Herr Habich, über die Frage, wie und wann man sterben muss, haben sich die Menschen nie zuvor in der Geschichte so viele Gedanken gemacht wie heute.
Matthias Habich: Glauben Sie? Woran machen Sie das fest?
Beispielsweise an der Google-Suche. Da gibt es Millionen Beiträge rund um Fragen zum Tod.
Habich: Früher hatte man eben kein Google. Ich glaube, die Gedanken zum Sterben und der Endlichkeit des Lebens sind ein Grundmotiv des Denkens, seit es Menschen auf der Welt gibt. Ich habe als kleines Kind schon senkrecht im Bett gestanden beim Gedanken an die Tatsache, dass ich irgendwann einmal eineinhalb Meter unter der Erde liegen werde. Allerdings kann es tatsächlich sein, dass man heute mehr Zeit hat, darüber nachzudenken.
Zum Thema Tod haben Sie einmal über sich selbst gesagt, Sie seien glücklicherweise sehr gut im Verdrängen.
Habich: Verdrängen würde ich das nicht nennen. Aber ich bin in der Tat ganz gut im Lebendigsein. Ich genieße die Schönheiten des Lebens, bin aufmerksam, bin wach und versuche nicht so viel zu grübeln.
Trotzdem haben Sie auch schon gesagt: „Natürlich ist es so, dass man die Zeitung aufschlägt und die Todesanzeigen liest. Natürlich beschäftigt mich das.“
Habich: Das stimmt, aber eigentlich kümmere ich mich nicht ums Alter. Allerdings kümmert sich das Alter halt inzwischen um mich. Einfach in der Form, dass Sie mir beispielsweise eine Frage dazu stellen. So muss ich darüber reden. Matthias Habich, 80 Jahre, Thema! Ich werde also immer wieder draufgestoßen. Aber ich persönlich lebe gerne. Was soll ich mir die Zeit mit Altersbeschäftigung verderben?
Sie feiern die positiven Seiten des Lebens?
Habich: Na ja, das sind auch fromme Wünsche. Ich habe immer schon ans Sterben gedacht, aber das hat sich nicht verstärkt. Der Termin kommt allerdings näher. Man könnte sagen: Die Schlüssel des Henkers sind schon zu hören.
Wenn man Sie so reden hört, klingt das aber noch nicht so.
Habich: Ich fühle mich ja auch noch ganz wohl. Toi, toi, toi! Möge mir das Schicksal die Verzweiflung ersparen, mit der dieser Richard Gärtner kämpfte, den ich gespielt habe.
Dieser Gärtner in der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Kammerspiel ,Gott‘ würde gerne sterben, obwohl er nicht todkrank ist. Seine Bitte nach dem Tod beschäftigt auch den Ethikrat. Haben Sie sich schon mal intensiv mit der Frage der aktiven Sterbehilfe beschäftigt?
Habich: Was soll man sich damit beschäftigen? Ich habe schon einige Freunde diesen Weg gehen sehen und finde es aber gut, dass der Paragraf 217 gestrichen wurde. Das ist sehr klug. Ich meine, das ist eine psychologische Hilfestellung. Wenn man weiß, man darf diesen Weg gehen, schlägt man ihn vielleicht gar nicht ein. Wenn er aber staatlicherseits verwehrt ist, kann das Leben zum Gefängnis werden. Denn man fühlt, es gibt keinen Notausgang.
Es geht um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das besagt, Sterbehilfe sei nicht mehr unter Strafe gestellt. Wer soll denn letztendlich die Entscheidung treffen: Der Betroffene? Der Arzt? Der Jurist? Der Priester?
Habich: In dem Film wurden von allen Seiten Argumente zusammengetragen. Daraus resultieren die Meinungen für oder gegen Sterbehilfe. Ich persönlich meine, es ist sehr hilfreich, dies dem Einzelnen zu überlassen. Denn das kann ihm, wie gesagt, eine Hilfe sein. Das stelle ich mir vor wie mit einer Schlaftablette. Wenn man die am Nachttisch liegen hat, dann braucht man sie zum Einschlafen gar nicht. Es reicht zu wissen, dass man sie eventuell nehmen könnte.
Was halten Sie von professionellen Sterbehilfe-Unternehmen?
Habich: Das sind ja Ärzte und ich denke, wenn man für die Möglichkeit der Sterbehilfe ist, dann braucht man diese Sterbehilfeorganisationen. In der Schweiz gibt es beispielsweise Exit. Ich finde gut, dass es diese Organisationen gibt.
Kirchenvertreter wiederum sagen, das Leben sei ein Geschenk Gottes, es liege alles in Gottes Hand und kein Mensch dürfe es ablehnen.
Habich: Das sind auch nur Menschen, die eine Meinung haben. Die Kirchenvertreter tun so, als hätten sie einen heißen Draht zu Gott. Aber das ist eine zutiefst menschliche Entscheidung. Ich weiß im Übrigen nicht, wer Gott sein sollte.
Wie groß ist aber die Gefahr, dass durch die Erlaubnis zur Sterbehilfe auf alte Menschen ein gesellschaftlicher Druck entsteht, der sie spüren lässt, sie seien nur mehr Kostenfaktor und sollten ihrem Leben besser ein Ende setzen?
Habich: Ich persönlich würde mich von der Jugend nie bedrängt fühlen.
Noch ein paar Fragen zu Ihnen privat. Man kann lesen, Sie geben nicht gerne Interviews. Warum?
Habich: Ach, das kommt auf die Tagesform an. Ich bin allerdings auch der Meinung, dass meine Arbeit für sich sprechen sollte. Außerdem werden oft dieselben Fragen gestellt. Ich nehme mir dann vor, mir etwas ganz Besonderes auszudenken, etwas sehr Pointiertes, das witzig ist und heiter. Am Ende lasse ich es doch sein, weil ich zu faul bin.
Sie haben ja auch behauptet, Ihre Eitelkeit sei befriedigt. Was treibt Sie weiter an?
Habich: Das stimmt so nicht, denn Eitelkeit geht nicht von alleine weg. Ich glaube, jeder Schauspieler ist eitel, und das gehört auch zum Beruf. Die Eitelkeit darf nur nicht krankhaft sein. Mich treibt der Spaß am Kreieren weiter an, aus einem toten Satz einen lebendigen zu machen. Das ist gut.
Solange dies nicht gerade als Fernsehkommissar geschieht. Das sei nicht Ihre Rolle, meinten Sie mal.
Habich: Ein Kommissar zu sein bedeutet oft, dass man zweimal im Jahr so einen Krimi drehen muss. Das heißt, man ist eine Art Angestellter. Ich jedoch möchte so frei wie möglich sein. Ich brauche das Geld nicht und nicht die Rollen. Diese Krimis verstopfen doch inzwischen die Fernsehkanäle, man sieht ja schon gar nichts anderes mehr. Ich muss aber zugeben, manchmal schaue ich mir trotzdem einen Krimi an, weil manche sind ja auch ganz toll. Wilsberg sehe ich gerne, den finde ich lustig. Aber eigentlich bin ich nicht Schauspieler geworden, um einen Kommissar zu spielen.
Info: "Gott – von Ferdinand von Schirach" läuft am Montag, 23. November, 20.15 Uhr, in derARD.
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