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Interview: Gibt es die Frühjahrsmüdigkeit?

Interview

Gibt es die Frühjahrsmüdigkeit?

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    Die Natur erwacht, doch viele Menschen sind im Frühling einfach nur müde.
    Die Natur erwacht, doch viele Menschen sind im Frühling einfach nur müde. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Herr Dr. Beck, gibt es die Frühjahrsmüdigkeit wirklich?

    Es gibt sie zumindest nicht als international anerkannte medizinische Diagnose. Bei einer Prüfung im Medizinstudium wird wohl nie ein Professor sagen: Jetzt erzählen Sie mir mal etwas über die Frühjahrsmüdigkeit.

    Trotzdem: Kennen Sie die Symptome der Frühjahrsmüdigkeit?

    Unwohlsein, Müdigkeit, Antriebschwäche, mangelnde Kondition... Darüber klagen im Frühling manche Menschen.

    Woher kommt diese Müdigkeit?

    Das Wetter hat offensichtlich Einfluss auf unser Empfinden und unseren Organismus. Es gibt ja wetterfühlige Menschen. Manche fallen zum Beispiel im November in depressive Stimmung. Aber verlässliche Studien zur Häufigkeit der Frühjahrsmüdigkeit sind mir nicht bekannt.

    Jeder Zweite soll in Deutschland unter Frühjahrsmüdigkeit leiden...

    Das sagt man so. Die Menschen sehen das aber nicht als Krankheit. Ich habe die Frühjahrsmüdigkeit, was soll ich tun? – Das hat als ernsthafte Beschwerde in meiner Sprechstunde bisher niemand gesagt. Die Frühjahrsmüdigkeit ist eher auf der sozialen Ebene ein Thema, etwa im Gespräch mit Freunden oder Kollegen.

    Was macht der Frühling mit uns?

    Ich vermute, dass die steigenden Temperaturen und Wetterumschwünge hinter den Symptomen stecken. Innerhalb kürzester Zeit wechseln sich Minustemperaturen und warmes, zum Teil föhniges Wetter ab. Das kann Menschen, deren Kreislauf nicht stabil ist, Probleme machen. Genauso, wenn die Temperaturen nach unten gehen.

    Immer wieder werden Botenstoffe mit der Frühjahrsmüdigkeit in Verbindung gebracht. Was ist da dran?

    Im Frühjahr nimmt das Schlaf-Hormon Melatonin ab und das Wach-Hormon Serotonin zu. Ich persönlich bin von dieser Erklärung als alleinige Begründung von Frühjahrsmüdigkeit aber nicht so überzeugt. Ich glaube: Wenn es draußen heller wird, schlafen viele Menschen weniger, beziehungsweise schlechter und sind deshalb müder. Das hängt auch vom persönlichen Schlafverhalten ab. Außerdem hat bei vielen die Kondition über den Winter gelitten.

    Was kann man dagegen tun?

    Es hilft, den Kreislauf in Schwung zu bringen: Vitamine, frisches Obst und Gemüse, genügend trinken, Freunde treffen, sich bewegen und raus an die frische Luft – alles Dinge, die der Frühling ohnehin mit sich bringt. Wenn es die Gesundheit erlaubt, helfen auch Sport, Wechselduschen und Saunagänge.

    Und wie lang hält so eine Frühjahrsmüdigkeit an?

    Das kann dauern, bis sich die Witterung stabilisiert hat – normalerweise ist das etwa im Mai der Fall. Wetterfühligen Menschen kann das Wetter aber unabhängig von der Jahreszeit Probleme machen, zum Beispiel bei Föhn oder Kälte.

    Woran erkennt man, ob mehr als eine Frühjahrsmüdigkeit dahintersteckt?

    Für einen Arzt ist entscheidend: Klagt jemand, seit Wochen müde zu sein, sollte man das nicht einfach als Frühjahrsmüdigkeit abtun. Tritt eine Müdigkeit konsequent auf, verstärkt sie sich und bessert sich nicht, indem man an die frische Luft geht – da kann auch eine körperliche oder psychische Krankheit dahinter stecken. Dann muss man der Sache als Arzt nachgehen. Interview: Claudia Graf

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