. Diese Übergriffe erschüttern das Vertrauen in die Kirche und ihre Protagonisten. Die Austritte sind sehr nachvollziehbar. Ich verstehe Menschen, die sagen: Diese Kirche ist nicht mehr meine Kirche.
Was also tun?
Gause: Es besteht ein hoher Reformbedarf. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Menschen zusammen mit der Kirche versuchen, Reformen anzugehen und Veränderungen zu erarbeiten in Richtung Demokratisierung der Strukturen. Ich beziehe das nicht nur auf die Rolle der Frau. Die Gläubigen müssen insgesamt besser mitgenommen werden. Ich möchte jedenfalls daran festhalten, weil der Glaube zu meinem Leben und zu meinem Selbstverständnis gehört. Dabei bin ich als Laie absolut nicht bibelfest. Zugleich ist es für mich unvorstellbar, aus der Kirche auszutreten.
Wenn wir schon bei diesem Thema sind. Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Gause: Das ist für mich zu einfach formuliert. Da kommt eine Form von Transzendenz zum Schwingen, die jeder individuell erlebt. Es ist mehr als eine Metapher für ein wie auch immer geartetes Weiterleben nach dem Tod. Denn jeder Verstorbene lebt auch in der Erinnerung seiner Angehörigen und Freunde gewissermaßen weiter und in dem, was er hinterlässt. In diesem Sinne bemühe ich mich auch, das Andenken an die Verstorbenen meiner Familie und Freunde zu erhalten. Und so leben sie auch weiterhin mit mir.
Sie sind mit einem Zahnarzt verheiratet, haben zwei Kinder. Aber wie über die meisten Nachrichtenmoderatoren im ZDF weiß man von Ihrem Privatleben nicht allzu viel. Warum ist das so?
Gause: Das ist so, weil ich ganz klar sage: Arbeit ist Arbeit und Familie ist Familie. Ich bin meinen Leuten dankbar, dass sie mich über diese lange Zeit beruflich haben gewähren lassen. Sie unterstützen mich dabei, diese durchaus fordernde Arbeit machen zu können. Und aus Respekt vor meiner Familie lasse ich sie damit in Ruhe. Mein Privatleben ist außerdem nicht so spektakulär, wie man sich es vielleicht vorstellen mag, sondern es geht daheim ganz normal zu wie bei vielen anderen eben auch.
Frau Gause, Hand aufs Herz. Sind Sie privat auch so korrekt, wie man das von einer sauber gescheitelten Nachrichtenmoderatorin vermutet?
Gause: Ich bemühe mich sehr. Das Einzige, was ich bekennen möchte: Ich stamme aus einer Zeit, in der man viel mit Papier gearbeitet hat, und leider habe ich viel zu viel Papier daheim gestapelt. Ob das nun Zeitungsartikel sind, Bücher oder sonstige Publikationen. Da hat sich bei mir einiges angesammelt. Ich müsste da stringenter sein und gerade in der digitalen Zeit mich von noch mehr Papier trennen. Ich habe aber den Hebel schon umgelegt – und drucke fast kein Papier mehr aus. Und sonst: Ja, natürlich bin ich eine ziemlich korrekte Type.